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Der Hersteller Bombardier hat einen Weg gefunden, die in den Bussen installierten Batterien berührungslos zu laden – wie bei einer elektrischen Zahnbürste.

© Illustration: Jens Bonnke für den Tagesspiegel

Elektrobusse: Zahnbürste auf Rädern

Im Nahverkehr auf der Straße kommt der elektrische Antrieb jetzt wieder. Durch neue Technik braucht man aber keine Oberleitung mehr.

Dem Elektrobus gehört die Zukunft. Staatssekretär Rainer Bomba aus dem Bundesverkehrsministerium ist überzeugt, dass in wenigen Jahren im Nahverkehr nur noch Busse durch die Städte fahren, die abgasfrei angetrieben werden. Auch der Senat will, dass die BVG von 2020 an nur noch emissionsfreie Busse anschafft.

Neu sind die „Stromer“ nicht. Bereits 1882 ließ Werner Siemens in Halensee bei Berlin eine Teststrecke für ein „Elektromote“ bauen, ein Fahrzeug, das auf der Straße fuhr und für den Antrieb eines Elektromotors Strom aus einer Oberleitung erhielt.

Nach nur sechs Wochen stellte Siemens den Versuch aber wieder ein; die holprigen Straßen hatten zu großen Problemen mit dem Stromabnehmer geführt, der häufig den Kontakt zur Leitung verlor. Siemens konzentrierte sich auf die Weiterentwicklung der elektrischen Straßenbahn, die auf ihren Gleisen viel ruhiger fuhr. Premiere hatte sie schon vor dem „Elektromote“ 1881 in Lichterfelde bei Berlin.

Eine Renaissance gab’s für den O-Bus um 1930, nachdem die Straßen befestigt waren und das System zuverlässiger funktionierte. Auch Berlin hatte mehrere Linien; durchgesetzt hat sich das System aber gegen die Konkurrenz der Straßen-, U- und S-Bahn sowie der Dieselbusse nicht. Die letzte Linie wurde allerdings erst 1973 im Ostteil der Stadt eingestellt. Potsdam hat seine wenigen Linien 1995 aufgegeben. Der Ersatz der altersschwachen Busse durch neue Fahrzeuge war zu teuer. So gibt es in Deutschland derzeit nur noch drei Städte, in denen Oberleitungsbusse fahren: Eberswalde, Esslingen und Solingen.

Die BVG will auf der Linie 204 einen "Stromer" einführen

Dabei haben die O-Busse mehrere Vorteile. Sie sind leise und fahren abgasfrei, der Strom wird abseits der Strecke erzeugt. Zudem benötigen die elektrischen Antriebsaggregate weniger Platz als ein Diesel- oder ein Gasmotor. Auch der voluminöse Kraftstofftank entfällt. Dies ermöglicht einen niedrigen Wagenboden über die gesamte Fahrzeuglänge und einen fast stufenlosen Einstieg an allen Türen. Der Nachteil: Die Fahrzeuge sind schwerer – und nicht jedem gefallen die Oberleitungen entlang der Straßen.

Trotzdem gibt es weltweit in rund 370 Städten, verteilt auf 47 Länder, Nahverkehr mit Oberleitungsbussen. Dazu gehören unter anderem Russland, Kanada, Ekuador, Mexiko, Neuseeland, China, Griechenland sowie zahlreiche osteuropäische Länder. Die BVG in Berlin denkt dagegen nicht daran, wieder O-Busse anzuschaffen. Sie probiert im Sommer einen elektrischen Betrieb aus – jedoch ohne die hässlichen Oberleitungen.

Der Bahn-Hersteller Bombardier hat einen Weg gefunden, bei dem die in den Bussen installierten Batterien berührungslos geladen werden – wie bei einer elektrischen Zahnbürste. Das Primove genannte System wird bereits in Braunschweig und Mannheim getestet. In diesem Sommer will es die BVG auf der Linie 204 (Südkreuz–Zoo) einführen.

Niedrige Wartungskosten und zuverlässiger Betrieb

Die Ladestationen werden unter die Erde gelegt und können mit Asphalt oder Beton überdeckt werden. Der Vorteil: Die Batterien können unterwegs geladen werden; die Busse müssen nicht zu einer Station auf einem Betriebshof fahren. Bei der Linie 204 gibt es jeweils an den Endhaltestellen Ladestationen; in wenigen Minuten soll der Vorgang erledigt sein. Möglich ist es auch, unterwegs Ladestationen zu installieren, sodass die Energie sogar beim Fahren übertragen werden könnte.

Was kompliziert klingt, soll einfach sein: Da keine beweglichen Teile und nur eine geringe Anzahl von Komponenten nötig seien, werde der Verschleiß minimiert, wirbt Bombardier. Dadurch reduzierten sich die Wartungskosten und der Betrieb sei zuverlässiger.

Außerdem seien die Anlagen vor Vandalismus geschützt. Während Bombardier bei der Ladestation den Weg unter die Erde gewählt hat, setzen andere Unternehmen auf die Versorgung von oben. Siemens lässt die Busse aus einer Oberleitung laden. In Wien nutzt man dazu vorhandene Anlagen der Straßenbahn.

Auch Straßenbahnen können mit Batterien fahren

Auch Hamburg versucht’s von oben. Anfang 2016 will die Hochbahn-Gesellschaft, die auch Busverkehr betreibt, zwei elektrisch angetriebene Gelenkbusse einsetzen. Die Batterien in den Fahrzeugen erhalten ihren „Saft“ über Anschlüsse auf dem Dach von einem stationären Ladepunkt aus. Dessen Stromabnehmer senkt sich auf die Ladepunkte auf dem Dach ab – und dann fließt der Strom. Das Laden von Batterien während des Einsatzes muss sich aber nicht auf Busse beschränken.

Auch Straßenbahnen können damit Abschnitte durchfahren, bei denen – etwas wegen eines Denkmalschutzes – der Bau einer Oberleitung nicht durchsetzbar ist. Sogar Nutzfahrzeuge könnten eines Tages wieder elektrisch fahren – wie es zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Post in Berlin praktiziert hatte. Fahrzeuge sind im Deutschen Technikmuseum in Berlin zu sehen – und wahrscheinlich bald auch wieder auf der Straße.

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