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Der Wertgigand ist eine Skulptur des Aktionskünstlers HA Schult, die auch immer wieder in Berlin zu sehen ist (hier 2022 auf dem Messegelände). Sie repräsentiert die Menge an Elektroschrott, die alle 72 Sekunden allein von deutschen Haushalten produziert wird. 

© Andreas Mühl

Das Recht auf Reparatur: So wollen Politik und Verbraucherzentralen den Elektroschrott eindämmen

Zu Hause gelagerte oder falsch entsorgte Elektrogeräte werden immer mehr zum Problem. Sogar die Internationale Funkausstellung hat das jetzt thematisiert. Welche Lösungen gibt es?

Von Andreas Mühl

Viele kennen die Situation: In der Schublade tummeln sich Smartphones von Nokia über Blackberry bis zum iPhone. Im Keller steht Unterhaltungselektronik oder ein ausrangierter Kühlschrank. Da kommt einiges an Rohstoffen zusammen, die eigentlich der Kreislaufwirtschaft zugeführt werden müssten. Statistisch lagern laut einer Studie der GFU, die die Internationale Funkausstellung (IFA) in Berlin veranstaltet, in jedem Haushalt 45 Kilogramm Stahl, vier Kilogramm Kupfer, drei Kilogramm Aluminium und 0,3 Gramm Gold.

Das Problem ließe sich lösen, wenn dieser Elektroschrott zum Recyclinghof gebracht würde. Oder noch besser: Er entsteht gar nicht in diesen Dimensionen. Dass ausgerechnet die erst vor wenigen Tagen zu Ende gegangene IFA, die größte Messe für Elektronikgeräte aller Art, das Thema „Reparatur“ ins Blickfeld rückte, mag verwundern. Denn gerade in der Unterhaltungselektronik setzen Hersteller auf permanente Innovation, um den Konsum am Laufen zu halten. HD+, 4K, 8K: Bei TV-Geräten bekommt als Konsument schnell das Gefühl vermittelt, technisch nachrüsten zu müssen.

Der Weg in die Werkstätten soll attraktiver werden

In Thüringen werden seit 2021 Erfahrungen gesammelt, inwieweit die Bevölkerung überhaupt für Reparaturen zu sensibilisieren ist. „Pionier auf diesem Gebiet ist Österreich“, sagt Stefan Eisentraut von der Verbraucherzentrale Thüringen. Das Ziel ist gleich, der Weg in Thüringen etwas anders. „Wir unterstützen pro Jahr und pro Person eine Reparatur mit maximal 100 Euro.“ Das klingt nicht sehr üppig, aber letztlich geht es darum, den Weg in Werkstätten attraktiv zu gestalten. Seit Projektstart sei das Angebot 21.456 Mal in Anspruch genommen worden, 1,6 Millionen Euro als Reparaturbonus wurden ausgeschüttet. Die dafür eingereichten Rechnungen summieren sich auf 3,8 Millionen Euro.

Wir waren positiv überrascht, wie stark der Reparaturbonus angenommen wurde

Stefan Eisentraut, Vebraucherzentrale Thüringen

„Für uns war das ein Test mit völlig offenem Ausgang“, bilanziert Eisentraut. Gibt es genug Werkstätten? Reagiert die Bevölkerung? Sein Fazit: „Wir waren positiv überrascht.“ Und auch die Zahl der Werkstätten sei sogar im ländlichen Raum vorhanden. 2024 soll es weitergehen, wie auch im Nachbarland Sachsen, das schon ab 1. Oktober seinen Bürgerinnen und Bürgern bei der Reparatur von Elektrogeräten ebenfalls finanziell unter die Arme greift. Für zwei Jahre stehen 2,5 Millionen Euro zur Verfügung. Nach Angaben des Umweltministeriums können bei Reparaturen ab einem Rechnungsbetrag von 75 Euro die Hälfte der Kosten geltend gemacht werden. Der Zuschuss ist auf 200 Euro pro Reparatur begrenzt.

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Wenn wundert es, dass bei den reparierten Geräten das Smartphone (32 Prozent) ganz oben steht, gefolgt von Wasch- und Kaffeemaschinen. Man habe für die aktuelle Runde sogar das Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) für eine wissenschaftliche Begleitung durch Befragungen gewinnen können. Doch auch aufseiten der Hersteller sollte etwas passieren. „Das Produktdesign muss nachhaltiger werden“, sagt Eisentraut, die Lebensdauer länger. Konnte man bei Smartphones vor einigen Jahren mit ein bisschen Geschick noch selbst einen Akku tauschen, geht das heute oft nicht mehr, weil die Gehäuse verklebt und die Akkus fest verbaut sind.

Manche Hersteller bieten bereits an, „weiße Ware“ nur zu mieten

Bei der „weißen Ware“, also klassischen Haushaltsgeräten, haben einige Hersteller bereits eine Miete im Angebot. So bietet Miele diesen Service für drei Jahre an. Dann wird das Gerät ausgetauscht, abgeholt und geht aufbereitet in eine weitere Vermietung. Liebherr setzt bei Kühl- und Gefriergeräten der nächsten Generation auf eine Modulbauweise. Für die Kälteisolierung nutzt man ein Vakuum. Das soll zirkuläres Produktdesign ermöglichen und helfen, nicht recycelbaren Abfall zu vermeiden.

Auch der Gesetzgeber ist aktiv. Die EU-Kommission arbeitet an einem „Recht auf Reparatur“. Dieses umfasst ein ganzes Bündel an Vorschlägen und formuliert Ansprüche der Verbraucher:innen. Dazu gehört, ganz simpel, dass Hersteller verpflichtet werden, Ersatzteile länger bereitzuhalten. Steffan Vangerow, Geschäftsführer eines Unternehmens in Reutlingen und Vorstand der Initiative „Runder Tisch Reparatur“, unterstützt ein „universelles Recht auf Reparatur“.

Die Herausforderung: Ersatzteile sind teuer, während die Preise für Neugeräte sinken. Vangerow lehnt allerdings die von manchen Initiativen geforderte Gewährleistungsverlängerung ab. Denn dadurch verliere die Qualität als Entscheidungsargument an Bedeutung und Verbraucher würden noch häufiger die billigsten Geräte wählen. Der Anteil der in Asien gefertigten Produkte und Marken könnte weiter steigen. Und natürlich muss auch die Bevölkerung auf allen Ebenen mitmachen: Ein erster Schritt könnte die Entrümpelung von Schubladen und Kellern sein.

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