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Bundeskanzler Olaf Scholz (r) und der senegalesische Präsident Macky Sall (l) vor ihrem Treffen am Rande der Konferenz «Compact with Africa».

© dpa/Filip Singer

Mit Afrika auf Augenhöhe: Großes Potenzial erfordert große Investitionen

Viele afrikanische Staaten haben in den vergangenen Jahren ein neues Selbstbewusstsein entwickelt. Aktuell stellt vor allem China genau das bereit, was die Länder am ehesten brauchen: Investitionen in Milliardenhöhe.

Beste Bedingungen für Sonnen- und Windenergie. Hoffnungsträger für grünen Wasserstoff. Riesige Flächen für Landwirtschaft. Das wirtschaftliche Potenzial der 54 afrikanischen Staaten ist enorm. Darüber sind sich auf dem Afrika-Gipfel am Montag in Berlin wahrscheinlich alle einig. Einigkeit besteht auch darin, dass es dafür eine Partnerschaft auf Augenhöhe braucht. Es gehe „um einen Pakt mit Afrika, nicht über Afrika“, sagte etwa der senegalesische Präsident Macky Sall.

Zum vierten Mal kommen Staats- und Regierungschefs sowie Delegationen von 18 afrikanischen Ländern mit Vertretern der deutschen Regierung sowie multilateraler Organisationen zum G20-Investitionsgipfel der Subsahara-Afrika Initiative der deutschen Wirtschaft (SAFRI) zusammen. Aus der Bundesregierung nehmen sowohl Kanzler Olaf Scholz als auch Wirtschaftsminister Robert Habeck und Entwicklungsministerin Svenja Schulze teil. Im Fokus der Gespräche steht, die deutsch-afrikanische Wirtschaftskooperation vor allem in den Schlüsselbereichen Energie, Infrastruktur und Technologie zu vertiefen.

„Ich glaube, dass das afrikanische Selbstbewusstsein berechtigt ist“, sagte der deutsche Bundeskanzler in seiner Eröffnungsrede. Die Bevölkerung ist jung und wächst schnell. Die Wirtschaft wächst in vielen afrikanischen Staaten kräftig. „Verzicht zu predigen, wird nicht funktionieren“, sagte Scholz. Das sei auch nicht glaubwürdig, da auch der deutsche Wohlstand auf Wachstum und der Förderung fossiler Energien aufgebaut wurde. Und doch müsse man Wege finden, wie Wachstum funktionieren könne, ohne den Planeten zu zerstören.

China stellt Milliarden für Infrastruktur bereit

Doch dafür brauchen die Länder vor allem Investitionen. Und die hat in den vergangenen Jahren insbesondere China bereitgestellt. Seit bereits zehn Jahren investiert die Volksrepublik im Rahmen der Neuen Seidenstraße Milliarden in Schienen, Brücken, Straßen oder Häfen. „China kann Investitionen, Kredite und politische Unterstützung aufeinander abgestimmt anbieten“, sagt Entwicklungsexperte Sven Grimm vom German Institute of Development and Sustainability (IDOS) dem Tagesspiegel. Dadurch sei die Wahrnehmung Chinas in der afrikanischen Öffentlichkeit sehr positiv.

Für deutsche Firmen spielt der nach Asien bevölkerungsreichste Kontinent weiter nur eine untergeordnete Rolle. Zwar gehört Deutschland zu den zehn größten Investoren in Afrika. Zudem lagen die Direktinvestitionen deutscher Firmen in Afrika im Jahr 2021 laut Daten der Bundesbank mit 11,5 Milliarden Euro 30 Prozent höher als noch vor zehn Jahren.

Doch in andere Regionen wurde zeitgleich deutlich mehr investiert. Auch im Jahr 2021 floss weniger als ein Prozent der Investitionen nach Afrika. Fast die Hälfte der Investitionen blieb in Europa, ein Drittel ging nach Amerika und rund 15 Prozent nach Asien.

Dazu fließen bisher allein zwei Drittel der Investitionen nach Südafrika. Hier profitieren bisher mit VW, Daimler und BMW vor allem Autobauer von günstigen Investitionsbedingungen im Kfz-Bereich.

„Der Bedarf afrikanischer Länder an Investitionen bleibt kolossal", sagte der Präsident der Afrikanischen Union, Azali Assoumani, in Berlin. Die Länder stünden vor großen Finanzierungslücken, vor allem wegen exogener Schocks wie der Corona-Pandemie.

Das hat man auch in Brüssel und Berlin erkannt. Um dem wachsenden Einfluss Chinas auf dem afrikanischen Kontinent zu begegnen, will die EU-Kommission bis 2027 ebenfalls 300 Milliarden Euro in Energie-, Transport- und digitale Infrastruktur investieren. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte am Montag weitere vier Milliarden Euro bis 2030 für die Energiewende in Afrika an.

Scholz: „Sie können auf Deutschland zählen“

Doch es geht nicht nur um Investitionen allein. Auch im Handel mit afrikanischen Staaten gibt es ein erhebliches Steigerungspotenzial.

Der Anteil Afrikas am deutschen Handelsvolumen lag im ersten Halbjahr dieses Jahres bei gerade einmal zwei Prozent. Der Anstieg um 9,2 Prozent auf 31,8 Milliarden Euro geht lediglich auf die gestiegenen Preise zurück. Dabei entsteht auf dem afrikanischen Kontinent gerade eine der größten Freihandelszonen der Welt. Experten sehen auch hier enormes Potenzial etwa für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau, den Chemiesektor oder die Medizintechnik.

„Wir brauchen mehr Investitionen und Handel in allen Wirtschaftsbereichen“, sagte Macky Sall in einer Diskussion mit dem deutschen Bundeskanzler. Deutschland sei ein wichtiger Partner. Doch der Präsident Senegals betonte, auch bei der Wahl seiner Partner werde es keine Exklusivität geben. Auch an dieser Stelle wird das neue Selbstbewusstsein afrikanischer Staaten deutlich.

„In der Kooperation mit Afrika sind herkömmliche Entwicklungsmodelle, die einseitig auf Wirtschaftswachstum setzen, längst veraltet“, sagte Anna-Katharina Hornidge, Direktorin des German Institute of Development and Sustainability, dem Tagesspiegel. Fragen nach Verteilung, gesellschaftlichem Zusammenhalt und ökologischer Verträglichkeit stünden immer mehr im Vordergrund."

Die globale Ordnung sortiert sich neu und die Bedeutung Afrikas auch für Europa wächst. Das hat auch die Bundesregierung erkannt. „Wir wollen und müssen ein Partner Afrikas sein“, sagte der Bundeskanzler vor den rund 1000 Teilnehmenden am Montag und versicherte: „Sie können auf Deutschland zählen“.

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