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Der Titania-Palast in Berlin-Steglitz.

© IMAGO/Schöning

„Der phänomenale Titania-Palast“: Ein Wahrzeichen des Berliner Südwestens hat Geburtstag

Kulturamtschefin Brigitte Hausmann über ein Bauwerk, das mehr ist als ein Kino und in diesen Tagen 95 Jahre alt wird.

Von Markus Hesselmann

| Update:

Welche Bedeutung hat aus ihrer Sicht der Titaniapalast für Steglitz-Zehlendorf und für Berlin, heute und historisch?

Der Titania-Palast von Erich Schöffler, Carlo Schlönbach und Carl Jacobi gilt zu Recht zusammen mit Erich Mendelsohns Universum-Kino am Lehniner Platz, der heutigen Schaubühne, als bedeutender erhaltener Kinobau aus der Anfangszeit des Tonfilms. In der Weimarer Republik wurde der Kinobesuch zum populärsten Freizeitvergnügen der Mittelschicht und so wurden zahlreiche Kinos gebaut. Der Titania-Palast in seiner ursprünglichen Erscheinung war außen und innen sensationell.

Seine Funktion als Lichtspieltheater, wie Kinos früher auch genannt wurden, sowie die Lichtfixierung der Moderne der 1920-er Jahre übersetzte sich in eine Lichtarchitektur, der eine eigene Transformatorenstation den Strom lieferte. Aus den imposanten versetzten Kuben in Stahlbetonskelettbauweise entwickelt sich über dem Haupteingang ein ca. 30m hoher schlanker Aufbau mit 27 Lichtringen.

Brigitte Hausmann will Ideen entwickeln, um das kulturelle Leben im Bezirk zu bereichern.
Brigitte Hausmann, Leiterin des Fachbereichs Kultur im Bezirk Steglitz-Zehlendorf.

© Anett Kirchner

Das bis heute beeindruckende Äußere blieb weitgehend erhalten, ein Abriss wurde glücklicherweise 1965/66 abgewendet und die denkmalgeschützte Fassade 1995 instandgesetzt, allerdings mit Zugeständnissen an die Geschäfte und deren Bedarf an Schaufenstern. In diesem Abschnitt der Einkaufsmeile Schlosstrasse ist der Titania-Palast noch immer der markanteste Bau.

Innen ist er allerdings völlig verändert, bereits Ende der 1960er Jahre erfolgte der Umbau in ein Geschäftshaus. Der ursprüngliche Zuschauersaal mit fast 2000 Plätzen muss mit seinen organischen Formen, den Wandbespannungen, Teppichen, den audiovisuellen Effekten durch eine Lichtorgel und 3000 Orgelpfeifen überwältigend gewesen sein, ein luxuriöses HighTech-Gesamtkunstwerk und damit ein Faszinosum, wie in den 1990-er Jahren vielleicht das Sony-Center am Potsdamer Platz und in jüngerer Zeit die Elbphilharmonie.

Der Saal war als Kino, Theater und Konzertsaal nutzbar und konnte dann, da weitgehend unbeschädigt geblieben, im zerstörten Berlin nach 1945 weiterhin vielfältig genutzt werden. Im Titania-Palast fand 1945 das erste Konzert der Berliner Philharmoniker nach der Befreiung statt, 1948 die Gründungsfeier der Freien Universität Berlin, 1951 die Eröffnung der ersten Berliner Filmfestspiele, um nur einige besonders spektakuläre Anlässe mit weit überbezirklicher Bedeutung zu nennen; er war Spielstätte der Deutschen Oper und Berliner Operettentheater. Weltberühmte Sänger*innen und Musiker*innen wie Louis Armstrong und Yehudi Menuhin traten im Titania-Palast auf, etliche verewigten sich im Gästebuch.

Eine große Freude ist, dass seit 1995 seine ursprüngliche Funktion als Kino erfolgreich wiederbelebt wurde und der Titania-Palast damit auch im 21. Jahrhundert und für die heutigen Generationen ein lebendiger und beliebter Ort der Filmkunst und nicht allein eine Denkmalshülle ist. Als von Cineplex betriebenes Kino mit mehreren Sälen und hochwertigem Programm strahlt er weiterhin über die Bezirksgrenzen hinaus.

Wie ist Ihr persönlicher Bezug zu dem Bauwerk?

2017 übernahm ich die Leitung des Fachbereichs Kultur Steglitz-Zehlendorf und hatte ein Projekt schon im Gepäck, nämlich die Architektur der 1920-er Jahre im Bezirk zum Thema zu machen. 2020 bot das Jubiläum „100 Jahre Groß-Berlin“ die Chance zur Umsetzung. Der phänomenale Titania-Palast durfte nicht fehlen und wurde in der Ausstellung „NEU, GROSS, GRÜN – 100 Jahre Architekturmoderne im Berliner Südwesten“ (Gutshaus Steglitz und Schwartzsche Villa) und in der gleichnamigen Begleitpublikation (Gebr. Mann Verlag) gewürdigt. Im Rahmenprogramm zur Ausstellung konnte der Fachbereich Kultur im Titania-Palast am 16. Februar 2020, etwa einen Monat vor dem ersten pandemiebedingten Lockdown, den Film ? "Menschen am Sonntag" von 1929 zeigen, der sich mit ganz großen Namen der Filmgeschichte wie Robert Siodmak und Billy Wilder verknüpft. Ausdrücklich erwähnen möchte ich die wunderbare Kooperation mit Cineplex, die uns den Kinosaal mietfrei überließ und das notwendige Fachpersonal unentgeltlich stellte.

