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Hilfreich. Mit Antibiotika werden die meisten Infektionen rasch besiegt.

© dpa

Infektionen und Resistenzen: Antibiotika besser nur kurz einnehmen

Lange galt, dass ein Antibiotikum über längere Zeit genommen werden muss. Auch dann, wenn man wieder gesund ist. Das ist überholt.

Wir machen das immer so! Das ist ein Satz, der auch in der Medizin gilt. Behandlungen erfolgen oft auf eine ganz bestimmte Weise, ohne dass man eigentlich genau weiß, warum. Wir haben es stets so gemacht, und deshalb muss es richtig sein.

Muss es nicht, wie das Beispiel der Antibiotika lehrt. Es gehört zu den ehernen Regeln, dass die gegen Bakterien gerichteten Medikamente (etwa Penicilline oder Tetrazykline) mindestens über einen bestimmten Zeitraum eingenommen werden. Beliebt sind etwa „sieben Tage“ – ein später Tribut an Kaiser Konstantin, der im Jahr 321 die Sieben-Tage-Woche einführte. Das gilt auch dann, wenn die Beschwerden schon nach zwei Tagen vorüber sind. Trotzdem heißt es: Weiter schlucken, in diesem Fall fünf Tage!

Wer das Mittel zu lange nimmt, riskiert Resistenzen

Begründet wird diese Regel hauptsächlich damit, dass man Resistenzen vorbeugen wolle. Also dem Entstehen von Bakterienstämmen, die den Antibiotika trotzen. In Wahrheit geht der Versuch, durch längere Einnahme auf Nummer sicher zu gehen, eher nach hinten los, wie eine wachsende Zahl von Studien (und der gesunde Menschenverstand) lehren. Nach der Genesung eingenommene Antibiotika unterdrücken nicht etwa die Bildung von Resistenzen, sondern fördern sie. Das Medikament erhöht den Selektionsdruck unter den Bakterien, es begünstigt jene Stämme, die resistent sind, und lässt die anderen untergehen. Ergo: Antibiotika-Gabe nur so lange wie unbedingt nötig. Das ist am besten für den Patienten – und den Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen.

„Kürzer ist besser“ sollte das neue Mantra in der Antibiotika-Behandlung werden, fordert daher der Infektionsexperte Brad Spellberg von der Universität von Südkalifornien in Los Angeles. Spellberg verweist darauf, dass jede solide Untersuchung, in der Kurzzeit- und Langzeit-Therapie verglichen wurden, zugunsten der kürzeren Behandlung ausging. Das betraf etwa Lungenentzündungen, Haut-, Harnwegs- und Bauchhöhleninfektionen und akute Nasennebenhöhlenentzündungen.

Chronische Entzündungen brauchen weiter Langzeit-Behandlung

„Den Patienten sollte mitgeteilt werden, dass sie sich, sobald sie sich besser fühlen und die Symptome der Infektion schwinden, an ihren Arzt wenden, um zu entscheiden, ob die Einnahme des Antibiotikums früher beendet werden kann“, rät Spellberg. Jedoch: Keine Regel ohne Ausnahme, das gilt auch hier. Vor allem chronische Infektionen wie ein Knochenbefall, Tuberkulose und eine Entzündung durch Aktinomyzeten („Strahlenpilz“) benötigen weiter längere Antibiotika-Kuren.

Eine neue Studie bestätigt Spellbergs Einschätzung voll und ganz. Spanische Ärzte behandelten Patienten mit Lungenentzündung entweder nach altem Langzeit-Schema (zehn Tage) oder lediglich für fünf Tage, sofern die Krankheit bis dahin zurückgewichen war, was bei 70 Prozent der Fall war. Ergebnis der im Fachblatt „Jama Internal Medicine“ veröffentlichten Untersuchung: Die kurze Behandlung war mindestens so wirksam wie die lange, teilweise sogar besser. Das würde auch Kaiser Konstantin freuen.

Unser Kolumnist leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegels und schreibt an dieser Stelle alle vier Wochen. Haben Sie eine Frage zu seiner guten Nachricht? Bitte an: sonntag@tagesspiegel.de

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