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© picture alliance/dpa/Christoph Soeder

Update

IHK schlägt Verzicht auf 29-Euro-Ticket vor: Wirtschaft und Sozialverbände kritisieren Berliner Haushaltsplan

Am Donnerstag will das Abgeordnetenhaus den Doppelhaushalt 2024/2025 beschließen – es geht um viele Milliarden. Doch nicht jeder ist mit dem Zahlenwerk zufrieden.

| Update:

Vor dem am Donnerstag im Abgeordnetenhaus geplanten Beschluss des Berliner Doppelhaushalts 2024/2025 äußern sowohl die Wirtschaft als auch Sozialverbände Kritik. 

Nach Einschätzung der Industrie- und Handelskammer (IHK) schafft der Etat enorme Unsicherheiten für den Standort. „Dass der Haushalt für die kommenden beiden Jahre ein Rekordvolumen umfasst, ist nur durch erhebliche, jedoch noch weitgehend undefinierte Sparauflagen, das vorläufige Stoppen sämtlicher langfristiger Finanzierungszusagen sowie das Aufbrauchen aller noch vorhandenen Rücklagen möglich“, erklärte IHK-Präsident Sebastian Stietzel am Mittwoch.

Gleichzeitig sei bei den Ausgaben kein Schwerpunkt auf zukunftsrelevante Investitionen zu erkennen. Maßnahmen wie die personelle Aufstockung des Landesamtes für Einwanderung oder der Aufbau eines digitalen Bürgeramts seien begrüßenswert. „Insgesamt fehlt es dem Haushalt aus Sicht der Wirtschaft aber an einem umfassenden Fokus auf Investitionen in Bildung als Zukunftsmotor der Stadt, auf die adäquate Ausstattung der Verwaltung und eine den Bedürfnissen einer Metropole angemessenen Infrastruktur.“

Gespart werden könnte aus Sicht der IHK etwa durch den Verzicht auf das ab 2024 geplante, gut eine halbe Milliarde Euro teure 29-Euro-Ticket. Stietzel sprach von einem „teuren Wahlgeschenk“. Auch durch Bürokratieabbau könne Geld gespart werden.

Der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände (UVB), Alexander Schirp, erklärte: „Berlin steht vor einer harten Ankunft in der finanzpolitischen Realität. Der Doppelhaushalt 2024/25 spiegelt die vielen aktuellen Krisen. Hinzu kommen die schwache Konjunktur und der hohe Bedarf an Zukunftsinvestitionen im Bereich Klima und Nachhaltigkeit.“

Unternehmen dürften nicht noch weiter belastet werden, sagte Schirp. „Zum anderen muss die Politik dort investieren, wo es dem Standort direkt nützt. Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung sind hier die wichtigsten Punkte.“ Dadurch würden Steuereinnahmen stabilisiert, die Verschuldung zurückgefahren und die Beschäftigung gestützt, erklärte der UVB-Chef. Der Investitionsbedarf sei so groß, dass Kürzungen hier nicht verkraftbar wären. Schirp forderte daher „Vorfahrt für Zukunftsinvestitionen“. Ausgaben wie das 29-Euro-Ticket, der Rückkauf des Wärmenetzes und beitragsfreie Kitaplätze auch für Gutverdienende seien dagegen „angesichts der schwierigen Lage verzichtbar“.

Wohlfahrtsverbände warnen vor Kürzungen im Sozialbereich

Die Liga der freien Wohlfahrtsverbände warnte vor deutlichen Kürzungen bei der sozialen Infrastruktur in Berlin. „Die Träger werden von zwei Seiten in die Zange genommen: Einerseits durch die pauschalen Minderausgaben, die erwirtschaftet werden müssen, andererseits durch die Sparvorgaben der Bezirke“, sagte Andrea Asch, Diakonie-Vorständin in Berlin und in dieser Funktion aktuell Liga-Sprecherin, dem Tagesspiegel.

Zwar begrüße man, dass die im Haushaltsentwurf geplanten drastischen Kürzungen in fast allen sozialen Bereichen zurückgenommen worden seien, sagte Asch. Aber das reiche nicht: In vielen sozialen Organisationen klafften durch die allgemeinen Kostensteigerungen erhebliche Finanzierungslücken ohne Aussicht auf Deckung. Nach Ansicht der Verbände könnte das zu Kürzungen etwa bei der Erziehungsberatung, bei Jugendeinrichtungen oder der Schuldnerberatung führen.

Aus Sicht von Asch könnte schon bald eine Haushaltssperre drohen. Etwa dann, wenn die „pauschalen Minderausgaben“, das heißt die Sparvorgaben für bestimmte Bereiche, nicht erreicht werden. Laut Haushaltsentwurf müssen von dem rund 40 Milliarden Euro pro Jahr umfassenden Etat 2024 und 2025 Ausgaben von jeweils etwa 1,9 Milliarden Euro eingespart werden. Wie genau das passieren soll, ist offen. 

Bezirke warnten vor Kahlschlag

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege schließt sich den Bedenken der Bezirke an: „Wir teilen ausdrücklich die gegenüber Parlament und Finanzverwaltung geäußerten Befürchtungen der Bezirke: Für viele Menschen in Berlin wird dringend notwendige Hilfe, Beratung und Unterstützung wegfallen.“ Die Bezirke hatten am Montag in einem offenen Brief vor einem „Kahlschlag der sozialen Infrastruktur“ gewarnt.

Diakonie-Vorständin Asch sagte, bereits jetzt bekämen Träger die Nachricht, dass alle vom Landesamt für Gesundheit und Soziales finanzierten Zuwendungen auf dem Ansatz des Vorjahres eingefroren werden.

Den Wohlfahrtsverbänden macht noch etwas anderes Sorgen: das mögliche Ende der Rahmenförderverträge mit der Liga. Denn die Koalition aus CDU und SPD hat angekündigt, dass es eine grundsätzliche Sperre für sogenannte Verpflichtungsermächtigungen geben soll. Das sind Finanzierungszusagen, die von Berlins Regierung für einen längeren Zeitraum als zwei Jahre gegeben werden. Dazu gehört auch der Liga-Rahmenvertrag, der für fünf Jahre gilt.

„Dass der Rahmenfördervertrag für die nächste Förderperiode aufgekündigt werden soll, ist für uns eine Bedrohung“, sagte Asch. Dieses Instrument habe den Fortbestand der sozialen Infrastruktur in Berlin für fünf Jahre gesichert. „Wir richten den klaren Appell an die Politik, das fortzuführen. Die Vorsitzenden von CDU und SPD haben eine Fortführung der Verträge in den Gesprächen mit der Liga auch zugesichert.“ Der aktuelle Rahmenvertrag läuft bis Ende 2025 und gilt bis dahin als gesichert. Wie es vor dem Hintergrund der angekündigten Sparmaßnahmen aber danach weitergehen wird, ist noch unklar. (mit dpa)

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