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Der Atlantische Küstenregenwald in Brasilien ist artenreich und biologisch einzigartig, aber durch die Landnutzung in viele kleine Relikte zersplittert worden.

© Hans ter Steege

Gefährdete Hotspots der Vielfalt: Zwei von drei Baumarten südamerikanischer Wälder bedroht

Wälder in den Tropen sind als Lebensräume gefährdet. Eine Untersuchung südamerikanischer Küstenwälder zeigt, wie stark die Biodiversität dort und wahrscheinlich auch andernorts bedroht ist.

Eine Analyse der Baumbestände in Atlantischen Regenwäldern in Südamerika zeigt ein hohes Aussterberisiko. Etwa zwei Drittel der 4950 erfassten Baumarten, die in diesen Hotspots der biologischen Vielfalt wachsen, sind bedroht. Darunter fallen mehr als vier Fünftel der endemischen Arten, deren Verbreitungsgebiete auf die Region begrenzt sind.

In der aktuellen Ausgabe des Magazins „Science“ berichtet ein Team um Renato de Lima von der Universität São Paulo, dass das Aussterberisiko auch von Baumarten auf anderen Kontinenten bislang unterschätzt wird. Rund 30 Prozent aller Baumarten gelten als bedroht. Doch allein durch den Verlust geeigneter Lebensräume in tropischen Wäldern seien 20.000 bis 25.000 ihrer Baumarten, 35 bis 43 Prozent, gefährdet, berichtet das Team. Bäume wären demnach eine der am stärksten bedrohten Organismengruppen der Erde.

Mutig, aber stichhaltig

Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde hält diese Schlussfolgerungen für die Tropen weltweit für stichhaltig. „Die Situation im Atlantischen Küstenregenwald ist schon seit Jahrzehnten sehr kritisch, aber viele andere Regenwaldgebiete sind längst auf dem gleichen Entwicklungspfad“, sagte er dem Science Media Center Deutschland.

„Ich finde die Extrapolation durchaus interessant, aber auch mutig“, sagte Almut Arneth, Ökosystem-Modelliererin am Karlsruher Institut für Technologie. Sie sei „recht einfach“ gestaltet und beruhe auf Informationen zum Zusammenhang von Habitatverlust durch Entwaldung und Abnahme der Populationsgrößen endemischer Arten.

In artenreichen Regenwaldgebieten stehen oft nur wenige Exemplare einer Art wie hier Araucaria angustifolia auf großen Flächen.
In artenreichen Regenwaldgebieten stehen oft nur wenige Exemplare einer Art wie hier Araucaria angustifolia auf großen Flächen.

© Hans ter Steege

Das Team um de Lima hat mit einem automatisierten Verfahren den Erhaltungszustand von 4950 Baumarten des Atlantischen Küstenwaldes nach den Kriterien der Roten Liste gefährdeter Arten der Weltnaturschutzunion bewertet. Die Forschenden ließen Daten aus botanischen Sammlungen, Waldinventuren, kommerziellen Nutzungen und Langzeituntersuchungen der Lebensräume einfließen.

Methodisch fortschrittlich

„Die Methodik der Autor:innen bedeutet einen echten Fortschritt, da sie große Datenmengen benutzen und sie automatisiert verarbeiten“, sagt Ibisch. So hätten sie die Gefährdung der Baumvielfalt nicht nur über den Rückgang des Lebensraums vorgenommen, sondern auch Informationen über die Nachweise der Arten und damit auch die Populationsgrößen berücksichtigt.

Der Atlantische Regenwald erstreckte sich früher auf einer Fläche von etwa 1,2 Millionen Quadratkilometern entlang der Ostküste Brasiliens sowie Teilen Argentiniens und Paraguays. Er zählt zu den globalen Biodiversitätshotspots und beherbergt mehr als 15.000 Pflanzenarten – ein Drittel aller der in den weltweiten Hotspots vorkommenden Arten. Durch Abholzung hat der Regenwald im 20. Jahrhundert rund 80 Prozent seiner Ausdehnung verloren. Im Verhältnis zur Gesamtfläche wurde er somit deutlich stärker abgeholzt als der Amazonas-Regenwald.

Obwohl fünf Arten, die in der Roten Liste als ausgestorben eingestuft waren, durch die Bewertung wiederentdeckt wurden, identifizierten die Autoren 13 endemische Bäume, die jetzt möglicherweise ausgestorben sind.

„Die Ergebnisse sind geeignet, uns einmal mehr aufzurütteln“, sagt Ibisch. Wenige neue Schutzgebiete würden nicht ausreichen, den „erdrutschartigen“ Verlust des Lebens und der funktionierenden Ökosysteme in dieser Region zu stoppen. Dafür müsste dem Wald schlicht sehr viel Fläche zurückgegeben werden. „Es braucht größere Gebiete, wo Wald Wald sein darf.“

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