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Die „Alte Halle“ im Stadtbad Charlottenburg gilt als die ältesten noch erhaltene Schwimmhalle Berlins.

© IMAGO/Funke Foto Services

Hygiene für alle: Berlins erste Schwimmhallen im 19. Jahrhundert

Folge 38 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über die Geschichte der Berliner Wirtschaft dreht sich um die Errichtung der ersten öffentlichen Bäder.

Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

Der Berliner Winter steht vor der Tür. Eine Möglichkeit, sich gegen den Winterspleen zu schützen, ist das Schwimmen. Wer bei dem Gedanken fröstelt, sein Fleisch in die Berliner Seen einzutauchen, sobald das Thermometer weit unter 10 Grad Celsius fällt, für den hat die Stadt eine Alternative parat: die Stadtbäder. Heute hat man die Wahl zwischen fast 40 davon. Doch welches war das Erste? Die Antwort scheint auf der Hand zu liegen: die „Alte Halle“ in Charlottenburg.

Ein Plan der Wasch- und Badeanstalt mit dem Schwimmbecken in der Schillingstraße 7-9 aus Jahr 1874.
Ein Plan der Wasch- und Badeanstalt mit dem Schwimmbecken in der Schillingstraße 7-9 aus Jahr 1874.

© gemeinfrei via ZLB

Das älteste noch existierende Stadtbad Berlins ist gerade 125 Jahre alt geworden. „Von wejen!“, protestiert Moabit. Im Stadtbad Tiergarten in der Turmstraße konnte man bereits sieben Jahre zuvor ins erwärmte Wasser springen. Doch zum Leidwesen Moabits wurde ihr Stadtbad 1985 abgerissen.

Und was noch wichtiger ist: Es war zwar das erste städtische Hallenbad, aber nicht das erste Hallenbad in Berlin. Fast vier Jahrzehnte zuvor hatte ein gewisser Ludwig Carl Scabell in der Schillingstraße (damals Schillings Gasse), in einem heute nicht mehr wiederzuerkennenden Bereich um die Magazinstraße, das erste Hallenschwimmbad Deutschlands errichten lassen. Nach englischem Vorbild erbaut, füllte es auch sein Schwimm- und Badebecken mit Wasser aus „englischen Leitungen“ – die ersten modernen Wasserwerke Berlins wurden von den britischen Fachleuten Fox und Crampton gebaut.

Ein Plan aus dem Jahr 1861: In der Mitte ist die Wasch- und Badeanstalt verzeichnet.
Ein Plan aus dem Jahr 1861: In der Mitte ist die Wasch- und Badeanstalt verzeichnet.

© Carl Birck (Public Domain) via ZLB

Das Bad in der Schillingstraße war trotz der vorhersehbaren Anfangsprobleme – schlechte Belüftung, unvollkommene Abwasserentsorgung, Verschmutzung des Schwimmbeckens durch Seife – eine bewundernswert moderne Einrichtung. Das Backsteingebäude mit drei Dampfkesseln im Keller wurde mit einem Minimum an Holz gebaut.

Um den Schimmelpilz – die Nemesis aller Bäder – in Schach zu halten, wurde das Gebäude mit Stahlträgern und Unterzügen versehen. Steinböden garantieren, wenn schon nicht Gemütlichkeit, so doch Langlebigkeit und Reinigungsfreundlichkeit. Das mit glasierten Fliesen ausgekleidete Schwimmbecken war – zum Leidwesen der Nixen – ein reiner Männerbereich.

Da die Chlorung in den Berliner Stadtbädern erst in den 1920er-Jahren eingeführt wurde, musste das Becken regelmäßig geleert und per Hand mit Seife geschrubbt werden. Die seifigen Abwässer wurden direkt in den Königsgraben geleitet. Der aus dem 17. Jahrhundert stammende Graben wurde etwa 30 Jahre später zugeschüttet, um die heutige Stadtbahn und Bahnhöfe wie den Alexanderplatz zu bauen, was den ohnehin schlechten Zustand des historischen Kanals noch verschlimmerte. Die Vorzüge der Anstalt waren jedoch unbestreitbar.

Die Halle stand allen sozialen Schichten offen und bot die Möglichkeit, die Lebensumstände und die Hygiene der Berliner Arbeiter zu verbessern. Sie konnten dort auch schwimmen, baden oder duschen und sogar ihre Kleidung waschen lassen.

In vielerlei Hinsicht war das Bad in der Schillingstraße mit seinem gut organisierten Angebot und den allmählich verschärften Regeln, wie dem Alkoholverbot, dem Verbot, das Schwimmbecken barfuß zu betreten oder zu verlassen, und der obligatorischen Dusche vor dem Schwimmen, den heutigen Schwimmbädern nicht unähnlich. Nun ja, abzüglich der Föhne und der Pommes mit Schranke danach.

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