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Jérôme Boateng ist als Trainingsgast zum FC Bayern zurückgekehrt.

© dpa/Tom Weller

Rückkehr von Jérôme Boateng : Der FC Bayern wirft seinen moralischen Kompass über Bord

Der FC Bayern wird Jérôme Boateng wohl in dieser Woche erneut mit einem Vertrag ausstatten. Die Entscheidung für ihn ist in vielerlei Hinsicht fatal.

Ein Kommentar von Charlotte Bruch

Die große Rückholaktion des verlorenen Sohnes vom Fußball-Bundesligisten FC Bayern, Jérôme Boateng, ist auf der Zielgeraden. Am Sonntag trainierte der 35-Jährige bereits mit bester Laune an der Säbener Straße in München, die Vertragsunterschrift wird in dieser Woche erwartet. Für Boateng, der bei Olympique Lyon im Sommer aus sportlichen Gründen keinen neuen Vertrag erhielt, hätte es nicht besser laufen können. Für Bayern hingegen nicht schlechter. Und das auf mehreren Ebenen.

Bei Boatengs Abschied Richtung Lyon vor zwei Jahren hatten die Münchner Verantwortlichen öffentlich verlauten lassen, dass sie froh seien, die Personalie Boateng beim FC Bayern abgeschlossen zu haben. Diese Ansicht hat sich offensichtlich in Windeseile ins Gegenteil umgekehrt. Und dabei scheint auch die Vergangenheit Boatengs keine Rolle zu spielen.

Zur Erinnerung: Boateng stand wegen mutmaßlicher Körperverletzung an zwei Ex-Partnerinnen vor Gericht. „Für uns ist der Sachverhalt mehr als nachgewiesen“, hatte der Richter in der Urteilsbegründung bezüglich Boatengs ehemaliger Lebensgefährtin und Mutter seiner Töchter im vergangenen Herbst gesagt. Vor zwei Wochen wurde nun der eingelegten Revision von Boatengs Verteidigern stattgegeben.

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat die Verurteilung wegen Körperverletzung und Beleidigung aufgehoben und der Prozess wird damit in die vierte Runde gehen, voraussichtlich im Frühjahr. Spätestens dann werden alle nur davon reden und Bayern einer medialen Aufmerksamkeit ausgesetzt sein, die sich kein Verein wünschen dürfte in der wichtigsten Phase der Saison. Auch jetzt vor dem anstehenden Spiel in der Champions League gegen Kopenhagen am Dienstag ist nur von Boateng die Rede und nicht von der fußballerischen Herausforderung.

Die Verpflichtung Boatengs wäre moralisch kaum tragbar

Darüber hinaus ist die Entscheidung moralisch kaum tragbar. Auch wenn Bayerns Sportdirektor Christoph Freund der Meinung ist, dass Boatengs Gerichtsverfahren „eine private Geschichte“ und darum „kein großes Thema für uns“ sei, werden die Münchner ihrer Verantwortung in der Gesellschaft, auf die sie regelmäßig pochen, nicht gerecht. Nicht zuletzt auch gegenüber der eigenen Fanszene, die regelmäßig versucht, mit Aktionen auf Themen wie Sexismus aufmerksam zu machen.

Auch sportlich gesehen ist es zumindest fragwürdig, ob Boateng das „schlampige Abwehrverhalten“, das Tuchel seinen Innenverteidigern Dayot Upamecano und Min-Jae Kim zuletzt unterstellte, verbessern kann. Bayern steht derzeit vor einem Problem, das hausgemacht ist. Die Kaderplanung im Sommer war geprägt von Kurzsichtigkeit, die spätestens jetzt sichtbar wird. In Bayerns Kader von 24 Spielern ist neben Upamecano und Kim nur noch der derzeit verletzte Matthijs de Ligt ein gelernter Innenverteidiger.

Da dieses Problem in der Defensive akut ist, wie sich auch gegen Leipzig am vergangenen Freitag gezeigt hat, werfen Bayerns Verantwortliche nun ihren moralischen Kompass über Bord und machen sich damit nicht zum ersten Mal unglaubwürdig. Es wird sich zeigen, wie groß der Imageschaden diesmal ist und inwiefern die Verpflichtung von Boateng es das wert war.

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