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VW-Werk: Audi übernimmt in Brüssel

VW hat ein Werk zuviel und Audi Produktionsengpässe. Jetzt übernehmen die Ingolstädter im belgischen Problemwerk von VW das Ruder. Künftig soll dort der A3, später der neue A1 gebaut werden.

Brüssel/Ingolstadt - Im Brüsseler Stadtteil Vorst werden schon bald die VW-Fahnen eingeholt und Audi-Flaggen gehisst. Die Ingolstädter Tochter, schon bisher zuverlässiger Gewinnbringer im Konzern, nimmt der Wolfsburger Mutter das lange ums Überleben kämpfende Brüsseler Werk ab - und damit auch die Probleme mit der Sanierung des Standorts. Statt des Golfs sollen hier künftig der Audi A3 und der geplante neue Kleinwagen der Ingolstädter vom Band rollen.

"Das wurde uns nicht aufoktroyiert, das war unser freier Wille", beeilte sich Audi-Chef Rupert Stadler zu versichern. Dabei war es sein inzwischen an die VW-Spitze gewechselter Vorgänger Martin Winterkorn, der im vergangenen November bei einem Blitzbesuch in Brüssel die Audi-Lösung für das belgische Werk ins Gespräch gebracht hatte. Mit der Aussicht auf den neuen Audi-Kleinwagen hatte er die wegen des geplanten Abzugs der Golf-Produktion streikenden Arbeiter zurück an die Bänder und an den Verhandlungstisch gelockt - und am Ende harte Einschnitte durchgesetzt.

Kampf um die 35-Stunden-Wochen

Nur 2200 der einst 5400 Arbeitsplätze bleiben nun erhalten, die Lohnkosten sinken um 20 Prozent. Noch kämpfen die Gewerkschaften darum, die Wochenarbeitszeit nicht wie von Audi verlangt von 35 auf 38 Stunden zu erhöhen. Zu lange habe man für die 35-Stunden-Woche gekämpft, sagen sie. Doch findet sich bis Sommer keine andere Lösung, müssen sich die Gewerkschaften mit der Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich wohl abfinden. Hunderte Mitarbeiter haben das Werk bereits mit Abfindungen aus Wolfsburg verlassen.

Bei den Gewerkschaften herrscht denn auch nur verhaltener Optimismus. "Dieser Konflikt wird tiefe Wunden hinterlassen. Es wird viel Zeit brauchen diese zu heilen", sagt Jan van der Poorten, Chef der belgischen Gewerkschaft ABVV. "Aber ohne diese Entscheidung hätte es wahrscheinlich überhaupt keine Zukunft für das Werk gegeben. Entweder so oder gar keine Zukunft."

A1-Produktion ab 2009

Für die Auslastung des Werkes muss zunächst weiter der bisherige Hausherr Volkswagen sorgen. Erst Ende 2009 wird die Produktion des neuen Audi-Kleinwagens, der dann A1 heißen könnte, anlaufen - mit rund 100.000 Stück pro Jahr. Von den 84.000 Autos, die in Brüssel bis dahin jährlich vom Band rollen sollen, werden die meisten weiter das Logo der Konzernmutter am Kühlergrill tragen. Zwar soll die Montage des Audi A3 bereits im Sommer anlaufen, doch in diesem Jahr werden wohl nur 14.000 das Werk verlassen, in den beiden kommenden Jahren dann jeweils 38.000. Das sagt zumindest der VW-Konzernbetriebsrat in Wolfsburg.

Audi selbst hält sich mit konkreten Zahlen zu einzelnen Modellen zurück. Mit dem A3 allein wäre das Werk aber nicht zu retten, heißt es auch in Ingolstadt. Die Fertigung des VW Polo werde daher weitergehen, in Zukunft als Audi-Auftragsproduktion für die Konzernmutter. Laut VW-Konzernbetriebsrat sollen bis 2009 pro Jahr 46.000 Polo in Brüssel vom Band rollen - mehr als die Hälfte der zugesicherten 84.000 Autos. Der Golf, von dem hier früher 200.000 pro Jahr gebaut wurden, wird sich dagegen im Sommer endgültig aus Brüssel verabschieden. Im laufenden Jahr könnten noch 24.000 das Werk verlassen.

Audi hat große Pläne

Langfristig aber hat Audi-Chef Stadler große Pläne mit seinem neuen Produktionsstandort, dem vierten nach Ingolstadt, Neckarsulm und Györ in Ungarn. Die zusätzliche Fertigungskapazität sei dringend erforderlich, um das selbst gesteckte Ziel zu erreichen und den Absatz bis 2015 um mehr als die Hälfte auf 1,5 Millionen Fahrzeuge zu erhöhen. Weitere Modellvarianten des Brüsseler Audi-Kleinwagens schließt Stadler daher nicht aus.

Zuvor will Audi die Produktivität seines neuen Werkes aber kräftig erhöhen und die Produktion flexibler machen. Am Ende, so Audi-Produktionsvorstand Frank Dreves, soll Brüssel der produktivste Standort des gesamten VW-Konzerns werden. Und der Ausstoß des Werkes könnte langfristig wieder auf 160.000 Fahrzeuge pro Jahr steigen. (Von Frank Johannsen, dpa)

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