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Da geht's lang. Thomas Müller führte den FC Bayern ins Pokal-Viertelfinale.

© Imago/MIS

Hyperaktiver Regisseur in Top-Form: Warum Thomas Müller beim FC Bayern unverzichtbar ist

Beim FC Bayern ist Thomas Müller momentan der wichtigste Spieler. Das liegt daran, dass er nie zur Ruhe kommt – und über seine Mitspieler bestimmt.

Als Schiedsrichter Sascha Stegemann einen Freistoß für die TSG Hoffenheim pfiff, konnte Thomas Müller zeigen, wie sehr er Multi-Tasking beherrscht. Der Spieler des FC Bayern München zog Jerome Boateng, der sich gerade beim Schiedsrichter aufregen wollte, weg.

Dann beschwerte sich Müller selbst bei Stegemann über den Pfiff. Nur ein paar Sekunden, schon drehte sich Müller um zu Manuel Neuer und fragte den Torwart, wie viele Leute in der Mauer stehen sollen. Müller griff sich zwei seiner Mitspieler und zog sie auf die vorgegebenen 9,15 Meter Abstand zum Freistoßschützen. Der Freistoß brachte Hoffenheim nichts ein, Müller trabte wieder zum Mittelkreis, um anspielbar zu sein.

Thomas Müller hat in allen Pflichtspielen 2020 getroffen

Das war nur eine Szene beim 4:3-Sieg der Bayern gegen Hoffenheim im Achtelfinale des DFB-Pokals. Doch auch in jeder weiteren Minute des Spiels wurde deutlich, wie groß Müllers Anteil am Erfolg der Münchner ist. Er ist im ständigen Hoch-Aktivitätsmodus und deshalb derzeit mal wieder Bayerns wichtigster Spieler.

Klar, es sind auch die Tore und Vorlagen, mit denen Müller den Bayern hilft. Zwei Mal traf er gegen Hoffenheim, das erste Tor von Lewandowski bereitete er vor. Nun hat der ehemalige Nationalspieler in allen Pflichtspielen des Jahres 2020 getroffen.

Seit Hansi Flick das Traineramt von Niko Kovac übernommen hat, läuft es für ihn hervorragend: 16 Scorerpunkte gelangen Müller in 14 Pflichtspielen von Flick. „Natürlich habe ich grade einen guten Lauf. Aber ich habe mein Spiel nicht verändert. Das Spiel der Mannschaft ist besser”, sagte Müller nach dem Spiel.

Noch wichtiger als Tore und Vorlagen ist Müllers Verhalten auf dem Platz. Das wird vor allem in den Spielunterbrechungen deutlich, in denen er permanent in Bewegung ist. Dann hebt Müller den Daumen für eine misslungene Flanke von Joshua Kimmich, applaudiert für einen gewonnen Zweikampf von Corentin Tolisso, geht zu Schiedsrichter Stegemann und erkundigt sich wegen einer Abseitsentscheidung.

Reingeguckt. Thomas Müller überragte gegen die TSG Hoffenheim.
Reingeguckt. Thomas Müller überragte gegen die TSG Hoffenheim.

© Sven Hoppe/dpa

Kurz darauf zeigt er einen Daumen für Boateng, geht zu Boateng und gibt ihm taktische Anweisungen, applaudiert für Boateng, versucht mit wilden Gesten seine Mannschaft zu beruhigen. Dann scherzt Müller kurz mit Gegenspieler Andrej Kramaric, trifft Trainer Flick an der Seitenlinie zum kurzen Austausch, zeigt Tolisso, wen der zu decken hat, applaudiert und spricht wieder mit Boateng.

„Wir wollten uns immer wieder abstimmen, die Viererkette mit den Spielern davor“, sagte Müller nach dem Spiel zu seinen vielen Anweisungen. „Wir haben uns auch exzellent abgestimmt – nur umgesetzt haben wir es nicht so gut.“ Er könnte auch sagen: „Ich habe es exzellent abgestimmt.“ Aber sowas würde Müller nicht sagen. Dabei wirkte er auf dem Platz wie ein hyperaktiver Theaterregisseur, der eigentlich gerne jede Rolle selber spielen würde, weil er weiß, dass er es besser kann, und deshalb immer wieder Tipps gibt.  

Nicht nur in den Spielunterbrechungen ist Müller am Gestikulieren und Reden. Auch während des Münchner Ballbesitzes zeigt er an, wohin Boateng oder Kimmich oder wer auch immer den Ball spielen sollen. Sogar seinem Torwart Manuel Neuer gibt Müller Passanweisungen. Zusätzlich zu „Angekommene Pässe“ müssten die Fußball-Statistiker beim FC Bayern eine Kategorie „Angekommene Pässe auf Fingerzeig von Thomas Müller“ einführen.

Am Sonntag können die Bayern die Tabellenführung ausbauen

Denn seine Mitspieler hören auf ihren Regisseur. Dabei könnte Müllers Verhalten für sie schnell anstrengend sein. Aber seine Ansagen und sein Auftreten bringen Erfolg. Die Bayern stehen im Viertelfinale des DFB-Pokals und sind Tabellenführer in der Bundesliga. Im Topspiel gegen Leipzig am Sonntag können sie den Vorsprung ausbauen.

Außerdem vergisst Müller nie, seine Mitspieler zu loben. Immer wieder reckt er nach hohen Flanken oder Zweikämpfen von Kimmich oder Tolisso einen Daumen in die Luft, manchmal ohne genauen Adressaten, manchmal mitten im laufenden Spiel, ohne dass ihn überhaupt ein Mitspieler wahrnimmt. Müller zeigt den Daumen, um ihn zu zeigen, als Zeichen für sich und für das Publikum: Alles ist gut, wir gewinnen das Spiel schon. „Ich bin ja sehr positiv eingestellt“, sagt er über sich.

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Doch selbst der positiv eingestellte Müller hatte im vergangenen Jahr traurige Tage. Unter Kovac saß er oft nur auf der Bank, es wurde über einen Wechsel in der Winterpause spekuliert. Die Traumbeziehung zwischen Bayern und Müller stand vor dem Aus. Seit Flick Cheftrainer ist, sind solche Gedanken vergessen. Bayern Präsident Herbert Hainer sagte dem „Kicker“, er könne sich „im Moment einen FC Bayern ohne Thomas sehr schwer vorstellen". Der Klub will den Vertrag, der 2021 endet, verlängern.

Was nämlich passiert, wenn Müller mal nicht auf dem Platz steht, ließ sich ab der 81. Minute beobachten. Dann wurden er und Robert Lewandowski beim Stand von 4:1 ausgewechselt, Michael Cuisance und Joshua Zirkzee kamen neu ins Spiel. Sofort erzielte Hoffenheims Munas Dabbur das 4:2, die Münchner Defensive war auf einmal planlos, kurz darauf verkürzte Dabbur sogar auf 4:3. Dabei blieb es.

Müller hatte danach Mitleid mit den Einwechselspielern. „Die Jungs, die reingekommen sind, machen auch im Training einen guten Job”, sagte er. „Es hat mir ein bisschen leid getan, dass die vielleicht mit einem schlechten Gefühl nach Hause gehen. Das müssen sie aber gar nicht.“ Er selbst stand nach seiner Auswechslung aufgeregt an der Werbebande. Und trotz Temperaturen um die null Grad in der Münchner Arena zog er sich keine Jacke an.

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