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Wirtschaft: Alle Welt in einem Dorf

Im United World College in Freiburg sollen ab 2014 Schüler aus 70 Nationen zusammenkommen.

Die Kartause ist ein ehemaliges Kloster des Kartäuserordens, das 1346 in Freiburg gegründet wurde. Sie liegt malerisch am Johannisberg inmitten eines Parks mit Klostergarten, umgeben von einem dichten Wald. Im Laufe der Geschichte hat das Kloster nicht nur Mönche und ihre Bibliothek beheimatet, sondern auch als adeliger Wohnsitz, Pflegeheim und zuletzt als Zwischendepot für die Städtischen Museen Freiburg gedient. Der ideale Ort für eine internationale Schule, für das erste United World College (UWC) in Deutschland. Ab 2014 wird es unter dem Namen Robert Bosch College 200 Jungen und Mädchen zwischen 16 und 19 Jahren jeweils zwei Jahre als Lern-, Wohn- und Begegnungsstätte dienen. Die Internatsschüler kommen aus 70 Nationen, 50 von ihnen aus Deutschland – je nach Eignung und völlig unabhängig vom Einkommen der Eltern.

Geplant wird das englischsprachige Oberstufeninternat von der Deutschen Stiftung UWC gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung, die jetzt zusammen mit der Robert Bosch GmbH 40 Millionen Euro in den Schulbau investiert und darüber hinaus die laufenden Kosten des ersten Schuljahres übernimmt. Pünktlich zum 150. Geburtstag des Namensgebers begannen auch im letzten Sommer die Sanierungs- und Bauarbeiten für das Schuldorf auf dem Gelände der Kartause. Hierfür werden unterhalb der Klosteranlage Wohnhäuser für Schüler und Lehrer gebaut, während auf der Nordseite des historischen Gebäudekomplexes ein Pavillonbau geplant ist, in dem die Mensa und das Auditorium des Colleges untergebracht werden.

Aber noch werden archäologische Grabungen abgeschlossen. „Hier wurden hinter dem Hauptgebäude zu Beginn der Bauarbeiten alte Klostermauern gefunden“, erzählt Eva Eschenbruch, Geschäftsführerin des UWC Robert Bosch College. „Was dazu geführt hat, dass wir etwas umgeplant haben. Das Auditorium, das sich über den ganzen Garten erstrecken sollte, wird jetzt doppelstöckig, um die Kirchenreste zu schützen.“

Eschenbruch ist wie viele an dem Projekt Beteiligte selbst UWC-Alumni und seit drei Jahren dabei. „Die Zusammenarbeit mit der Robert Bosch Stiftung ist hervorragend“, sagt sie. „Sie bringt ihre Netzwerke, Kontakte, ihr Projektmanagement und ganz viel Erfahrung ein.“ Die Basis ist dabei das UWC-Bildungsmodell mit seinen Schwerpunkten Völkerverständigung, Verantwortung, gemeinsames Lernen, Diversity und dem Internationalen Baccalaureat (IB) als Abschluss.

Darüber hinaus hat jedes der aktuell zwölf UWC’s auch ein eigenes pädagogisches Profil. Am Robert Bosch College, dem dreizehnten UWC, wird der Fokus auf Nachhaltigkeit, Umwelt und Technik liegen und sowohl fächerübergreifend, als auch in außerschulischen Aktivitäten vermittelt. „Das Konzept haben wir gemeinsam mit Bildungsexperten der Robert Bosch Stiftung, der Jury des Deutschen Schulpreises, Schulleitern von prämierten Schulen und von UWC’s, sowie Fachleuten aus der Praxis erarbeitet“, erklärt Eschenbruch.

Um die Zusammenhänge für die Schüler im Alltag erfahrbar zu machen, ist beispielsweise vorgesehen, dass Monitoringsysteme in den Wohnhäusern installiert werden, damit man für jedes Haus genau ablesen kann, wie viel Energie und Wasser verbraucht werden. „Hinzu kommt, dass die Technikräume zugänglich sein werden, sodass Inhalte aus dem Physikunterricht praktisch erlebt werden können“, erläutert Katharina Burger-Springwald von der Robert Bosch Stiftung. „Denn alle Neubauten werden gemäß dem Freiburger Standard für energetisches Bauen realisiert. Für die Wohnhäuser bedeutet dies zum Beispiel, dass wir die Heizungsversorgung über ein Nahwärmenetz realisieren. Wärme wird teilweise mit regenerativen Brennstoffen und einem Blockheizkraftwerk erzeugt und die Eigenstromversorgung über das Blockheizkraftwerk sowie über Photovoltaikanlagen gewährleistet.“

Hier ist das Schulprofil also nicht nur ein akademisches, sondern ein ganz praktisches. „Inhaltlich haben wir aber noch kein festes Curriculum entwickelt“, sagt Laurence Nodder, der kürzlich berufene Schulleiter. „Wir stellen uns vielmehr der Frage, wie man sich ernsthaft mit Nachhaltigkeit beschäftigen kann. Hierzu werden unsere Schüler, die aus aller Welt mit den unterschiedlichsten sozialen und kulturellen Hintergründen zu uns kommen, Fragen ihrer eigenen Gesellschaft mitbringen, die wir adressieren können. So entsteht ein Austausch untereinander, aber auch zwischen ihren Erfahrungen hier und zuhause. Es geht darum, Herausforderungen und Lösungen aus aller Welt zusammenzubringen – im Unterricht, in Vorträgen und außerschulischen Aktivitäten. Wobei wir für letztere mit Institutionen und Unternehmen aus Freiburg und Umgebung zusammenarbeiten möchten, um unseren Schülern Zugang zur Praxis zu geben.“

Denn, wie Nodder betont, die UWC stehen für eine Bildung, die zu Verantwortung und Handlungsfähigkeit in einer Gesellschaft der Vielfalt erzieht, egal ob in Costa Rica, Mostar, Freiburg oder im südafrikanischen Waterford Kamhlaba, wo der gebürtiger Südafrikaner 14 Jahre lang das UWC geleitet hat bevor er im Dezember mit seiner Familie nach Freiburg gezogen ist. Aber das Leben an einem UWC sei auch aufregend und bewegend.

„Junge Menschen unterschiedlicher Herkunft lernen Schritt für Schritt zusammenzuleben. Dabei werden sie von Lehrern begleitet, die ihren Beruf als Berufung begreifen und nicht nur fachliche, sondern auch menschliche Kompetenz vermitteln“, so Nodder. „Was dabei die UWC von anderen Internaten unterscheidet, ist, dass alle Schüler freiwillig da sind. Sie haben sich selbst beworben und wollen da sein, auch wenn es teilweise anders ist, als sie es sich vorgestellt haben.“ Das mache die UWC’s aber auch so spannend.

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