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Arbeit und ein Ende. Immer mehr Menschen gehen so früh es geht in Rente, auch wenn es dann weniger Geld gibt.

© Bearbeitung: Tagesspiegel/imago

Rente mit 70: Wie lange müssen wir künftig arbeiten?

Babyboomer, die immer älter werden und das Rentensystem belasten – das ist nicht mehr bezahlbar, sagen die Wirtschaftsweisen. Sollte man das Rentenalter anheben? Drei Experten antworten.  

Von
  • Ruth Maria Schüler
  • Anja Piel
  • Ute Klammer

Muss das Renteneintrittsalter weiter steigen, weil die Menschen in Deutschland älter werden? Der Vorschlag der Wirtschaftsweisen hat die Debatte über die Lebensarbeitszeit und die Bezahlbarkeit der Rente wiederbelebt.

Das Rentenalter sollte gekoppelt an die Lebenserwartung steigen, sagen die Wirtschaftsexperten. Ein Jahr länger leben soll zur Folge haben, dass man acht Monate länger arbeitet. Konkret bedeutet das: 2051 gäbe es die Rente ab 68. 

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wies den Vorschlag umgehend zurück. In vielen Berufen, etwa in der Logistik, in der Pflege, im Handwerk und auf Baustellen, könnten Menschen mit 68, 69 oder 70 Jahren nicht mehr arbeiten.

Für diese Menschen würde eine Erhöhung des Renteneintrittsalters nichts anderes bedeuten als eine Rentenkürzung, betonte er. Doch wie kann das Rentensystem in Deutschland stabiler werden, kann die Rente auch in der alternden Gesellschaft sicher bleiben? In unserer Serie „3 auf 1“ nehmen dazu drei Expertinnen Stellung. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Die pauschale Erhöhung der Regelaltersgrenzen ist nicht gerecht

Die sukzessive Anhebung des gesetzlichen Rentenalters auf 67 wird erst 2031 abgeschlossen sein und hat schon jetzt dazu geführt, dass viele Menschen erst ab einem deutlich höheren Alter Rente beziehen können.

Bedenklich ist, dass immer mehr Menschen aus psychischen Gründen Erwerbsminderungsrenten beziehen oder unter Inkaufnahme von Abschlägen die erste mögliche „Exit-Option“ in die Rente wählen.

Bevor wir weiter darüber diskutieren, die Regelaltersgrenze anzuheben, sollten wir deshalb den Fokus darauf lenken, wie Erwerbsarbeit so gestaltet werden kann, dass mehr Erwerbstätige gesund das gesetzliche Rentenalter erreichen.

Gegen eine pauschale weitere Erhöhung der Regelaltersgrenzen spricht auch, dass sie zu einer weiteren Umverteilung von „arm“ nach „reich“ führen würde: Arme und wenig gebildete Menschen haben eine geringere Lebenserwartung und wären deshalb überproportional betroffen.

Die finanzielle Lage der Rentenversicherung hat sich in den vergangenen Jahren besser entwickelt, als vielfach prognostiziert und es gibt eine Reihe anderer Stellschrauben, um sie weiter zu stabilisieren. 


Ein höheres Rentenalter bedeutet nicht nur für die Jüngeren eine Rentenkürzung

Die Herausforderungen bei der Alterssicherung sind groß. Die Rente ist eine Verteilungsfrage und sozial zu beantworten. Ein höheres Rentenalter ist real für hart arbeitende Menschen und für die jüngere Generation eine Rentenkürzung. Denn wer länger arbeiten muss, stirbt früher und bezieht deshalb weniger Jahre Rente.

Das gilt besonders für fordernde Jobs: Wer Schicht schiebt im Krankenhaus, bei Wind und Wetter auf dem Bau arbeitet oder unter Zeitdruck Pakete ausliefert, hat oft eine kürzere Lebenserwartung. Auch für die Jüngeren ist das Hochdrehen der Altersschraube ungerecht. Länger einzahlen und arbeiten bedeutet weniger Jahre Rente bis zum Tod.

Statt sich für die Gewinne der Arbeitgeber kaputt zu arbeiten, haben die Gewerkschaften eine andere Lösung: Eine Tarifwende für höhere Löhne sorgt auch für bessere Renten. Kluge Arbeitgeber können jetzt schon ihre Beschäftigten länger halten. Mit besseren Bedingungen und sozial sicherer Arbeit statt Minijobs schaffen sie mehr Chancen für altersgerechte, gesunde Arbeit in den Betrieben.


Die Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung zu koppeln, wäre ein Schritt in richtige Richtung

Wir leben immer länger und bleiben dabei auch immer länger gesund. Nach heutigem Rechtsstand wird die Regelaltersgrenze noch bis zum Jahr 2031 auf 67 Jahre angehoben.

Bleibt es nach 2031 bei einer Regelaltersgrenze von 67 Jahren und möchte man ein gewisses Rentenniveau sichern, bedeutet das für ein Rentensystem, das im Umlageverfahren organisiert ist, dass die nachhaltige Finanzierung des Systems gefährdet ist. So weit, so bekannt.

Weniger bekannt ist, dass vor allem die jüngere Wahlbevölkerung die Notwendigkeit, über 67 Jahre hinaus zu arbeiten, sehr viel deutlicher erkennt als ältere Wählerinnen und Wähler, die kurz vor dem Ruhestand stehen oder bereits aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind. Dabei sind die jungen Wähler unter 50 Jahren genau diejenigen, die eine Anhebung der Regelaltersgrenze schultern würden.

Wir brauchen keine Zeitenwende für die gesetzliche Rente. Wir brauchen den Mut zum Weitblick, um das deutsche Rentensystem resilient gegenüber demografischen Veränderungen zu machen. Eine dynamische Anpassung der Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung wäre ein Schritt in diese Richtung.

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