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Der Eindruck täuscht: Mesut Özil musste Lionel Messi nur selten hinterherlaufen.

© AFP

Lust auf Erfolg: Mesut Özil stärker als Lionel Messi

Im Duell der Regisseure setzt sich Mesut Özil gegen Argentiniens Star Lionel Messi durch - weil der Deutsche die Zeichen des Abends erkannt hat: Es geht nicht um Kunst, es geht um die Lust am kollektiven Erfolg.

Mitte der ersten Halbzeit laufen sie ein erstes Mal gegeneinander. Lionel Messi bekommt an der Mittellinie den Ball, mit kleinen Schritten nimmt er Tempo auf, täuscht rechts an, zieht auf die andere Seite hinüber, alles eine einzige, ineinander fließende Bewegung, und schon ist er an Mesut Özil vorbei, 30 Meter noch bis zum Strafraum, ansatzlos kommt der Pass aus dem Fußgelenk auf Carlos Tevez, aber ein deutsches Bein steht im Weg und der Angriff versandet im Nichts.

Eine Szene von vielen, und sie ist typisch. Für das Spiel, aber auch für das Duell der beiden Männer, die den Unterschied machen können zwischen gut und sehr gut, zwischen Sieg und Niederlage, zwischen Halbfinale und Heimreise. Lionel Messi spielt, nach schleppender Anfangsphase, den aktiveren Part. Doch er deutet seine Klasse nur an, aber es bleibt bei Kleinkunst ohne Einfluss auf das große Ganze. Es sind nicht Messi und Özil, die die Geschichte dieses Viertelfinales von Kapstadt schreiben. Die Hauptdarsteller heißen Carlos Tevez und Thomas Müller. Allerdings in höchst unterschiedlicher Gewichtung, wie sie sich auch im finalen Ergebnis widerspiegeln wird.

Özils stärkste Minuten sind die ersten. Gleich der erste deutsche Angriff läuft über seine Füße, herauskommt ein mit perfektem Timing geschlenzter Pass auf Sami Khedira, dessen Laufweg Özil irgendwie erahnt hat, aber der Stuttgarter kommt einen Tick zu spät. Eine stürmische Anfangsphase lang lenkt Özil das Spiel in die von ihm bestimmten Bahnen, scheinbar desinteressiert beobachtet von Messi, der tatenlos an der Mittellinie verweilt.

Es geht alles ein bisschen zu einfach in dieser Anfangsphase, und auch Messis Lethargie scheint den Deutschen nicht ganz geheuer zu sein. Soll es denn wirklich so einfach sein gegen den großen Favoriten Argentinien?

Ja, es ist so einfach, aber nur weil die Deutschen das Kunststück fertig bringen, das Schwierige einfach aussehen zu lassen. Messi wird zwar von Minute zu Minute aktiver, aber er gewinnt nie Einfluss auf das Spiel, wie es ihm beim FC Barcelona so oft gelingt. Es reicht immer nur für vereinzelte Geniestreiche, sie beleben das argentinische Spiel, geben ihm aber keine entscheidende Wende. Zum Beispiel dieser Pass nach 23 Minuten in die Tiefe. Mit letztem Einsatz wirft sich Manuel Neuer in den Weg von Tevez. Immer häufiger bleiben Messis Dribblings unvollendet, weil sich zwei, drei Deutsche ihm in den Weg stellen. Er holt einen Freistoß heraus und verschießt ihn, kurz darauf noch ein weiteren, mit ähnlicher Nonchalance wie Cristiano Ronaldo vor ein paar Tagen.

Özil hat die Zeichen des Abends erkannt. Es geht nicht um Kunst, es geht nicht um die Klasse des einzelnen, es geht um den Charme der Effektivität und die Lust am kollektiven Erfolg. Fernab aller künstlerischen Ambitionen bringt er sich für den Rest des Spiels als fleißiger Ballschlepper ein. Am Ende hat er 11 Kilometer abgespult, Messi nur 8,6.

Wenn es denn Ziel der Argentinier war, die Deutschen einzuschläfern, so teilten sie den größten Teil des Langeweileserums unter sich selbst auf. Argentinien wacht nicht mehr auf. Wiederum von der Mittellinie aus bestaunt Messi Müllers hellwachen Balldiebstahl, der zu Kloses 2:0 führt. Und zum Schluss belohnt Mesut Özil sich und deutsche Mannschaft doch noch mit jenem Anflug von Genialität, wie sie nur in seinen Füßen steckt. Mit einem Pass, der zum 4:0 durch Klose führt und der mehr Klasse hatte als alles, was sein Rivale Lionel Messi an diesem einseitigen Nachmittag von Kapstadt gezeigt hat.

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