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Bundeswehr-Werbung an einer Hausfassade am Wittenberg Platz, Berlin.

© imago images/Eibner/Uwe Koch/ Eibner-Pressefoto via www.imago-images.de

Wehrdienst aus Geldnot?: Ein „Gap Year“ zur Selbstfindung können sich nicht alle leisten

Ein Orientierungsjahr hilft vielen, die nach der Schule erstmal ratlos sind. Aber muss es, wenn das Geld knapp ist, ausgerechnet ein Freiwilligendienst bei der Bundeswehr sein?

Eine Kolumne von Barış Ünal

Wer vor dem Studium Bauchschmerzen wegen der nebeligen Ahnungslosigkeit beim Blick in die eigene Zukunft verspürt, hat sich vermutlich schon mit Überbrückungsmöglichkeiten wie den sozialen oder ökologischen Freiwilligendiensten beschäftigt. Vielleicht taucht dabei auch im Zuge der aktuellen politischen Stimmung in manchen Beratungsgesprächen mit dem Freiwilligendienst der Bundeswehr ein altes Thema wieder häufiger auf.

Früher war der Wehr- oder Zivildienst zumindest außerhalb Berlins erzwungenermaßen fester Bestandteil der Lebensplanung junger Männer. Heute wirbt die Bundeswehr mit dem einjährigen „Heimatschutz“ auch in Schulen und auf Beratungsmessen – mit einer Aufmachung zwischen Cyberwar und Gulaschkanone um den ballerspielaffinen Nachwuchs.

Das damit einhergehende sozialmediale Facelifting aus kernigen Männern mit ausgeprägter Kieferpartie und bezopften Frauen mit klarem Hautbild sorgt dafür, dass Heranwachsenden Begriffe wie „Gemeinwohl“ und „Kameradschaft“ inzwischen ohne jegliche Ironie von den Lippen gehen. Das Versprechen, Theorie und Praxis durch „politische Bildung und den Gefechtsdienst“ miteinander zu verknüpfen, kommt ebenso gut an, wie die monatlichen rund 1500 Euro netto plus Kost und Logis.

Dabei ist es selbstverständlich, dass die Aussicht, aus der Orientierungslosigkeit in ein gefühlt bezahltes Survivaltraining mit klaren Strukturen zu wechseln, insbesondere für eine Klientel attraktiv ist, deren Weg seltener vorab schon umrissen ist. Die Tochter der Apothekerin steigt wahrscheinlich lieber direkt in das Studium ein, das Kind des Oberstudienrats macht ein ökologisches Jahr zur Persönlichkeitsentwicklung in Argentinien und der Sohn der Unternehmerin verbucht die Zeit zwischen Abitur und Studienbeginn – nach einer ausgedehnten Sprachreise – unter Softskills im LinkedIn-Profil.

Das Motiv, mit einem militärischen „Jahr für Deutschland“ der Gesellschaft etwas zurückgeben, stammt eher von Ratsuchenden, die eben nicht aus den akademischen Milieus stammen. Auch wenn das noch nicht die Bundeswehr aus Menschen „von der ökonomischen Verliererseite“ ist, wie der Militärbischof Sigurd Rink 2018 befürchtete, gibt es auch für Menschen mit knappen Ressourcen womöglich geeignetere Alternativen für ein „Gap Year“ vor dem Studium, als einen freiwilligen Dienst an der Waffe und die um Fachkräfte ringende Bundeswehr.

Welche sozialen Dienste individuell passen könnten, wissen im Zweifel immer die Studienberatungsstellen der Universitäten. Auch auf den Länder-Websites wird man zu verschiedenen Angeboten fündig.

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