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Berlin: Berlins Ruhrgebiet sucht neue Zukunft

Mit der „Berliner Batterie“ steht eines der letzten Industrieunternehmen in Oberschöneweide vor dem Aus

Bruno Michalski zieht die Grafik hervor wie ein wichtiges Beweisstück, das seine Unschuld beweisen kann. Die Grafik erklärt den Niedergang seiner Firma, sagt Michalski. Sie zeigt eine rote und eine blaue Zackenlinie, die rasant ansteigen. Sie zeigen den Euro- und den Dollarpreis für Blei. Kostete die Tonne vor zwei Jahren noch gut 400 Euro, liegt der Preis seit Sommer 2004 bei über 700 Euro. Michalskis Firma BAE Berliner Batterie stellt Bleibatterien her. Mitte März musste BAE Insolvenz anmelden.

Damit steht einer der letzten Traditionsbetriebe in Berlins einstmals größtem Industriegebiet vor dem Aus. 15 Jahre nach der Wiedervereinigung ist die Hoffnung gestorben, den Industriestandort Oberschöneweide erhalten zu können. Zu DDR-Zeiten arbeiteten noch rund 30000 Menschen am Spreeknie: In den Kabelwerken Oberspree (KWO), der Transformatorenfabrik (TRO), dem Werk für Fernsehelektronik (FW) oder eben der Berliner Akkumulatoren- und Elementefabrik (BAE). Doch obwohl Millionen in die Sanierung der Industrielandschaft investiert wurden, sank die Zahl der Arbeitsplätze auf rund 3000.

BAE produziert Industriebatterien für Gabelstapler, Notstromaggregate oder Elektroloks. Der Umsatz lag zuletzt bei knapp 30 Millionen Euro. „Der horrende Bleipreis hat unsere Kostenplanung über den Haufen geworfen“, sagt Michalski, geschäftsführender Gesellschafter der BAE GmbH. Zudem hätten zwei US-Konzerne, die in den vergangenen Jahren durch Fusionen große Marktmacht erlangt hätten, einen Preiskrieg begonnen.

Seit dem vergangenen Jahr fuhr BAE daher einen radikalen Sparkurs. „Wir haben die Kosten um zwei Millionen Euro gedrückt“, sagt Michalski. Doch das reichte am Ende nicht aus, um die Lieferanten bezahlen zu können. Auch die Mitarbeiter mussten bluten. Seit Sommer 2004 sank die Belegschaft von 305 auf 245. Viele der verbliebenen Mitarbeiter erhielten monatelang keinen Lohn. „Mir fehlen sechs Gehälter und die Beiträge für Renten- und Krankenkasse“, klagt eine Angestellte. Auch viele andere Mitarbeiter hätten bis zu einem halben Jahr kein Geld erhalten. „Aus Angst um den Arbeitsplatz haben die meisten stillgehalten“, sagt die BAE-Mitarbeiterin. In Oberschöneweide ist jeder fünfte Erwerbsfähige ohne Arbeit.

Christoph Rosenmüller, der vorläufige Insolvenzverwalter, bezweifelt, dass die ausstehenden Löhne später noch bezahlt werden können. Denn bei einer Insolvenz sind die Ansprüche der Angestellten nachrangig. „Zumindest können die verbliebenen Mitarbeiter hoffen, dass ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt“, sagt Rosenmüller. Er sucht jetzt neue Investoren für BAE. „Mit neuem Eigenkapital haben wir gute Überlebenschancen, denn unsere Batterien sind weltweit konkurrenzfähig“, glaubt Michalski. Doch der Investor muss noch gefunden werden.

Mit BAE ist eines der letzten verbliebenen Oberschöneweider Traditionsunternehmen aus der Gründerzeit in die Krise geraten. Die riesigen Hallen der Kabelwerke und der Transformatorenfabrik am Spreeufer stehen seit Jahren leer. Andere Unternehmen aus der Pionierzeit existieren nur noch als kleine Nachfolgefirmen, wie etwa der Gleitlager-Hersteller Admos, gegründet 1910. Einziger großer Arbeitgeber ist nun der koreanische Elektronik-Konzern Samsung, der nach der Wende in das Werk für Fernsehelektronik eingestiegen war. Mit knapp 1000 Mitarbeitern produziert Samsung Bildschirmröhren im denkmalgeschützten Industrietempel von Peter Behrens.

In den neunziger Jahren sollte ein „Industrieflächensicherungskonzept“ den Standort Oberschöneweide erhalten. Es schrieb vor, dass sich nur Industrieunternehmen auf dem Areal niederlassen durften. Die Berliner Landesentwicklungsgesellschaft (Bleg) investierte hunderte Millionen, um den Standort aufblühen zu lassen. Mittlerweile wird die Bleg selbst abgewickelt. Denn mitten in die Großstadt zog es nur wenige industrielle Investoren. Viel zu spät erkannten die Planer, dass die Hoffnung auf eine Reindustriealisierung unrealistisch war. Jetzt sucht man nach Alternativen. Vorbild ist das Ruhrgebiet, dass sich recht erfolgreich bemüht hat, durch Firmenansiedlungen, Wissenschaft und Kunstprojekte vom Kohlenpott-Image loszukommen.

Quartiersmanagerin Heidemarie Mettel führt Besucher durch das Freiluftmuseum für Industrie, in das sich Oberschöneweide verwandelt hat. Besonders gerne zeigt sie die Ecken von Oberschöneweide, die ihr Hoffnung machen. Zum Beispiel die riesige KWO-Halle an der Spree, in die bald die Mensa der Fachhochschule für Wirtschaft und Technik (FHTW) einziehen soll. Von der Entscheidung, rund 6000 Studenten und 400 Hochschulangestellte nach Oberschöneweide zu holen, verspricht sich der Bezirk Treptow-Köpenick neue Dynamik für den Stadtteil.

Der zweite Vorzeige-Ort von Heidemarie Mettel sind die heruntergekommenen Reinbeckhallen. Investoren wollen hier ein Zentrum für moderne Kunst erschaffen. Die „Schauhallen Berlin“ sollen ein touristischer Anziehungspunkt wie das Museum im Hamburger Bahnhof werden. „Das klingt zwar etwas verrückt“, sagt Quartiersmanagerin Mettel. „Aber es ist die beste Idee für den Standort, von der ich bisher gehört habe.“

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