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Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin und Professor für Mathematik an der FU Berlin.

© dpa/Jörg Carstensen

Präsidentenkolumne: Regeln, Bildung und Wissenschaft

Um über den Krieg in Gaza zu sprechen, müssen wir dazu eine konstruktive und produktive Debatte erreichen, schreibt Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin.

Weltweit wird an Universitäten gegen den Krieg in Gaza und die dortige humanitäre Katastrophe protestiert und demonstriert. Ist das ein Problem? Ja, wenn die Universität als Bühne verwendet wird, ohne die gemeinsamen Werte zu achten, die die Grundlage der Hochschule als Gemeinschaft bilden. So wird vielfach beim Demonstrieren der Auslöser und Grund des Krieges, der Terror-Angriff der Hamas auf Israel, ausgeblendet oder sogar geleugnet.

Die Folgen der aktuellen Eskalation in der Region sind nicht abzusehen. Antisemitische Parolen und Narrative – menschenfeindlich und geschichtsvergessen – werden laut geäußert. Da gibt es keine Basis für Austausch. Von den Universitätsleitungen in Haifa und Jerusalem und von Studierenden dort habe ich vor Ort erfahren, wie sie es schaffen, universitäre Gemeinschaft nicht durch Kontroversen spalten zu lassen.

Das beeindruckt. Wir können davon lernen. Natürlich stehen auch die großen, kon­troversen Themen dieser Welt bei uns an der Freien Universität zur Diskussion. Wir müssen dazu eine konstruktive und produktive Debatte erreichen. Was braucht es dafür? Dreierlei: Regeln, Bildung, Wissenschaft.

Klare Regeln sichern die Gemeinschaft. Übertretungen werden sanktioniert. Dazu gehört auch, dass wir Antisemitismus und Diskriminierung in jeder Form entschieden entgegentreten. Wir sind eine universitäre Gemeinschaft, die Jüdinnen und Juden vor Anfeindungen schützt, genauso wie wir die palästinensischen, muslimischen und arabischen Mitglieder unserer Universität schützen.

Wir müssen gegen Hass und Spaltung zusammenstehen. In den vergangenen Monaten wurde angesichts von Antisemitismus und Gewalt nach „harten Maßnahmen“ gerufen, auch über geltende Gesetze hinaus – das führt nun wohl zu einer überhasteten Wiedereinführung von Ordnungsrecht in Berlin. Aber nur mit Strafmaßnahmen und Exma­trikulationen lässt sich ein Gefühl von Sicherheit in der Gemeinschaft nicht herstellen.

Im Zentrum der Universität stehen Bildung, Wissen und Dialog. Bildung findet statt, dafür ist die Universität da. Krieg und Frieden, Geschichte und Gegenwart, Israel und Gaza, der Nahostkonflikt in seiner Komplexität, all dies sind Bestandteile der Lehrpläne. Natürlich nehmen wir die Ausbildung von Lehrkräften besonders in den Blick. Viele zusätzliche Veranstaltungen laden zum Dialog. Das ist gut: Bildung wirkt.

„Mehr Licht, mehr Wissenschaft!“, mag man rufen, wenn in den aktuellen Kontroversen Begriffe wie Genozid und Kolonialismus in Stellung gebracht werden. Die Wissenschaft an der Freien Universität ist da in ihrer ganzen Breite gefragt, durch Forschung und Lehre in ihren sogenannten „kleinen Fächern“ sowie in der Politikwissenschaft, Philosophie und Geschichte, der Literatur und Kultur, den Regionalstudien und in fächerübergreifenden Studiengängen. Und ich weiß: Wissenschaft hilft verstehen!

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