Wie könnte der Bezirk den 100. Jahrestag der Eröffnung in fünf Jahren begehen?

Der Titania-Palast und seine spannende Geschichte lassen die Ideen nur so sprudeln. Der Bedeutung des Filmpalastes angemessen wäre, das Jubiläum mit einem Programm zu feiern, an dem möglichst viele „Wegbegleiter“ des Palastes – von den Berliner Philharmonikern und der FU bis hin zu Cineplex und heutigen gewerblichen Nutzern – beteiligt sind. Ähnlich vielfältig wie die Funktionen des Palastes in Vergangenheit und Gegenwart könnten die Formate sein, ins Blaue hinein gedacht z.B. eine Reihe mit Filmen aus den 1920-er Jahren, Konzerte mit Filmmusik, eine Ausstellung vor Ort mit historischen Fotos und anderen Dokumenten.

Sie erwähnten die jetzigen Inhaber und ihren Blick fürs Kulturelle und für die Community, können Sie Ihre Erfahrungen damit kurz beschreiben, sind womöglich weitere Kooperationen, z.B. Veranstaltungen, geplant?

Mit Cineplex unter Leitung von Günther Mertins und Peter Sundarp kooperierte der Fachbereich Kultur bereits zweimal. 2017 fand im Adria-Kino die Premiere von Hanna Schygullas „Die Unbegleiteten“ statt, einer im Kulturhaus Schwartzsche Villa entstandenen Dokumentation der Schauspielerin und Filmemacherin über 10 minderjährige, aus unterschiedlichen Ländern Geflüchtete. 2020 konnten wir – wie erwähnt – den 1929 in Berlin und im Strandbad Wannsee gedrehten Stummfilm „Menschen am Sonntag“ im Titania-Palast präsentieren. Ohne die Offenheit der Kinobetreiber und Geschäftsführer und ihre dankenswerte Unterstützung hätten wir die Filme nicht auf großer Leinwand und einem großen Publikum zeigen können. Aktuell gibt es keine Planung, doch würde ich mich bei gegebenem Anlass freuen, wenn sich die positiven Erfahrungen fortsetzen ließen.

Gedenktafel Titania-Palast, Berlin-Steglitz.
Gedenktafel Titania-Palast, Berlin-Steglitz.

© OTFW, Berlin, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons

Gibt es etwas, dass man am Gebäude und am Ort noch verbessern könnte, auch mit Blick auf Erinnerungspolitik, dabei vielleicht auch auf die Rolle des Films und solcher Großkinos in der NS-Zeit?

An drei wichtige Ereignisse der Gebäudegeschichte, die Einweihung 1928, das Konzert der Berliner Philharmoniker 1945 und die Gründungsveranstaltung der FU 1948, erinnert eine Berliner Gedenktafel. Eine etwas ausführlichere Heranführung an die Geschichte des Titania-Palastes in der Weimarer Republik, der NS-Zeit und der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart wäre wünschenswert und kann vielleicht durch Ihren Artikel angestoßen werden.

Hier noch einige weitere Themen aus dem aktuellen Tagesspiegel-Newsletter für Steglitz-Zehlendorf:

  • Drei leere Stühle: Grüne, SPD und FDP kamen nicht zum Wahlhearing
  • „Hier ist ja nichts“: Queere Jugendliche fordern Anlaufstellen und Treffpunkte im Bezirk
  • Reichsbürger, Burschenschaft Gothia, AfD: „Steglitz-Zehlendorf ist ein Hotspot der Neuen Rechten“
  • „Gehen Sie zur Wahl“: Aufruf der Seniorenvertretung
  • Urban Aykal und Michael Karnetzki im Stadträte-Duell zur Wahl: Wohnungsbau und Heckeshorn vs. Schulwegsicherheit und Barrierefreiheit
  • Holocaust-Gedenktag: Am Tag der Befreiung von Auschwitz finden diverse Veranstaltungen im Südwesten statt
  • Ein Stahlkorsett für die A 103: Dieses Jahr wird an der Autobahn am Kreisel gebaut
  • Auf der Suche nach dem benutzten Heinz: 99 Laternen-Ladepunkte gibt es jetzt
  • Mehr als ein Kino: Der Titania-Palast an der Schloßstraße wird 95 Jahre alt
  • Wim Wenders trifft Edward Hopper: Ausstellung in Dahlem
  • Dämmputz, pfui baba: Kommentar zum Welterbe-Status der Zehlendorfer Waldsiedlung
  • Wie weiter am Kiez S-Bahnhof Botanischer Garten? Gespräch mit der Politik
  • Schöne Schlager im Schloss – mit Schmelz, Schmalz und Schmackes
  • 1000 Euro für einen neuen Straßennamen in Dahlem: Wista lobt Wettbewerb für das FUBIC-Gelände aus

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