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Das Hotel Ellington in der Nürnberger Straße direkt am Ku'Damm wurde 2007 eröffnet.

© imago/Jürgen Ritter

Hotel Ellington: One-Night-Stand mit Ella Fitzgerald

Das Ellington ist ein richtiges Abend-Hotel, eines, das sich am besten mit einem guten Drink von der Bar genießen lässt.

Shopping ist nicht so mein Ding, und große Kaufhäuser meide ich, wenn es geht. Deshalb wehe ich an diesem stürmischen Frühlingsabend ziellos wie eine leere McDonald’s-Tüte über den Tauentzien.

Irmgard Keuns kunstseidene Mädchen leben also noch, sie flanieren in Rudeln durchs KaDeWe, probieren Parfum aus, kichern, drücken unerreichbare Handtaschen wie Babys an sich. Ob sie, so wie Doris in Keuns Roman, auch

ein Cervelatwurstbrot von der Klofrau annehmen würden?

Widerwillig betrete ich Uniqlo, diesen Light- und Lasershow gewordenen Palast. Echt jetzt, das französische Dessous-Label Princesse TamTam hat eine eigene Bademoden-Kollektion für den japanischen Multi entworfen? Toll, aber mich in der Anprobe aus dem dicken Wintermantel zu schütteln, bringe ich nicht übers Herz.

In der Nürnberger Straße überlege ich kurz, mir stattdessen in einem kleinen Ladenlokal eine Wimperndauerwelle machen zu lassen, dafür muss man sich nicht entkleiden, doch das Geschäft schließt vor meinen Augen. Und die perfekte Welle, sie rauscht sowieso auf der anderen Straßenseite entlang – als 185 Meter lange, mit Travertin verkleidete Natursteinfassade des Ellington Hotels, einem Monument der Neuen Sachlichkeit.

Ist das etwa eine Bibel auf dem Nachttischchen

In der weißen Lobby steht das Jazz-Aquarium, von hier sendet Jazz Radio. Count Basie und Ella Fitzgerald sind in diesem Haus aufgetreten. Beinahe an jeder Wand hängen Schwarz-Weiß-Fotos von Musikern mit Blasinstrumenten und Mikrofonen im Gesicht. Im „Duke“, dem angeschlossenen Restaurant, verbreiten sie gekonnt Fine-Dining-Atmosphäre.

Das Ellington ist ein richtiges Abend-Hotel, eines, das sich am besten mit einem der guten Drinks von der Bar genießen lässt. Das Getränk und der Zauber des Treppenhauses mit seinem Handlauf aus Keramik und den vergoldeten Schriftzügen an den Wänden lassen einen den Personenaufzug und die Einkaufsstraßen vergessen.

Doch was ist das? Etwa eine Bibel? Nein. Auf dem Nachttischchen liegt ein eigens fürs Hotel zusammengestellter Kurzgeschichtenband – versehen mit dem Hinweis, auch Barack Obama lese jeden Abend in einem Buch. Na gut, dann muss ja was dran sein!

Nach einer traurigen Story über eine alte Dame in Reizwäsche (Uniqlo?), die sich im Ellington auf einen One-Night-Stand mit einer ebenfalls alten Bekannten einlässt, bin ich froh, dass die Wimpernwelle nicht mehr geöffnet hatte: Ich darf die Augen jetzt schließen.

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