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Der Wind wird wieder rauer. Athen braucht bis zum Sommer Milliarden.

© picture alliance / dpa

Schuldenverhandlungen mit Griechenland: Es geht wieder los

Griechenland braucht bis zum Sommer Geld. Währungsfonds, EZB und Weltbank nehmen die Reformen unter die Lupe. Die Bundeskanzlerin lehnt einen Schuldenschnitt erneut ab.

Alexis Tsipras nennt es die „unrealistischen, zusätzlichen Forderungen“. Christine Lagarde spricht von einem „kohärenten Programm“, das noch nicht auf dem Tisch liegt. Griechenlands linker Ministerpräsident verlangt den sofortigen Abschluss der laufenden Kreditgespräche, die IWF-Direktorin aber diagnostiziert kühl: „Wir sind immer noch ein gutes Stück davon entfernt.“ Bei einem Spitzentreffen am Dienstag sprach Lagarde auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Lage in Griechenland. Merkel lehnte erneut einen Schuldenschnitt für Griechenland ab. Dieser sei innerhalb des Euro-Raums rechtlich nicht möglich, sagte die Kanzlerin. Griechenland müsse seine zugesagten Reformen umsetzen, forderte sie. "Ich glaube, wir sind auf einem vernünftigen Weg, aber wir sind noch nicht am Ziel."
Das ohnehin geringe Vertrauen zwischen Tsipras und Lagarde hat nach der Wikileaks-Affäre vom vergangenen Wochenende erneut gelitten. Das Telefongespräch, das Delia Velculescu, die IWF- Vertreterin in Griechenland, am 19. März mit dem Europa-Direktor des IWF, Poul Thomsen, von Athen aus führte, war mutmaßlich von griechischer Seite abgehört worden.

Der IWF sitzt nicht mit am Tisch - will aber Schuldenerleichterungen

Der IWF hat sich bisher nicht an dem dritten Rettungskredit für Griechenland in Höhe von 86 Milliarden Euro beteiligt, sitzt aber gleichwohl am Verhandlungstisch in Athen, zusammen mit den Gläubigern der EU-Seite. Das macht die Regierung des einstigen Sparkursgegners Tsipras wütend. Doch gleichzeitig braucht sie den Währungsfonds: Als Einziger plädiert der IWF von Beginn an für weitere Schuldenerleichterungen. Deutschland ist gegen einen Schuldenschnitt. „Griechenland wird früher oder später seine Schulden umstrukturieren müssen“, glaubt auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). „Da kommt das Land nicht drum herum – ob das nun in ein paar Wochen passiert, ober erst in ein paar Jahren“, sagte Fratzscher dem Tagesspiegel.
Von einer positiven Bewertung der bisherigen Reformschritte durch den IWF, die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) hängt ab, ob Griechenland weitere 5,8 Milliarden Euro ausgezahlt werden. Ein positiver Abschluss der Prüfungen ist auch Voraussetzung für mögliche Schuldenerleichterungen. „Meine Hoffung ist, dass wir mit der Überprüfung Anfang Mai zum Ende kommen – vor dem griechisch-orthodoxen Osterfest“, sagte der Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, Klaus Regling, am Dienstag in Luxemburg.

Tsipras braucht schnell einen Erfolg

Stärker als die Vertreter von EZB, ESM und EU-Kommission haben die IWF- Ökonomen die mittelfristige Leistungskurve der Griechen im Blick: In zwei Jahren soll Griechenland einen bisher nie erreichten Primärüberschuss von 3,5 Prozent erwirtschaften. Dazu hatte sich die Regierung Tsipras beim Abschluss des Rettungskredits im Sommer 2015 verpflichtet. Die Maßnahmen, die Athen in den vergangenen Monaten umgesetzt hat und nun für dieses Jahr plant, reichen nach Ansicht der IWF-Vertreter aber keinesfalls, um 2018 die 3,5 Prozent zu schaffen. Sie halten Sparanstrengungen in Höhe von etwa 2,5 Prozent des BIP für dieses Jahr und insgesamt vier bis fünf Prozent bis 2018 für notwendig – neun Milliarden Euro oder mehr. Nicht machbar ohne „größere Einsparungen bei den Renten“, erklärte Poul Thomsen schon im vergangenen Februar. 2,5 Prozent Sparleistungen in diesem Jahr und vielleicht doppelt so viel bis 2018 sind jedoch Forderungen, die nach Ansicht Athens weit über die Ziele hinausschießen, die vereinbart worden waren.
Tsipras braucht schnell einen Erfolg bei den Verhandlungen mit den Gläubigern. Seine Koalition mit den Rechtspopulisten hat nach der Wiederwahl im September 2015 rasch an Kraft verloren. Die Mehrheit im Regierungslager schrumpft zeitweise auf eine Stimme, wie eine Abstimmung vergangene Woche zeigte. Zu groß ist die Desorientierung in der linksgerichteten Regierungspartei Syriza über den Sparkurs und die neue harte Haltung gegenüber den Flüchtlingen geworden. Schon liegt die konservative frühere Regierungspartei Nea Dimokratia mit ihrem neuen Vorsitzenden Kyriakos Mitsotakis in den Umfragen wieder klar in Führung.

Viele Einwände gegen die Rentenreform

Der IWF hat zahlreiche Einwände gegen diese Reform, die Platon Tinios, ein Universitätsprofessor und Kenner der griechischen Sozialversicherungswelt, gleichwohl „clever“ und für eine linksgerichtete Regierungspartei mutig nannte. Der 170 Seiten lange Entwurf räumt mit der Vielzahl der Pensionskassen auf und kürzt nochmals um mindestens 15 Prozent die Renten jener, die unmittelbar vor dem Eintritt in den Ruhestand stehen. Der IWF fordert dagegen unter anderem längere Beitragszeiten für die neue Mindestrente von 384 Euro – 25 Jahre statt der von der Linken geplanten 15 Jahre.

Sollten die Verhandlungen über weitere Milliardenhilfen scheitern, droht im Sommer wieder der Zahlungsausfall des griechischen Staats. Eben deshalb reagierte Tsipras so allergisch auf das Telefongespräch der IWF-Vertreter. Poul Thomsen brachte eine Verzögerung der Kreditgespräche in Athen bis zum britischen EU-Referendum im Juni ins Spiel. Athen will einen Abschluss der Gespräche, die sich schon seit Anfang Februar hinschleppen, innerhalb der nächsten Tage. Denn bei der Frühjahrstagung des IWF in Washington Mitte April soll das Thema Schuldenerleichterung für Griechenland auf die Agenda. mit rtr und dpa

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