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Stück der FU-Sammlung: ein reliefiertes Steinplattenfragment aus Tell Schech Hamad. Es zeigt den Wettergott Hadad (mit Hand und Kopfschmuck).

© Hartmut Kühne/Sammlung Lower Habur Archaeological Project

Klein, kurios, fake und schön: Die FU Berlin zeigt die Schätze ihrer Sammlung

Unter dem Titel „Hautnah – Unter die Haut“ zeigt die Uni Objekte, die zwar meist keine Originale sind, aber wertvoll, um Archäologie, Medizin oder Biologie zu studieren. Und alle haben ihre eigene Geschichte.

Was haben eine mittelassyrische Tontafel aus Tell Schech Hamad, ein prächtig verziertes Faksimile des Goldenen Evangelienbuches Liber Aureus von Echternach und das Korrosionspräparat der Arterien eines Hundekopfes gemeinsam? Sie alle stammen aus jeweils einer der 25 wissenschaftlichen Sammlungen der Freien Universität Berlin.

Sie werden in Forschung und Lehre eingesetzt, um Wissen „begreifbar“ zu machen, aber sie bleiben den Blicken einer breiten Öffentlichkeit verborgen. Aus Anlass des 75. Geburtstages der FU werden nun zum ersten Mal rund 50 Objekte aus elf Sammlungen in der Abguss-Sammlung Antiker Plastik der Freien Universität in Charlottenburg gezeigt.

Dabei ist die Abguss-Sammlung musealer Gastgeber, aber auch gleichzeitig das größte Exponat der Ausstellung „Hautnah – Unter die Haut: Objekte wissenschaftlicher Praxis in den Sammlungen der Freien Universität“. Da sie auf die königlichen Sammlungen von 1696 zurückgeht, steht sie in einer langen Tradition, auch wenn sie in ihrer heutigen Form jetzt gerade einmal 35 Jahre existiert.

Aus dem internen Dornröschenschlaf geweckt

Dass diese Sammlungen nun so in den Blick der Öffentlichkeit gelangt sind, ist dem Leitenden Direktor der Universitätsbibliothek Andreas Brandtner zu verdanken, der 2018 an die FU kam und dort eine Koordinationsstelle an der Universitätsbibliothek einrichtete, wie er das schon erfolgreich in Wien und Mainz getan hatte. 2011 hatte der Wissenschaftsrat wissenschaftliche Sammlungen als bedeutende Teile der wissenschaftlichen Infrastruktur einer Universität erkannt und damit aus dem internen Dornröschenschlaf geweckt.

„Replika sind bearbeitet, um Dinge hautnah zu begreifen. Sie sind wichtig im wissenschaftlichen Alltag, aber normalerweise unsichtbar“, sagt Stefanie Klamm, seit 2021 Sammlungskoordinatorin an der Universitätsbibliothek der FU.

Repliken haben unschätzbare Vorteile. Heute ist es auf archäologischen Grabungen nicht mehr erlaubt, Artefakte auszuführen. Bei der langjährigen Ausgrabung am Tell Schech Hamad in Nordostsyrien hatte Hartmut Kühne vom Institut für Vorderasiatische Archäologie noch von den syrischen Behörden die Erlaubnis bekommen, Abformungen von bedeutenden Objekten zu nehmen, wie etwa von der Tontafel oder der Bronzestatuette des geflügelten Dämons Pazuzu, sodass heute von diesen Objekten Repliken hergestellt werden können. Im Konfliktfall werden die Repliken erst recht zum Wissensspeicher, da sie Kulturgüter bewahren und sichtbar machen.

Bei manchen Repliken hilft die Wissenschaft nach

Mittelalterliche Handschriften sind kostbar und fragil. Wie schön, wenn man über prächtige Faksimile-Ausgaben aus der 450 Objekte zählenden Faksimilesammlung Dr. Detlef M. Noack verfügt, die am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität über die Institutsbibliothek Studierenden und Forschenden zugänglich sind. Es blättert sich in einem Faksimile, dessen Original aus dem 11. Jahrhundert stammt, entspannter.

Bei manchen Repliken muss die Wissenschaft nachhelfen. So liegt in der Vitrine eine Form, die aus dem Abdruck eines fossilen Ammonitgehäuses hergestellt wurde. Da die Weichteile des ausgestorbenen Kopffüßlers nicht erhalten sind, wurden die Arme nachträglich modelliert, sodass der Abguss einen rekonstruierten Ammoniten (mit eingesetzten Glasaugen) ergibt, wie das Exemplar aus der Paläontologischen Übungssammlung des Instituts für Geologische Wissenschaften zeigt.

Dieses Korrosionspräparat zeigt die Arterien eines Hundekopfes, es stammt aus den Sammlungen am Institut für Veterinär-Anatomie, Fachbereich Veterinärmedizin der FU.

© Hubert Graml / Institut für Veterinär-Anatomie, Fachbereich Veterinärmedizin, Freie Universität Berlin

Objekte einer wissenschaftlichen Sammlung zeigen auch Dinge, die man normalerweise nicht sieht, wie etwa das fein verästelte Netzwerk von rot ausgegossenen Arterien eines Hundekopfes aus den Sammlungen am Institut für Veterinär-Anatomie am Fachbereich Veterinärmedizin.

Die Ausstellung gibt faszinierende, erhellende Einblicke in viele Wissenschaftsfelder: Mikrofossilien werden vergrößert, um sie erfahrbar zu machen, ein ausgegrabenes Wohnhaus in Pompeji wird aus dem gleichen Grund in einem Modell aus Kork im Maßstab 1:50 verkleinert ausgestellt.

Die Jubiläumsausstellung und die dazugehörige Publikation sind erstes sichtbares Zeichen dieser neuen Wertschätzung für die wissenschaftlichen Sammlungen und zugleich Ansporn, die Forschung voranzutreiben.

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