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Historische Postkarte mit Kupferhäusern auf dem Gelände des Finow-Messingwerkes in den 1930er-Jahren.

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Mobile Wohngebäude in den 1930ern: Wie Kupferhäuser aus Brandenburg im heutigen Israel landeten

In Folge 37 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über Berlins Wirtschaftsgeschichte berichten wir über ein besonders Fertighausmodell aus den 1930er-Jahren.

Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

Was macht ein Haus perfekt? Zwar hat jeder seine eigenen Vorlieben, aber in einigen Dingen sind wir uns wahrscheinlich einig. Sicher, langlebig, bezahlbar und groß genug soll es sein. Und einen gewissen Komfort bieten.

Genau diese Gedanken steckten wohl auch hinter einem fast verschwundenen Beispiel deutscher Wohnarchitektur: den Kupferhäusern. Produziert von Europas führendem Hersteller von Messing- und Kupferwaren, der Hirsch Kupfer- & Messingwerke (HKM) aus Eberswalde-Finow, hatten die Fertigbauhäuser noch einen entscheidenden Vorteil: Sie waren auch „mobil“.

Sie wurden von einem massiven, mit Metalplatten verkleideten, Holzrahmen getragen und waren dennoch leicht. Dank einer genialen Idee, die 1924 von dem in Budapest geborenen Ingenieur Frigyes (Friedrich) Förster, patentiert wurde. Einige Jahre später wurde sein Entwurf in Zusammenarbeit mit dem Architekten Robert Krafft weiterentwickelt. Gemeinsam schufen sie im Auftrag von HKM ein Fertighaus, dessen Außenwände und Dach mit hochfesten, korrosionsfreien Kupferblechen verkleidet waren.

Weniger „Hygge“, dafür sparsam

Im Inneren des Hauses bildeten texturierte Stahlbleche die Wandverkleidung. Auch wenn Kupfer-Stahl-Wände nicht gerade „Hygge“ (beliebtes dänisches Konzept für Wärme und Gemütlichkeit) schrien, so garantierten sie doch eine Wärmedämmung, die der einer zwei Meter dicken Ziegelwand entspricht. Innerhalb des Holzrahmens, zwischen Kupfer- und Stahlpaneelen, isolierten mehrere Aluminium- und Asbestplatten den Innenraum so gut, dass man den Kunden eine 50-prozentigen Einsparung bei den Heizkosten versprach.

Mit Blick auf die Mittelschicht boten die Eberswalder Werke acht (später elf) verschiedene Modelle in unterschiedlichen Größen an, wobei das „Kupferkastell“ das größte und die „Eigenscholle“ das günstigste war. Für den Aufbau benötigte man angeblich vierundzwanzig Stunden. Die Kupferdächer verhinderten eine Überhitzung im Sommer und garantierten eine hohe Feuer- und Korrosionsbeständigkeit.

Ein Kupferhaus in Wilhelmshorst, einem Ortsteil der Gemeinde Michendorf im Landkreis Potsdam-Mittelmark. 
Ein Kupferhaus in Wilhelmshorst, einem Ortsteil der Gemeinde Michendorf im Landkreis Potsdam-Mittelmark. 

© Verein Ortsgeschichte Wilhelmshorst

Ausgestattet mit vorgefertigten Türen und Fenstern, eingebauten Gas- und Stromleitungen, vorgefertigten Stauräumen und einer Einheitsküche, standen die Kupferhäuser für zuverlässigen Komfort. Der Zusammenbau war genial einfach – wie ein Spiel mit überdimensionalen Bauklötzen.

Kein Wunder, dass das Projekt die Aufmerksamkeit des Bauhaus-Gurus Walter Gropius erregte, dessen Traum vom „Baukastenprinzip“ ihn dazu inspirierte, die Zusammenarbeit mit den Eberswalder Werken aufzunehmen. Gropius wurde Leiter der Kupferhausabteilung und machte sich daran, die Entwürfe von Krafft und Förster zu verbessern.

Streit ums Design

Leider drängte Gropius auf stromlinienförmigere, weniger Firlefanz-artige Häuser, während René Schwartz, der Leiter des Unternehmens, auf einem weniger „radikalen“ Ansatz bestand. Wo Gropius riesige Kupferhaussiedlungen in der Sowjetunion oder den USA sah, zog es HKM vor, sich zuerst um die lokalen Märkte zu kümmern. Und die Kupferhäuser bei Temperaturen unter minus 25°C, bevor er sie nach Alaska oder in den Ural verschiffte, zu testen.

Es überrascht nicht, dass sich ihre Wege trennten. Aber nicht bevor ihre Entwürfe während der Berliner Bauausstellung 1932 eine gewisse Berühmtheit erlangten als schöne Beispiele für die staatlich geförderte Idee für erweiterbare (wachsende) Häuser. Weniger als die Hälfte der hergestellten Kupferhäuser sind heute noch in Deutschland zu sehen, am besten macht man das in der Test-Siedlung des Kupferhauswerks Eberswalde-Finow.

Zehn Kupferhäuser findet man noch in Berlin, davon drei schöne Exemplare in Berlin-Rahnsdorf allein. Etwa 4000 Straßenkilometer südlich von Berlin, in Israel, stehen vier Kupferhäuser aus Brandenburg als letzte Zeugen für Deutschlands wunderbaren Erfindungsreichtum, aber auch für seine düstere Schuld. Sie reisten als jüdisches Umzugsgut in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina – Kupferhäuser gehörten für kurze Zeit zu den wenigen Gegenständen, die deutsche Juden auf der Flucht vor der Shoah aus dem Dritten Reich noch legal mitnehmen dürften.

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