zum Hauptinhalt
Viel Raum. Mehr als 200 Hektar stehen in Tegel bereit für Wohnen, Wissenschaft und Wirtschaft.

© Doris Spiekermann-Klaas/Tagesspiegel

Wasserstoff aus Tegel: Zukunft in der Frachthalle

Das Start-up HH2E projektiert vom ehemaligen Flughafen aus Wasserstoffanlagen in ganz Deutschland. Eine Anlage kommt in den Clean Tech Park Marzahn.

Mit Berliner Selbstbewusstsein greifen die Vermarkter der Urban Tech Republic hoch ins Regal: „Hier entsteht die Zukunft der Städte“, heißt es über das Flughafengelände in Tegel. Wobei die Zukunft Zeit braucht. „Seit 2012 sind wir an dem Standort dran“, erzählt der Energiemanager Hanno Balzer. „Es gibt keinen besseren Ort, um unsere Arbeit und die Anlage im Modell zu zeigen.“

Es hat dann mit ein paar Jahren Verzögerung noch geklappt mit dem BER, der Stilllegung Tegels und der Ansiedlung erster Firmen auf dem riesigen Gelände. „Im Sommer 2022 haben wir hier zu fünft im Flughafen gesessen“, erinnert sich Balzer an den Start in einer ehemaligen Zollstelle.

Knapp ein Jahr später ist viel Betrieb in der einen Hektar großen Frachtguthalle, die sich Balzer und Kollegen als Standort für ihr Start-up HH2E ausgesucht haben. Das Unternehmen hat bislang fünf Produktionsstätten für Wasserstoff ausgewählt, die von Tegel aus geplant werden: Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern sowie Thierbach in der Nähe der sächsischen Braunkohlegebiete sind weit fortgeschritten; dann folgen Projekte in Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt sowie im Clean Tech Park Marzahn, wo im Herbst die Bauarbeiten beginnen.

Wasserstoff für alles

Die Wasserstoffwirtschaft läuft hoch. „Pro Jahr möchten wir vier Projekte angehen“, sagt HH2E-Prokurist Balzer dem Tagesspiegel. „Inzwischen bemerken wir den Wettbewerb: Es wird schwieriger, Grundstücke zu bekommen.“ Der klimaneutrale, grüne Wasserstoff wird per Elektrolyse aus Wind- oder Sonnenstrom erzeugt und kann zum wichtigsten Träger der klimaneutralen Energieversorgung werden: als Kraftstoff für Lkw und Flugzeuge, Rohstoff für die Industrie oder Brennstoff für Heizungen. In Power-to-Gas-Anlagen wird grüner Wasserstoff gewonnen, der sich im Gasnetz speichern und transportieren lassen.

1,7
Milliarden Euro kostet eine Gigawatt-Anlage

„Wir haben 100 Standorte in Deutschland geprüft, 20 davon kommen in die engere Wahl“, berichtet Balzer. 1,7 Milliarden Euro kostet eine Anlage, auch in Marzahn. Alexander Voigt, Mitgründer und Vorstandsmitglied von HH2E, hatte gemeinsam mit Balzer und Franziska Giffey das Vorhaben im Januar vorgestellt: „Wir haben uns entschieden, die Basis unserer technologischen Entwicklung und unseres Betriebs in Berlin anzusiedeln.“

Voigt beschäftigte sich schon in den 1980er Jahren als Mitglied eines Kreuzberger Ingenieurkollektivs mit Erneuerbaren Energien. Jetzt also Wasserstoff aus Tegel. „Von hier aus wollen wir einen Beitrag zur Energiewende leisten und Deutschland helfen, seine Energiesouveränität zurückzugewinnen.“

 „Von Tegel aus wollen wir einen bedeutenden Beitrag zur Energiewende leisten.

Alexander Voigt, Gründer von HH2E

HH2E bekam im vergangenen Jahr von zwei Investoren 600 Millionen Euro und hat weitere Mittel in Aussicht. Für rund 250 Millionen entstehen im ersten Schritt ein Elektrolyseur, Batterien sowie ein Hochtemperaturspeicher für eine Kapazität von 100 Megawatt.

Für die Erweiterung auf ein Gigawatt, in Berlin wäre das ungefähr bis 2032, sind dann weitere 1,5 Milliarden Euro erforderlich. Dann stünde in Marzahn „ein richtig tolles Wasserstoffwerk“, wie Giffey meinte, in dem 100 Menschen arbeiten und das „vielleicht 300.000 Wohnungen mit Wärme versorgt“. Dazu wird Platz gebraucht: Bislang hat HH2E erst fünf Hektar in Marzahn sicher. „Wir gehen davon aus, dass wir 15 Hektar bekommen“, sagt Balzer.

Tankstellenbetreiber als Kunden

Jede Anlage produziert nach der ersten Ausbaustufe 6000 Tonnen Wasserstoff. Von den 24.000 Tonnen der ersten vier Anlagen hat HH2E zwei Drittel bereits „vorvertraglich gebunden“. Die Kunden sind Tankstellenbetreiber, die sich aufgrund der massiven Förderung auf Wasserstofffahrzeuge vor allem im Schwerlastverkehr einstellen. „6000 Tonnen im Jahr bekommt man noch mit dem Lkw transportiert, für größere Mengen brauchen wir Pipelines“, sagt Balzer. Deshalb ist die Verfügbarkeit von Pipelines für die Auswahl der Anlagenstandorte mitentscheidend. „Wir benötigen Leitungen für Strom, Wasser und Wasserstoff.“ Den Grünstrom für Marzahn erzeugen Windräder in Brandenburg.

In Tegel hat sich die Firma ein unbefristetes Nutzungsrecht für das Gebäude gesichert, die Belegschaft wird von gut 30 weiter hochgefahren. In der riesigen Luftfrachthalle im Erdgeschoss richtet HH2E einen Testbereich für alle Teile ein, die immer wieder verbaut werden. „An allen Standorte bauen wir die gleichen Anlagen“, sagt Balzer. „Mit dieser Art von Serienproduktion sind wir allein in Deutschland.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false