zum Hauptinhalt
Kein Schiff kann kommen. Der Streik der Schleusenwärter führte im Juli auch an der Schleuse Diemitz zum Stau.

© dpa

Streik der Schleusenwärter: Verdi setzt den Arbeitskampf fort

Der Streik geht in die fünfte Woche. Jetzt trifft es vor allem Nordrhein-Westfalen. Gewerkschaft und Ministerium sind zerstritten, die Binnenschiffer alarmiert.

Festgefahren – so ist die derzeitige Lage. „Wir verstehen nicht, warum Verkehrsminister Ramsauer nicht zum Abschluss eines Tarifvertrags für die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bereit ist“, sagt Jan Jurczyk, Sprecher der Gewerkschaft Verdi. Im Bundesverkehrsministerium gibt man sich ratlos. Man rätsele, warum Verdi auf einem Tarifvertrag beharre, obwohl es bereits eine schriftliche Jobgarantie für die Beschäftigten der rund 12 000 Schleusenwärter, Verwaltungsangestellten und Techniker gebe.

Festgefahren hat sich in den vergangenen vier Wochen auch so mancher Binnenschiffer, Ausflugsdampfer und Freizeitkapitän. Vier Wochen, so lange streiken die Bundesangestellten an den Schleusen im gesamten Bundesgebiet schon. Wechselweise, nicht flächendeckend, betont Verdi, damit der Verkehr auf den Wasserstraßen zwar merklich behindert werde, nicht jedoch zum Erliegen komme. Zuletzt habe es sogar eine einwöchige Streikpause gegeben, damit sich die Binnenschifffahrt ein wenig erholen könne. Auch in Berlin hatten Schleusenwärter am vor vergangenen Wochenende die Arbeit niedergelegt. Die Akzeptanz für den Ausstand sei bislang hoch gewesen. „Das öffentliche Verständnis und die Unterstützung wollen wir nicht auf’s Spiel setzen“, betont Verdi-Vorstandsmitglied Achim Meerkamp.

Die Ratlosigkeit auf beiden Seiten rührt auch daher, dass sie im Kern einig sind. Einig, dass die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) dringend reformiert werden müsse. Einig auch, dass dabei Stellen wegfallen könnten – indem sie nicht mehr neu besetzt werden. Bis zu 3000 könnten nach Verdi-Angaben zusammenkommen. Die WSV, angesiedelt beim Bund, ist unter anderem für Erhalt und Ausbau, Umweltschutz und Schleusen der mehr als 7000 Kilometer umfassenden Binnenwasserstraßen zuständig. In den vergangenen 20 Jahren seien an den Standorten im Rahmen des notwendigen Personalabbaus rund 5000 Stellen weggefallen, schreibt das Verkehrsministerium. Entsprechend müsse nun die gesamte Verwaltung gestrafft werden, damit sie wieder effizient arbeite. Ämter an Wasserwegen „mit hoher Transportfunktion“ sollen zulasten wenig frequentierter gestärkt werden. Zum 1. Mai wurden die ursprünglich sieben Direktionen zu einer Generaldirektion mit Sitz in Bonn zusammengelegt. Die Anzahl der WSV-Behörden soll von 53 auf 34 sinken.

Zentraler Punkt in der Auseinandersetzung ist also die Jobgarantie für die Beschäftigten der WSV. Minister Peter Ramsauer (CSU) und Verdi-Vorstand Achim Meerkamp schieben sich die Schuld gegenseitig zu. Das Ministerium betont, es sei grundsätzlich zu einem ergänzenden Tarifvertrag für die nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) angestellten Mitarbeiter bereit gewesen. Die Verhandlungen seien jedoch Ende Mai gescheitert, weil Verdi die Regelungen nicht nur für den WSV, sondern für den gesamten Geschäftsbereich des Ministeriums habe durchsetzen wollen. Mit seiner schriftlichen Garantie für den Erhalt der Jobs, die als „wirksamer Bestandteil“ der Arbeitsverträge gelte, ist für Ramsauer das Thema eigentlich erledigt.

Verdi hingegen spricht davon, dass der Minister wohl von vornherein kein großes Interesse an einer Einigung gehabt habe. Bereits im November vergangenen Jahres habe die Gewerkschaft Ramsauer zu Tarifverhandlungen aufgefordert. Erst nach Warnstreiks im Februar habe es im April eine erste Verhandlungsrunde gegeben. Verglichen mit anderen Tarifkonflikten verlaufe die Lernkurve des Arbeitgebers „sehr lang“, moniert Verdi-Sprecher Jurczyk. Im Frühsommer habe der Minister mit der Umsetzung erster Reformschritte Fakten geschaffen. Das sei das Signal für den jüngsten Streik gewesen.

Angesichts der verhärteten Positionen verlieren vor allem die Binnenschiffer langsam die Geduld. „Nur weil der Streik bisher nicht die gewünschte Wirkung auf die Bundesregierung gezeigt hat, kann die Gewerkschaft den Arbeitskampf auf dem Rücken der Binnenschifffahrt nicht beliebig verlängern“, sagt Georg Hötte, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Binnenschiffahrt (BDB). Den bisherigen Schaden für die Schiffer schätzt der Verband auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Man sei mit beiden Konfliktparteien im Gespräch, um die dramatische Lage vieler Unternehmer zu verdeutlichen, sagt BDB-Geschäftsführer Jens Schwanen. Nicht nur Verdi, auch das zuständige Ministerium und das Kanzleramt habe man aufgefordert, etwas zu unternehmen, um den Konflikt zu beenden.

Bei der Stern- und Kreisschifffahrt, einem der größten Betreiber von Fahrgastschiffen in Berlin, gibt es trotz der Beeinträchtigung des Geschäfts ein gewisses Verständnis für den Arbeitskampf. Bereits jetzt seien die Schleusen mitunter so schlecht besetzt, dass die Schiffe bis zu einer Stunde warten müssten, erklärt Horst Meier, einer von zwei Geschäftsführern. Wenn sich dies durch eine Verlagerung oder weiteren Abbau von Personal infolge der Reform weiter verschärfe, sei das nicht im Sinne der Schiffer. „Dennoch ist der Streik für uns aus finanzieller Sicht natürlich ein Fiasko.“

Ungeachtet dessen will Verdi den Arbeitskampf fortsetzen. Von diesem Montag an bis Freitag sollen alle Schleusen und Verwaltungen in Nordrhein-Westfalen bestreikt werden. Damit dürfte der Schiffsverkehr auf den Kanälen im und um das wirtschaftlich wichtige Ruhrgebiet – wo mit Duisburg der größte Binnenhafen Europas liegt – schwer beeinträchtigt werden. „Verdi zieht die Daumenschrauben an“, beschreibt BDB-Geschäftsführer Schwanen seinen Eindruck vom Treffen mit Gewerkschaftern Ende letzter Woche in Berlin. Vielleicht ist aber auch in wenigen Tagen alles vorbei. Nach übereinstimmenden Angaben aus Kreisen beider Lager gibt es Gespräche im Hintergrund, um die festgefahrene Lage zu lösen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false