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Ein Deutschkurs für Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft in Güstrow, Mecklenburg-Vorpommern.

© dpa/Bernd Wüstneck

Versperrter Zugang zum Arbeitsmarkt: Keine Deutschkurse mehr für Flüchtlinge

Sprache ist der wichtigste Faktor für die Integration. Trotzdem beenden Bund und Länder Deutschkurse für Geflüchtete. Dabei ist die Wirtschaft auf neue Arbeitskräfte, die Deutsch sprechen, angewiesen.

Von Robert Saar

Von außen ist es grau, doch drinnen ist die Hoffnung. So könnte man das „Haus der Sprachen“ im Dresdner Süden beschreiben. In dem unscheinbaren Bau aus der Wendezeit lernen Studierende Japanisch, Russisch oder Spanisch. Aber es gibt auch Deutsch-Intensivkurse für Geflüchtete. Auch Oleksandr, 21 Jahre alt und aus der Ukraine, hat hier eineinhalb Jahre Deutsch gelernt. Nun studiert er Wirtschaftsinformatik an der TU Dresden – und der Arbeitsmarkt steht ihm offen.

Weniger rosig sieht es dagegen mit dem Programm aus, das ihm überhaupt zum Studium verhalf. Sowohl das Land Sachsen als auch der Bund haben abrupt ihre Sprachprogramme für Flüchtlinge beendet. Dabei haben Sachsen und Deutschland ein gemeinsames Problem: Ihnen fehlen Arbeitskräfte.

7,2 Millionen
Arbeitskräfte fehlen bis 2035 schätzt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Das sind so viele Menschen, wie in Berlin, Hamburg und München leben.

Sächsische Ministerien prognostizieren, dass jährlich 20.000 zuwandernde Fachkräfte nötig sind, um die Wirtschaft im Bundesland am Laufen zu halten. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geht für ganz Deutschland sogar von bis zu 7,2 Millionen Arbeitskräften aus, die bis 2035 fehlen. Die Lösung wäre also Fachkräfteeinwanderung.

Nun leben aber in Deutschland drei Millionen Flüchtlinge, darunter auch viele potenzielle Arbeitskräfte. Und Sprachkenntnisse sind eine der größten Hürden, sie sind für jeden Zuwanderer wichtig. Ausgerechnet hier fand zum Jahreswechsel der Einschnitt statt.

Förderung endet, dabei fehlen Arbeitskräfte

Das Programm „Integra“, aus dem Deutschkurse für Flüchtlinge wie Oleksandr bezahlt wurden, wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) getragen. Über die Jahre flossen 150 Millionen Euro in Hochschulen und Studienkollegs für Integrationsarbeit. Damit ist seit Anfang des Jahres Schluss. Das Ministerium stoppte seine Zahlungen zum 31. Dezember. Mitten in der Laufzeit wurden Sprachkurse und -Projekte beendet. Dresden konnte die „Integra“-Kurse nur durch die Hilfe der Universität aufrechterhalten, sodass die Kurse bis März laufen können.

Aber es ist nicht nur der Bund: Auch das Land Sachsen stelle seine Integrationsprogramme zum Jahresende abrupt ein. Diese Kurse finanzierte die TU Dresden allerdings nicht weiter, sodass die Teilnehmenden an Weihnachten ohne Abschluss dastanden.

Grammatik, Goethe und Grundgesetz in einem

Die Programme von Bund und Land hatten unterschiedliche Schwerpunkte. „Integra“ bot nicht nur Sprachunterricht, sondern zielte vielmehr auf umfassende Integration: Tutorien für kulturelle oder politische Themen, Ausflüge ins Museum und ins Theater. Also Grammatik, Goethe und Grundgesetz in einem. Das sächsische Programm hingegen fokussierte aufs Sprachenlernen. Zudem wurden weniger Tutorien angeboten, es gab kein Geld für Ausflüge und die Lehrkräfte arbeiteten auf Honorarbasis. Vor- und Nachbereitung bekamen sie nicht bezahlt.

Oleksandr war gerne dabei: „Der Deutschkurs an der TU Dresden ist einer der besten Kurse, die ich je besucht habe.“ Für sein Wirtschaftsinformatik-Studium sei die Teilnahme unabdingbar gewesen, sagt er. „Die vom Jobcenter angebotenen Kurse gehen nur bis zum Niveau B2.“ Die sächsischen erreichten Niveau C1 – die Voraussetzung für fast alle Bachelorstudiengänge.

Während man in Sachsen noch nachdenkt, hat der Bund bereits umgesteuert. Es wurde ein neues Programm aufgelegt – mit neuem Fokus. Im Mittelpunkt stehen nicht Geflüchtete, sondern die Gewinnung von Fachkräften. Um diese besser zu integrieren, und somit zum Verbleib zu bewegen, gibt es die Initiative „Fit“: Förderung internationaler Talente in Studium und Arbeitsmarkt. Bis 2028 sollen dafür laut BMBF knapp 98 Millionen Euro fließen.

Fachkräften wird die Einwanderung erschwert

Allerdings werden bei „Fit“ Flüchtlinge, die auch durchaus Fachkräfte sein können, mit keinem Wort erwähnt. Auch die förderfähigen Maßnahmen haben sich verändert. Deutschkurse anzubieten, ist keine Bedingung mehr, um Gelder über „Fit“ zu bekommen. Pflicht sind stattdessen nur noch begleitende Formate, also keine kompletten Kurse. Das soll die Abbruchquoten unter den ausländischen Studierenden senken und einen schnellen Übergang vom Studium in den Beruf sichern.

Die Etatposten für das Programm „Fit“ sind ähnlich hoch wie die von „Integra“. Im Schnitt kostete das eingestampfte Programm pro Jahr 19 Millionen Euro, für Fit dürften es knapp 20 Millionen sein. Dennoch gibt es viele Hürden für Zugewanderte, die davon profitieren können: So spricht Enzo Weber vom Berufsforschungsinstitut in Nürnberg davon, dass Deutschland lange ein „Zuwanderungsverhinderungsgesetz“ hatte. Und Engelhard Mazanke, Leiter des Berliner Einwanderungsamtes, forderte „schlankere Verwaltungsverfahren, längere Aufenthaltstitel, großzügigeren Familiennachzug“.

Vom Herkunftsland in die Bundesrepublik ist es ein langer Weg, gepflastert mit Wartezeit und Bürokratie. Demgegenüber befinden sich in Deutschland über drei Millionen Geflüchtete, auf die eine weitere Hürde zukommt: Wenn sie studieren wollen, dann müssen sie sich andere Deutschkurse suchen. Zumindest vom BMBF darf man in Zukunft keine neuen Programme explizit für Geflüchtete erwarten. Eine Sprecherin teilte mit, es sei nichts dergleichen in Planung.

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