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In Europa wird am meisten Elektroschrott recycelt. Es fällt pro Kopf gerechnet aber auch die größte Menge an.

© UNITAR - ITU/R. Kuehr

Milliardengrab Elektroschrott: Recycling hält nicht mit wachsender Menge mit

Die Masse elektronischer Altgeräte wächst fünfmal schneller als Kapazitäten für die Wiederverwertung. Ein UN-Bericht offenbart, welche immensen Werte darum auf dem Müll landen.

Die alte Waschmaschine, das ausgediente Mobiltelefon und die bunt blinkenden Sohlen der zu klein gewordenen Kinderschuhe: Weltweit fielen allein im Jahr 2022 rund 62 Millionen Tonnen Elektroschrott an– das sind 82 Prozent mehr als im Jahr 2010. Damit wurde ein neuer Höchststand erreicht, berichten Forschende des Institute for Training and Research der Vereinten Nationen (Unitar) in Bonn und weiterer Organisationen.

Aus der jetzt veröffentlichten vierten Ausgabe des „Global E-waste Monitor“ geht hervor, dass weniger als ein Viertel des anfallenden Elektroschrotts eingesammelt und recycelt wird. Das Forschungsteam schätzt den Wert der zurückgewinnbaren Materialien in den übrigen drei Vierteln auf etwa 57 Milliarden Euro.

Elektroschrott in Zahlen

  • Knapp die Hälfte, 30 Millionen Tonnen, Elektroschrott kamen 2022 aus asiatischen Ländern.
  • Die größte Elektroschrottmenge pro Kopf fiel jedoch in Europa an: 17,6 Kilogramm. Es folgen Ozeanien (16 Kilogramm) sowie Nord- und Südamerika (14 Kilogramm).
  • Geschätzt 14 Millionen Tonnen Elektroschrott landeten 2022 auf Müllkippen.
  • 31 Millionen Tonnen, die Hälfte des Gesamtgewichts, sind Metalle, 17 Millionen Tonnen Plastik und 14 Millionen Tonnen andere Materialien wie Glas und Verbundstoffe.
  • Der Wert der enthaltenen Metalle wird auf rund 84 Milliarden Euro geschätzt, darunter Kupfer im Wert von 17,5 Milliarden Euro, Gold im Wert von knapp 14 Milliarden Euro und Eisen im Wert von knapp 15 Milliarden Euro.
Viele Mobiltelefone werden nicht an den Hersteller zurückgegeben.
Viele Mobiltelefone werden nicht an den Hersteller zurückgegeben.

© UNITAR - ITU/R. Kuehr

Mühsames Recycling von Elektroschrott

  • 2022 wurden Rohmaterialien, größtenteils Eisen, im Wert von fast 26 Milliarden Euro durch „Urban Mining“ aus Elektroschrott zurückgewonnen.
  • Dadurch wurde die Förderung von 900 Millionen Tonnen Erzen vermieden.
  • 93 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Emissionen wurden durch fachgerechte Aufbereitung von Elektroschrott vermieden (41 Millionen Tonnen durch das Auffangen von Kühlmitteln und 52 Millionen Tonnen durch vermiedene Erzförderung).
  • In Europa wird pro Kopf am meisten Elektroschrott gesammelt und recycelt: 7,5 Kilogramm pro Kopf, der Anteil liegt bei zwei Fünfteln. In afrikanischen Ländern liegt er unter einem Prozent.
  • 2022 wurden in Industrieländern mit Recycling-Anlagen zudem 16 Millionen Tonnen Elektroschrott außerhalb des öffentlichen Systems gesammelt und recycelt.
  • Über fünf Millionen Tonnen wurden international verschifft, zwei Drittel davon von Industrie- in Entwicklungsländer.
  • 18 Millionen Tonnen wurden in Entwicklungsländern bearbeitet. Den materiellen Gewinnen stehen wahrscheinlich höhere Einbußen im Umwelt- und Gesundheitsbereich gegenüber.

„Eine bessere Bewirtschaftung von Elektroschrott könnte zu einem weltweiten Nettogewinn von 38 Milliarden US-Dollar (35 Milliarden Euro) führen, was eine erhebliche wirtschaftliche Chance darstellt und gleichzeitig dem Klimawandel und den Auswirkungen auf die Gesundheit entgegenwirkt“, sagt Rüdiger Kühr von Unitar. In Anbetracht der voraussichtlich zunehmenden Mengen seien „dringend konkrete Schritte erforderlich“, um die Probleme anzugehen.

Große Mengen Elektroschrott werden außerhalb geeigneter Anlagen bearbeitet, was erhebliche Gesundheits- und Umweltrisiken birgt.
Große Mengen Elektroschrott werden außerhalb geeigneter Anlagen bearbeitet, was erhebliche Gesundheits- und Umweltrisiken birgt.

© UNITAR - ITU/R. Kuehr

Unitar erwartet, dass die Ströme des Elektroschrotts wegen des zunehmenden Konsums und kurzer Nutzung der Geräte sowie der eingeschränkten Möglichkeiten, sie zu reparieren, wachsen werden: auf 82 Millionen Tonnen im Jahr 2030. Der Anteil, der ins Recycling eingespeist wird, wird voraussichtlich auf ein Fünftel sinken.

Lukratives Umdenken

„Wir müssen umdenken“, sagte José Saenz vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung in Magdeburg dem Tagesspiegel. In einem aktuellen Projekt entwickelt der Experte für Robotersysteme technische Lösungen für die effiziente Demontage von Elektrogeräten, um die Materialien wiederverwenden zu können. „Wir müssen weg von der linearen Wirtschaft, neue Rohstoffe mit immer mehr Aufwand aus dem Boden herauszuholen.“

Einige Hersteller schafften das bei eigenen Produkten – weil sie genau wüssten, was darin steckt. Allein in Deutschland werde aber an rund zweieinhalbtausend Abgabestellen Elektroschrott gesammelt, sagt Saenz, ohne Informationen zu den verwendeten Materialien.

Ein Ansatz ist, den Elektroschrott zu schreddern und aus den kleinen Teilen etwa Metalle zu isolieren. Teilweise wird das auch von Hand gemacht. „Aber dafür haben wir nicht genug Leute, und wir können sie auch nicht gut genug bezahlen“, sagt Saenz. Die Automatisierung dieser Vorgänge sei eine Lösung, aber derzeit sei der technische Aufwand für die große Vielfalt der Produkte noch zu hoch.

Die Autorinnen und Autoren des Berichts heben jedoch die lukrative Seite hervor. Wenn es gelänge, die Recyclingrate auf drei Fünftel zu erhöhen, würden die Gewinne – einschließlich der Reduzierung von Gesundheitsrisiken – die notwendigen Investitionen um mehr als 35 Milliarden Euro übertreffen.

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