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Ausgehöhlter Tierknochen mit Samen des Bilsenkrauts.

© BIAX Consult

Bilsenkraut als antikes Schmerzmittel : Was wussten die Römer über Wirkung und Dosierung?

Ein mit Giftsamen gefüllter Tierknochen gibt Berliner Forschenden Rätsel auf. Ihr erster Gedanke fiel auf den Gebrauch als Drogenpfeife – doch so einfach ist es nicht.

Schon der Duft des Bilsenkrautes benebelt, das giftig ist, aber auch heilsam sein kann. Im antiken römischen Dorf Houten Castellum, wo heute das niederländische Arnheim liegt, fand ein Team der FU Berlin einen ausgehöhlten Schaf- oder Ziegenknochen, in dessen Innerem lauter Samen der Giftpflanze lagerten.

Die Fundstelle, ein Wasserbecken, sei auf 70-100 nach Christus datiert worden, schreiben die Forschenden in ihrem Paper, das jetzt in der Zeitschrift „Antiquity“ veröffentlicht wurde. Darin ergründet das Team um die prähistorische Archäologin Maaike Groot, auf welche Weise die Römer schon im ersten Jahrhundert die Wirkung des Krautes nutzten.

War der Knochen eine Pfeife, um das Narkotikum zu rauchen? Diese erste Vermutung sei bald wieder verworfen worden, berichtet Studienleiterin Groot. Man habe keine Spuren von Feuer an dem Knochen gefunden. Auch war so viel Bilsenkraut darin gelagert, dass jeder, der diese Menge geraucht hätte, an einer „Überdosis“ gestorben wäre. An einem Detail – einem Pfropfen aus Birkenteer – erkannte das Berliner Team, dass der Knochen zur Aufbewahrung dienen musste.

Grundsätzlich wurde das Kraut aus der Familie der Nachtschattengewächse zwar schon früh medizinisch verwendet: Auch in römischen und mittelalterlichen Krankenhäusern wurde es gefunden. Doch in diesem Fall sei der „Kontext des Fundes höchstwahrscheinlich rituell“, sagte Groote dem Tagesspiegel. Man habe die Heilpflanze einfach an die Opferstelle gelegt. In der Nähe, wenn auch aus verschiedenen Zeiten, habe man Tierknochen von einem Hund und einer Kuh gefunden, die auf Opfergaben hindeuteten, heißt es im Paper.

Tödliches Hustenmittel

Bilsenkraut wird in den Niederlanden schon seit der Jungsteinzeit in Siedlungen gefunden. Laut Groot kann es aber auch sein, dass die Nutzung aus Italien mit der römischen Kultur in die Provinzen getragen wurde: „Die Bataven, die in unserer Region lebten, hatten enge Kontakte mit der römischen Armee und könnten von ihren medizinischen Praxen gelernt haben.“

Antike Zeitgenossen wiesen darauf hin, dass das Kraut mit Vorsicht zu genießen sei, hält die Studie fest. Plinius der Ältere, der im ersten Jahrhundert lebte, habe vier Sorten untersucht und gewarnt, dass sie Wahnsinn und Schwindel hervorrufen. Von ihm sei überliefert, dass der „Saft, der aus dem Stängel und den Blättern der Pflanze gewonnen wird“, beispielsweise Husten, Gelenkbeschwerden oder Entzündungen lindern könne. Pedanius Dioskurides, ein griechischer Arzt im Römischen Reich, der als ein Vater der Pharmakologie gilt und zur Zeit von Kaiser Nero lebte, hat den Gebrauch als Heilmittel ebenfalls dokumentiert.

Die giftigen Eigenschaften des Krauts spann viele Jahrhunderte später auch William Shakespeare in den Plot seines Dramas „Hamlet“ ein: Aus Bilsenkraut fabriziert König Claudius das Gift, mit dem er Hamlets Vater tötet. Er tröpfelt ihm die Flüssigkeit ins Ohr.

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