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Offener Brief: Charité-Profs: Nußbaum diffamiert uns

"Wowereit soll seinem Senator Einhalt gebieten": Im Streit um die Zukunft der Charité setzen sich Professoren gegen Finanzsenator Ulrich Nußbaum zur Wehr.

In einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit beschweren sich 35 Mediziner, darunter mehrere Klinikdirektoren, über „diffamierende Äußerungen“ Nußbaums. Dieser betrachte die Medizin-Professoren offenbar „nicht nur als hinderlich für die wirtschaftliche Effizienz der Charité“, sondern er „diffamiert sie gar als Erpresser“. Wowereit solle Nußbaum „Einhalt gebieten“.

Die Professoren beziehen sich auf einen Beitrag der „Bild“-Zeitung, in dem Nußbaum am Montag seine Sicht auf die Berliner Unimedizin erläuterte. Zur Illustration malte Nußbaum dabei ein Bild, das die Charité als Pyramide darstellt und das in der Zeitung abgebildet ist. An die Spitze der Pyramide stellte Nußbaum die Professoren, darunter als Sockel die Klinik mit „ihrem normalen Betrieb“. Die Professoren würden „die Klinik in Geiselhaft nehmen“, obwohl der Wissenschaftsbetrieb nur zwanzig Prozent der Charité ausmache, kommentierte Nußbaum seine Zeichnung. „Die Professoren bestimmen die Abläufe. Aber die müssen verbessert werden, damit die Klinik Geld verdient.“ Ein zweites Schaubild Nußbaums, das die Interessen der Professoren darstellen soll, unterschrieb „Bild“ mit dem Kommentar: „Die Wissenschaftler sind scharf auf Betten und Patienten, weil sie ihnen unterm Strich Veröffentlichungen, Forschungsgelder und Reputation bringen.“

Wer sich anmaße, die Situation der Charité „durch eine Zeichnung gleichsam auf einem Bierdeckel zu erklären“, beschädige eine der weltweit bekanntesten medizinischen Einrichtungen, kritisieren die Professoren. Nußbaum habe wohl vergessen, wozu die Betten da seien. In ihnen lägen „schwerkranke Patienten mit hochkomplexen Erkrankungen“, die anderswo gar nicht behandelt werden könnten.

Im vergangenen Jahr hatte Nußbaum Investitionen für die Charité gestoppt. Die Charité müsse erst ein gemeinsames Konzept mit dem landeseigenen Klinikkonzern Vivantes zur Zukunft der Berliner Klinikstandorte aufstellen. Nußbaum würde gerne das Klinikum Steglitz von der Charité an Vivantes abgeben. Das bekräftigte er jetzt: „Brauchen die (Charité-Professoren) so viele Betten?“, fragte Nußbaum und fügte hinzu: „Nicht die Qualität regiert die Charité, sondern die schiere Masse. Warum kommt der Charité-Chef nicht zu mir, kriegt mehr Geld für die reine Wissenschaft und ist im Gegenzug bereit, eine Klinik aufzugeben?“

Der Finanzsenator wolle mit dem „Masse-Begriff unterschwellig die Vorurteile verstärken, dass die Charité alleine aufgrund ihrer schieren Größe unwirtschaftlich sei“, heißt es in dem offenen Brief. Die Charité befinde sich aber auf einem scharfen Sanierungskurs. In Wahrheit brauche man Geld für Investitionen. Die Verantwortlichen dürften diese nicht so lange blockieren, „bis die OP-Lampen von der Decke fallen und wir Zustände wie bei der S-Bahn haben“. Unterzeichnet ist der Brief von Medizinern aller Standorte, darunter die Prodekane für Forschung und für Lehre, Rudolf Tauber und Manfred Gross. Tilmann Warnecke

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