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Absolventinnen der Uni Bonn werfen die Hüte ihrer Abschlusskostüme hoch.

© picture alliance / dpa

Lohnt sich ein Studium?: „Akademiker haben exzellente Chancen“

Befürchtungen vor einem "Akademisierungswahn" widerspricht der Arbeitsmarkt-Forscher Joachim Möller. Deutschland brauche auch weiterhin mehr Hochschulabsolventen.

Herr Möller, bei den Akademikern herrscht in Deutschland quasi Vollbeschäftigung, nur 2,5 Prozent sind arbeitslos. Sollten Abiturienten also unbedingt studieren?
Wer ernsthaft an einem Studium interessiert ist, dem kann ich nur zuraten. Akademiker sind erheblich seltener arbeitslos, sie verdienen im Schnitt deutlich mehr und haben sehr gute Aufstiegschancen.

Welche Fächer sind auf dem Arbeitsmarkt krisensicher?

Das ist schwer zu beantworten. Wer hätte denn vor 20 Jahren gedacht, dass Elektromobilität heute ein großes Thema sein wird? Ich würde Abiturienten raten, auf ihre Neigungen und Fähigkeiten zu achten. Sie sollten ein Fach studieren, in dem sie gut sein können – dann gibt es in allen Bereichen gute Chancen.

Die Wirtschaft wirbt vor allem um Naturwissenschaftler und um Ingenieure.

Auch auf diesen Gebieten sind Schweinezyklen nicht ausgeschlossen. In den neunziger Jahren gab es ja bei vielen Unternehmen Einstellungsstopps für Ingenieure. Das hatte Auswirkungen auf das Studierverhalten, diese Absolventen fehlen der Wirtschaft heute. Man sollte sich also bei der Studienfachwahl an dem orientieren, was einen wirklich interessiert. Allerdings verdienen Natur- und Technikwissenschaftler im Schnitt deutlich mehr als Geistes- und Sozialwissenschaftler.

Manche Akademiker verdienen ihr Leben lang weniger als etwa ein Busfahrer und müssen von prekären Jobs leben. Warum findet diese Gruppe trotz der guten Lage nichts Besseres?

Das kann man nicht pauschal beantworten, da muss man sich den jeweiligen Fall anschauen. Natürlich kennt jeder irgendjemanden, dem es so geht. Aber in der Regel finden Akademiker adäquate Jobs – wenn sie bereit zur Mobilität sind. Das spielt eine bedeutende Rolle in der Karriere.

Die Akademikerarbeitslosigkeit in Deutschland war immer niedrig, aber viele Studierende fürchten sich vor Arbeitslosigkeit oder einer Laufbahn im Callcenter.

Im öffentlichen Bewusstsein werden die Arbeitsmarktrisiken für Akademiker völlig übersteigert wahrgenommen. Schwierig ist für Akademiker tatsächlich der Berufseinstieg. Dann heißt es überall: „Ach, jetzt hat sie so lange studiert und ist arbeitslos.“ Doch der Einstieg gelingt fast allen, im weiteren Verlauf des Berufslebens haben sie dann exzellente Chancen. Der Vorteil der Akademiker liegt in ihrer Flexibilität. An meinem Institut arbeitet zum Beispiel ein Theologe in der EDV. Und Physiker sind auch in der Versicherungswirtschaft tätig.

Porträtfoto von ArbeitsmarktforscherJoachim Möller.
Joachim Möller (60) ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg.

© promo

Verdrängen Akademiker andere von ihren Arbeitsplätzen und sind dann selbst oft unter ihrer Qualifikation beschäftigt?

Es gibt Überqualifizierte, die weniger Qualifizierte verdrängen. Wie hoch der Anteil ist, lässt sich schwer quantifizieren. Aber es gibt auch Unternehmen, die gerade keine Überqualifizierten wollen, weil die dann unglücklich im Job sind. Selbst wenn ein Akademiker die Fähigkeiten aus seinem Studium nicht eins zu eins im Beruf anwenden kann, so hat das Studium doch eine Reihe von positiven Nebeneffekten: Er hat gelernt zu lernen, und er hat an der Hochschule Kontakte zu anderen Akademikern geknüpft.

Der Münchener Philosophie-Professor Julian Nida-Rümelin warnt vor einem gefährlichen Akademisierungswahn: Wenn alle studieren, finden die Unternehmen keine Mechatroniker mehr – und dann können sie auch keine Anglistin als Pressesprecherin einstellen. Könnte es so kommen?

Man sollte die duale Ausbildung nicht gegen das Studium ausspielen. Das deutsche duale System ist wunderbar. Richtig ist auch, dass die Industrie die Perle der deutschen Wirtschaft darstellt. Dennoch brauchen wir einen steigenden Anteil von Akademikern. Das zeigt auch der wachsende Verdienstabstand zu den anderen Beschäftigten. Damit unterstütze ich nicht die Meinung der OECD, wonach nun jede Krankenschwester ein Bachelorstudium machen soll. Unsere duale Ausbildung hat ein sehr hohes Niveau. Mehr Durchlässigkeit in beide Richtungen zwischen Hochschulen und dualer Ausbildung wäre jedenfalls absolut wünschenswert. Wenn die Unternehmen zum Beispiel bei Studienabbrechern der Verkürzung der Ausbildungszeit zustimmen, werden sie selbst attraktiver.

Hat man auch mit dem Bachelorabschluss gute Chancen oder ist es sicherer, den Master zu machen?

Darüber gibt es noch keine soliden Erkenntnisse, man muss den Arbeitsmarkt über einen längeren Zeitraum beobachten. Ich höre von meinen Studierenden, dass die meisten den Master machen wollen. Das finde ich gut. Denn wir bewegen uns unter vollen Segeln in Richtung Wissensgesellschaft.

Die Fragen stellte Anja Kühne.

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