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Sheina Vaspi trainiert in Colorado.

© IPC

Sheina Vaspi startet bei den Paralympics für Israel: Rock on

Sheina Vaspi wird als erste Wintersportlerin Israel vertreten. Die 20-Jährige vereint ihren jüdisch orthodoxen Glauben mit dem Leistungssport.

An dieser Stelle berichtete das Team der Paralympics Zeitung, ein Projekt von Tagesspiegel und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Alle Texte zu den Spielen rund um Peking finden Sie hier. Aktuelles finden Sie auf den Social Media Kanälen der Paralympics Zeitung auf Twitter, Instagram und Facebook. Dieser Text erschien zu unserem Weltfrauentag Spezial.

Es sei keine große Sache, sagt Sheina Vaspi zu Channel 12, wenn sie auf ihr fehlendes Bein angesprochen wird. Nach einen Autounfall musste es amputiert werden. „Es hängt davon ab, wie man die Sache betrachtet: Okay, ich habe eins meiner Beine nicht mehr, aber das ist nicht dramatisch.“ Ganz im Gegenteil. Die 20-Jährige ist mittlerweile ein Shootingstar im israelischen Para-Sport. Nach nur zwei Jahren professionellen Trainings vertritt sie in Peking als erste Athletin überhaupt Israel bei Paralympischen Winterspielen. Und dass als „Frau in einem Sport, in dem es nicht viele Frauen gibt“, wie ihr amerikanischer Trainer Scott Olson sagt.

Ganz egal, ob männlich oder weiblich, Vaspi habe einen einzigartigen Elan. Die Monoskifahrerin fährt im Stehen gegen Athletinnen, die seit zehn bis zwanzig Jahren an der Startlinie stehen. Dass sie überhaupt in der Lage sei, mit einer derart kurzen Vorbereitungszeit gegen die Weltklasse anzutreten, sei „absolut faszinierend“, sagt Olson. Inbal Pezaro, erfolgreiche Para-Schwimmerin für Israel und Vaspis mentale Unterstützung, beschreibt die Sportlerin als „glückliches und fröhliches Mädchen, die alle um sie herum mit ihrer Art ansteckt“. Die Stimmung im Team sei sehr gut, Vaspi sei sehr aufgeregt und geehrt, Geschichte schreiben zu können. Beeindruckt und überrascht sei sie gewesen, als Vaspi das paralympische Dorf in Peking das erste Mal gesehen habe. Sie konnte kaum glauben, was alles für die Spiele getan wurde. Für sie sei es nun wichtig, so viel Erfahrung wie möglich auf den Trainingsstrecken zu sammeln und das Terrain kennenzulernen, bevor sie an diesem Freitag ihr Paralympics-Debüt geben wird.

Mit Rock über der Skihose

Erfahrung im internationalen Wettkampfgeschehen konnte sie zuvor erst bei der Para-Schneesport-WM in Lillehammer im Januar sammeln. Im Riesenslalom fuhr sie auf den dreizehnten Platz. Trainiert hat die Athletin in den USA. Da die Skisaison in Israel aufgrund der klimatischen Bedingungen sehr kurz ist, feilt sie an Technik, Kraft und Ausdauer im National Sports Center for the Disabled in Colorado. Bei ihrem US-amerikanischen Trainer Scott Olson durchlief sie ein intensives Coaching, „um ihr noch rohes Talent vor den Paralympics zu verbessern“. Um den Diamanten weiter zu schleifen, verbringt sie mittlerweile mindestens eine Jahreshälfte in Colorado.

Für Vaspi war es nicht einfach, sich auf eine neue Sprache und andere religiöse Einstellungen und Traditionen einzulassen. Die junge Sportlerin ist in Yesud Hama’ala, im Norden Israels aufgewachsen. Die streng jüdisch orthodox lebende Vaspi trägt über ihrer Skihose einen Rock, um der orthodoxen Kleiderordnung nicht zu widersprechen. „Sie sagten mir, dass es wahrscheinlich nicht erlaubt sei. Für mich war es ein komplettes Wunder, dass sie mir trotzdem die Starterlaubnis gaben.“ Für Vaspi ist die Situation klar: „Ich trainiere in einem Rock, ich starte in einem Rock und es wird auch in der Zukunft keine Probleme geben, wenn ich mit einem Rock starte“. Außerdem macht sie Pause am Shabbat. Vom Sonnenuntergang am Freitag bis zum Eintritt der Dunkelheit am folgenden Samstag wird weder trainiert noch an Wettkämpfen teilgenommen. In Peking hat sie Glück und ihre Starts fallen nicht auf den jüdischen Ruhetag, die Eröffnungszeremonie am Freitagabend ließ sie ausfallen. Vertreten wurde sie von Inbal Pezaro, die die Fahne für Vaspi durch das Stadion trug. 

Israels Behindertensport hat eine tragische Tradition

Sheina Vaspi ist Athletin in einem Land, in dem der paralympische Sport als eine der Hauptprioritäten vom Sportministerium deklariert wurde. Das Ansehen wächst, die Preisgelder für olympische und paralympische Medaillengewinnerinnen und -gewinner sind gleich und immer mehr private Sponsoren und Sponsorinnen unterstützen den Para-Sport. „Unsere Vision ist, dass jedes Kind mit einer Behinderung die Möglichkeit haben soll, Sport zu machen. Unser Ziel ist es, junge neue Talente zu finden“, sagt Ron Bolotin, Generalsekretär des Israelischen Paralympischen Komitees, auf Nachfrage. 

Von den circa neun Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern Israels haben etwa 750 000 von ihnen eine Behinderung. 50 000 davon sind Kriegsversehrte oder Opfer von Terroranschlägen. Diese tragische Tatsache sei vor allem früher der Grund für die sensationellen israelischen Erfolge im Behindertensport gewesen, so Bolotin. Die Armee scheue weder Kosten noch Mühen, um den Soldaten die beste medizinische und psychologische Therapie zukommen zu lassen.

 Der Sport soll Kinder ermutigen

Auch Vaspi wird unterstützt von der Erez Foundation, einer Organisation für Behinderte der israelischen Verteidigungskräfte. 1999 wurde die Organisation gegründet, um Kriegsveteranen, Athletinnen und Athleten sowie Kindern zu helfen, sich in Extremsportarten einzubringen. Ihr Ziel ist es, durch den Rehabilitationsprozess zu begleiten, die Menschen zu ermutigen und zu stärken und deren soziale Integration und Unabhängigkeit zu fördern.

Vaspi, die auf ihrem Monoski Geschwindigkeiten von bis zu 88 km/h erreichen kann, möchte mit ihrem historischen Debüt anderen Leuten die Motivation geben, aufzustehen und sich zu trauen, das zu tun, was sie möchten. Sie möchte Kindern die Kraft geben, an sich selbst zu glauben.

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