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Hier war vor 80 Millionen Jahren ein tropischer Regenwald: Clément Coiffard und sein Guide im Wadi Kumr im Sudan im Jahr 2020.

© Clément Coiffard

Die Wüste war einst ein tropischer Regenwald: Berliner Forschungsteam analysierte 80 Millionen Jahre alte Fossilien

In Ägypten und im Sudan gab es vor 80 Millionen Jahren tropische Vegetation, und zwar die älteste der Welt. Die fossilen Belege dafür stammen von einem Berliner Forschungsteam.

„Es ist schon verrückt“, meint Clément Coiffard, während er auf eine Pflanze mit schmalen, spitz zulaufenden Blättern zeigt. „Die Vorfahren dieser gewöhnlichen Wasserhyazinthe gehören zu den ältesten Pflanzen, die wir in den Tropen kennen, da lebten dort noch Dinosaurier.“

Die Pflanzenverwandte, die hier als Beispiel dient, steht in einem Wassereimer auf dem Balkon des Instituts für Biologie der Freien Universität Berlin (FU), wo Coiffard als Paläobotaniker arbeitet. Er lehrt allgemeine Botanik und forscht unter anderem zu fossilen Pflanzen in Ägypten und Sudan.

Die Schränke seines Arbeitszimmers sind voll von Fossilien, in Gemüsekartons übereinandergestapelt, darunter auch die versteinerte Wasserhyazinthe. Die unscheinbaren Zeitzeugen sind eine Sensation: Sie sind 80 Millionen Jahre alt und damit der materielle Beweis für den ältesten fossilen tropischen Regenwald der Erde.

Denn bisher datierte man diesen anhand fossiler Fundstücke aus Kolumbien auf etwa 60 Millionen Jahre. Genetische Analysen moderner Pflanzen ergaben jedoch, dass deren Ursprünge 100 Millionen Jahre zurückreichen. Der Fossilbeleg für diese These fehlte jedoch. Die Hälfte dieser Lücke sei nun überbrückt, resümiert Coiffard.

Clément Coiffard vom Institut für Biologie der Freien Universität mit zwei 80 Millionen Jahre alten Fossilfunden aus dem Sudan. Zu sehen ist jeweils ein Lotusblatt, was auf tropischen Regenwald schließen lässt.

© Rolf Brockschmidt

Alles begann, als der Forscher sich an der Universität Claude Bernard in Lyon mit den ersten Blütenpflanzen Europas beschäftigte. Er stellte fest, dass innerhalb der recht kurzen Zeit von nur 15 Millionen Jahren eine große Diversität der Pflanzen entstanden war, die meisten davon tropisch. Auf der Suche nach Fossilbelegen stieß Coiffard im Naturkundemuseum Berlin auf eine von der Technischen Universität Berlin (TU) übernommene Sammlung aus den Siebzigerjahren: Fossilien aus den Tropen, die noch nie genau untersucht worden waren.

Der Beginn: eine alte Sammlung

Ein wahrer Schatz, wie sich herausstellte. Aus der 100 Meter dicken Baris-Schicht im südlichen Ägypten konnte er 80 Millionen Jahre alte Blätter bestimmen. „Das Spannende an den Fossilien: Sie verraten nicht nur ihr Alter, sie lassen auch Rückschlüsse auf Klima und klimatische Veränderungen zu“, sagt Coiffard. Damals müsse es in Ägypten und Sudan im Jahresschnitt etwa 24 bis 33 Grad Celsius warm gewesen sein. „Wir berechnen die Niederschlagsmenge aus der Blattgröße. Klimaforscher können das mit ihren Methoden so nicht.“

Unter Coiffards Leitung startete dann ein deutsch-ägyptisches Forschungsprojekt, das 70 verschiedene Pflanzentypen anhand von 300 Sammlungsstücken identifizierte. Dabei zeigte sich eine sehr hohe Biodiversität, wie sie heute in tropischen Regenwäldern anzutreffen ist. Das Geld für diese Anstrengung stammte von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, und es war neben dem Senckenberg-Forschungsinstitut, dem Naturkundemuseum Frankfurt auch die Mansour Universität Kairo daran beteiligt.

Dieses versteinerte Lotusblatt ist 80 Millionen Jahre alt, stammt aus dem Sudan und ist ein fossiler Beweis für einen tropischen Regenwald zu jener Zeit.

© Rolf Brockschmidt

Diesen erstaunlichen Befund galt es mit neuen Fundstücken zu untermauern. 2020 reiste Coiffard deshalb mit zwei Berliner Kollegen in die Hamada-Wüste im Sudan. Bei Temperaturen bis 45 Grad Celsius unterstützte sie die Khartoum Universität und ein einheimisches Expeditionsteam.

Forschung in Krisengebieten

Nicht nur das Graben, auch die Feinarbeit ist mühsam: Jedes Blatt muss analysiert und präzise beschrieben werden. Da es keine Kataloge zur Bestimmung gibt, sortieren die Forscher selbst ähnliche Organismen zu Morphotypen. Die Datierung der Funde erfolgt über Sedimentschichten, wie sie beispielsweise an den Rändern ausgetrockneter Seen und Abhängen zutage treten. Auch fossile Pollen, Ammoniten und Saurierknochen helfen.

Coiffards Untersuchungsgebiet ist eine krisengeschüttelte Region, die Niger, Mali, Sudan und Ägypten umfasst. „Das macht Feldarbeit nicht gerade einfacher“, sagt er. Doch er will weitersuchen und ist sich sicher, dass er eines Tages auch noch ältere Fossilien finden wird. Wenn es die politischen Umstände erlauben.

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