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Spargelreihen werden häufig mit Folie abgedeckt – Reste davon bleiben häufig im Erdreich zurück, mit unklaren Folgen für das Bodenleben.

© dpa/Patrick Pleul

Mikroplastik in der Erde: Wie Abrieb, Fasern und Folien die Böden belasten

Was richtet Plastik im Erdreich an? Darüber wissen wir zu wenig. Teams aus Berlin untersuchen, wie sich die Stoffe auf Bodenleben und Wasserhaushalt auswirken.

Bioabfall ist oft lästig nass – also packt so mancher einfach alles in eine Plastiktüte und wirft das Ganze in die braune Tonne. Doch wegen solcher „Fehlwürfe“ gelangen Kunststoffpartikel in den Kompost und am Ende in den Boden. Noch mehr Krümel und Fasern aus Plastik kommen aber durch die Düngung mit Klärschlamm oder durch den Autoverkehr in die Erde: Allein in Deutschland sollen laut Umweltbundesamt durch die Abnutzung von Reifen jährlich rund 100.000 Tonnen Mikroplastik entstehen. 

„Plastik ist eine ziemlich einzigartige Form von Verschmutzung, da es aus Partikeln besteht – also Objekten mit einem inneren Volumen und einer Oberfläche“, sagt Matthias C. Rillig, der an der Freien Universität das Bodenleben erforscht. Anders bei chemischen Schadstoffen können auf der Oberfläche der Partikel Organismen siedeln, und aus ihrem Inneren sickern Zusätze, die etwa für farbstabile oder biegsame Kunststoffe sorgen.

Plastikfolien in der Biotonne sind auch eine Quelle für Mikroplastik. Sie müssen mühsam aus dem Müll gekeschert werden.
Plastikfolien in der Biotonne sind auch eine Quelle für Mikroplastik. Sie müssen mühsam aus dem Müll gekeschert werden.

© IMAGO/Funke Foto Services

Wie der Biologe im Fachblatt „Nature Reviews Microbiology“ erklärt, werden die Auswirkungen der Plastikverschmutzung in Böden erst seit wenigen Jahren intensiv untersucht. Weil die Plastikpartikel sich chemisch und physikalisch so stark von der Umgebung unterscheiden, verändern sie den Untergrund und auch das Leben darin. Dabei machen Bakterien, Pilze, Würmer und kleine Krebschen die Erde erst fruchtbar.

„Die mikrobielle Lebensgemeinschaft auf den Partikeln unterscheidet sich erheblich von der im übrigen Boden und ist weniger vielfältig“, sagt Rillig. Die Mikroben finden auf den Kunststoffkrümeln ein lebensfeindliches Milieu vor – nur die widerstandsfähigsten sind in der Lage, zu überleben. Vielleicht ist auch das der Grund, weshalb sich dort Keime besonders wohlfühlen, die Resistenzen gegen Antibiotika aufweisen. 

Den Boden bis auf die Körnchen anschauen

Rillig macht klar, dass der Boden von allen Lebensräumen am stärksten von Belastungen durch Mikroplastik betroffen ist, aber noch viel zu wenig darüber bekannt ist. Anders als bei Plastik in Gewässern ist die Analyse der Partikel im Erdboden recht aufwendig: Die Bestandteile müssen erst getrennt werden, etwa durch Aufschwemmen in einer schweren Salzlösung. Das leichte Plastik und organische Partikel schwimmen nach oben, Mineralisches sinkt aufgrund seiner Dichte ab. 

Die Struktur des Bodens mit Wurzeln, Steinchen und vielen anderen einzelnen Komponenten geht bei der Prozedur freilich verloren. Forschende vom Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) und der Uni Potsdam verfolgen daher eine zerstörungsfreie Strategie: Sie entwickelten eine bildgebende Methode für Plastik in Erde, die sie nun im Fachjournal „Science of The Total Environment“ beschrieben. Mit Röntgenlicht können sie einzelne Sandkörner und mit Neutronenstrahlung organische Partikel und Plastik sichtbar machen.

Von einem Spargelacker des Brandenburger Ortes Beelitz holte das Team Erde ins Labor und mischte Stücke von Mulchfolie darunter. Häufig bleiben Fragmente solcher Agrarfolien zurück und gelangen beim Pflügen in tiefere Schichten. Es gibt zwar Produkte, die als „biologisch abbaubar“ zertifiziert sind und sich im Untergrund zersetzen. Doch das dauert seine Zeit und die chemischen Zusätze aus dem Polymer gelangen in die Umwelt.

Die Folien verändern Wasserfluss in der Erde

„Es ist uns gelungen zu zeigen, dass Fragmente solcher Plastikfolien den Wasserfluss im Boden verändern können“, sagt HZB-Forscher Christian Tötzke. Fasern von Mikroplastik würden Risse in der Bodenmatrix verursachen. „Diese Methode ist natürlich aufwendig, aber sie ermöglicht es erstmals zu untersuchen, wo sich Mikroplastik einlagert und wie sich dadurch der Boden verändert.“

Für das systematische Screening sind die bildgebenden Methoden wegen des Aufwands noch keine Option, findet auch FU-Forscher Rillig. Er arbeitet aber bereits mit dem Team vom HZB für ein neues Projekt zusammen.

Doch bislang können die Forschenden weder vorhersagen, wie sich das Plastik auf die Fähigkeit zur Wasserspeicherung noch auf die genaue Zusammensetzung der ökologischen Lebensgemeinschaften auswirkt. Über die „Plastisphäre“ des Erdreichs sei schlicht zu wenig bekannt.

Tötzke meint: „Da mit dem fortschreitenden Klimawandel Dürren und Starkregen wahrscheinlicher werden, ist es dringend notwendig, diese Fragen zu beantworten.“

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