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Risiko. Die Statistiken weisen daraufhin, dass die meisten Mütter betroffener Babys zwischen der 14. und 17. Woche mit Zika infiziert waren. Dies sei jedoch nur eine Korrelation, betonen die Forscher.

© Ricardo Noraes, REUTERS

Der Beginn der Epidemie: Das Zika-Virus kam vor der Fußball-WM nach Brasilien

Touristen und nicht Sport-Fans haben Zika von Asien aus nach Brasilien getragen. Der verengte Blick auf Massenveranstaltungen führt in die Irre, sagen Forscher. Sie haben das Virenerbgut erstmals detailliert analysiert.

Mikroben sind Trittbrettfahrer. Je mehr Menschen unterwegs sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie ebenfalls von A nach B gelangen. Das Zika-Virus brauchte für seine Reise über den Pazifik allerdings keine Massenveranstaltung wie die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Auch das Kanurennen im September 2014, zu dem Teilnehmer aus Französisch-Polynesien nach Recife anreisten, könne nicht der Auslöser der Epidemie in Lateinamerika sein, schreibt ein internationales Forscherteam um Nuno Faria vom brasilianischen Evandro-Chagas-Institut im Fachblatt "Science". Die Epidemie sei zwar erst im Mai 2015 bemerkt worden. Doch das Virus erreichte Brasilien bereits irgendwann zwischen Mai und Dezember 2013. Damit komme als Initialzündung allenfalls der Fifa-Konföderationspokal infrage, bei dem im Juni 2013 erstmals ein Team aus Tahiti teilnahm und in Recife spielte. Der Haken: zu diesem Zeitpunkt wurden auf Tahiti noch gar keine Zika-Fälle gemeldet.

Um den Weg des Virus von Asien aus nach Brasilien nachzuzeichnen, analysierten die Forscher zunächst sieben komplette Virusgenome. Diese Viren wurden bei vier Patienten isoliert, die keine schweren Symptome hatten, aber auch bei einem Baby mit Mikrozephalie, das einen Tag nach der Geburt starb, bei einem Blutspender, der kurze Zeit später einen Ausschlag bekam und bei einem 35-Jährigen, der durch Zika eine Hirnentzündung erlitt und die Krankheit nicht überlebte. Diese Erbgutsequenzen verglichen die Forscher anschließend mit Zika-Erbgut aus neun anderen Regionen außerhalb Lateinamerikas, etwa Französisch-Polynesien, Thailand und den Cook-Inseln. Die sieben brasilianischen Viren unterscheiden sich demnach kaum, sie gehören zum gleichen Ast im Zika-Stammbaum und gehen vermutlich auf einen einzigen Reisenden zurück. Die größte Ähnlichkeit haben sie mit einem Virus, das im November 2013 in Französisch-Polynesien gefunden wurde.

Vergesst den Sport!

Das heiße nicht unbedingt, dass es von dort aus nach Brasilien exportiert wurde, betont Oliver Pybus, Evolutionsbiologe an der Universität Oxford und einer der Autoren. "Es ist möglich, dass Zika von Südostasien aus unabhängig voneinander nach Französisch-Polynesien und nach Lateinamerika gelangt ist", sagt er. Noch gebe es nicht genügend Daten zur genetischen Variabilität der Zika-Viren in Asien, um sichere Aussagen darüber zu machen. Ab Dezember 2012 sei jedenfalls die Zahl der Flugpassagiere, die von den asiatischen Zika-Gebieten aus Brasilien erreichten, um 50 Prozent gestiegen. Jeden Monat kamen 3500 bis 5000 Reisende aus Ländern wie Thailand, Indonesien und den Philippinen an. Der starre Blick auf Sportveranstaltungen führe in die Irre. "Es war wahrscheinlich keine bestimmte Sportveranstaltung involviert", bestätigt Derek Gatherer von der Universität Lancaster, der nicht an der Studie beteiligt war.

"Unsere Daten sind eine gute Grundlage, um weiter zu forschen", sagt Nuno Faria. Er und seine Kollegen haben unter anderem nach Gensignaturen gesucht, die das Virus möglicherweise leichter übertragbar oder gefährlicher machen. Erfolglos. Die Mikrozephalien seien aller Wahrscheinlichkeit nach nicht auf eine plötzliche Mutation zurückzuführen, spekuliert auch Gatherer. "Dann müsste es auffälligere Cluster von Fällen geben." Die Daten der Zika- und der später auftretenden Mikrozephalie-Fälle aus Brasilien legen nahe, dass sich die meisten Mütter in der 17. Schwangerschaftswoche (bei schwerer Mikrozephalie in der 14. Woche) mit Zika infiziert hätten, schreiben die Forscher in "Science". Dies sei aber nur eine Korrelation und kein Nachweis, dass Zika die Ursache für die Fehlbildung ist.

Zika verbreitet sich derzeit in 34 Ländern und Territorien in Amerika, darunter sind 22 von 27 Bundesstaaten Brasiliens. Mikrozephalien bei Neugeborenen sind bisher in Brasilien und Panama aufgefallen. Auch Kolumbien untersucht nach Angaben der WHO Verdachtsfälle. "Angesichts des regen Reiseverkehrs ist jede Weltregion, die bereits Dengue-Epidemien verzeichnet hat, in Gefahr", sagt Martin Hibberd von der London School of Hygiene and Tropical Medicine. "Das betrifft 3,6 Milliarden Menschen in tropischen Gebieten."

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