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Die erste und einzige sowjetische Atombombe RDS-1 wurde am 29. August 1949 auf dem Testgelände Semipalatinsk im heutigen Kasachstan gezündet.

© picture alliance / ITAR-TASS/Nikolai Moshkov

Heute vor 74 Jahren: Als die Sowjetunion ihre erste Atombombe zündete

Spione und aufmerksame Physiker informieren Josef Stalin schon früh über das eigentlich geheime Atombomben-Forschungsprogramm der USA. Die UdSSR ging in die Offensive und zündet nur wenige Jahre später ihre eigene Atombombe.

Eine Kolumne von David Will

Manchmal sagt Schweigen mehr als tausend Worte. So erging es jedenfalls dem sowjetischen Physiker Georgi Fljorow, als ihm im Jahr 1942 auffiel, dass westliche Wissenschaftler:innen seit Jahren kein einziges Paper zu Kernspaltung oder Kernfusion mehr veröffentlicht hatten. Daraus zog er einen erschreckenden Schluss: Die Alliierten forschten wahrscheinlich schon länger im Geheimen an der Atombombe.

In einem Brief an Josef Stalin forderte er ihn daraufhin auf, sofort ein Atombombenprojekt zu starten – ganz ähnlich wie Albert Einstein und Leo Szilard, die sich Jahre zuvor mit demselben Anliegen an den US-Präsidenten Roosevelt gewandt hatten.

Tatsächlich war der sowjetische Diktator Stalin über Spione schon ins Bild gesetzt worden. Im folgenden Jahr veranlasste er die Gründung eines Geheimlaboratoriums unter der Leitung des Physikers Igor Kurtschatow, das sich der Forschung an Kernwaffen widmen sollte. Doch ein ähnlicher Kraftakt, wie ihn die US-Amerikaner mit dem Manhattan-Projekt wagten, unterblieb zunächst.

Das änderte sich schlagartig mit dem Abwurf der Bomben über Hiroshima und Nagasaki im August 1945. Dem sowjetischen Atomphysiker Igor Golovin zufolge wurde die politische Führung von Panik ergriffen, täglich sei es damals zu außerordentlichen Sitzungen im Kreml oder beim Geheimdienst gekommen. Die Vernichtung der japanischen Städte, so die auch in öffentlichen Radioansprachen kommunizierte Angst, sei vor allem eine Drohung gegen die Bürger:innen der Sowjetunion.

Als Reaktion gab Stalin einen geradezu unmöglichen Fahrplan vor: Bis 1948 sollte auch die Sowjetunion über die Bombe verfügen. Dazu bündelte die UdSSR alle Ressourcen, über die sie nach Kapitulation des Nazi-Regimes verfügte. In den Bergwerken Mitteleuropas, vor allem im sächsischen Erzgebirge, wurde ohne Rücksicht auf gesundheitliche Bedenken Uran in Massen gefördert und in Geheimstädte in der sowjetischen Peripherie exportiert, die einzig und allein für die Arbeit am Atomwaffenprogramm gegründet wurden.

Am 29. August 1949, heute vor 74 Jahren, war es schließlich so weit: Auf einem Testgelände im heutigen Kasachstan zündete die Sowjetunion ihre erste Atombombe. Die Weltöffentlichkeit erfuhr davon erst einen Monat später über Präsident Truman, nachdem US-Aufklärungsflugzeuge radioaktiven Niederschlag in der Luft gemessen hatten. Nun konnten die Mächte auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs gewaltige Vernichtung ausrichten – und in den kommenden Jahren folgte ein Wettrüsten, wie man es nie zuvor gesehen hatte.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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