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Dehnen fürs Amt. Manuel Neuer will die Politik der flache Hierarchie fortleben lassen.

© dpa

Kapitän der Nationalmannschaft: Manuel Neuer: Flache Eins

Ein tiefer Einschnitt fühlt sich anders an. Manuel Neuer hat bei der Nationalmannschaft eine ähnlich kollegiale Vorstellung vom Kapitänsamt wie seine beiden Vorgänger.

Wenn die Statistiker richtig gezählt haben, wird Manuel Neuer die deutsche Fußball-Nationalmannschaft am Sonntag bei seinem Debüt als Kapitän bereits zum 15. Mal aufs Feld führen. Das trifft sich ganz gut für Neuer, weil gewisse Ansprüche an ihn damit quasi verjährt sind. Eine Lage zum Einstand zum Beispiel. Am Tag nach seiner Beförderung hat sich der neue Kapitän zwar konziliant gegeben und Verhandlungen in dieser Angelegenheit zumindest nicht ausgeschlossen („da können wir noch mal drüber sprechen“), eigentlich aber „hat die Mannschaft den Moment verpasst“.

Wenn der Nationaltorhüter zwei Tage vor dem WM-Qualifikationsspiel in Oslo gegen Norwegen nicht nach seinem Einstand gefragt worden wäre, wäre das Thema vermutlich gar nicht mehr auf die Tagesordnung gelangt. Im Grunde ist Neuer ja gar kein Neuer mehr. Er war schon bei der Europameisterschaft so etwas wie der KvD, der Kapitän vom Dienst, da der eigentliche Amtsinhaber Bastian Schweinsteiger seinen Stammplatz vornehmlich auf der Ersatzbank hatte. Ein tiefer Einschnitt fühlt sich jedenfalls anders an – und auch das passt dem 30 Jahre alten Neuer ganz gut in den Kram.

Bei seiner Regierungserklärung ans Fußballvolk hat sich der neue Kapitän am Freitag nicht künstlich von seinem Vorgänger abgesetzt, im Gegenteil. Neuer berichtete, Bastian Schweinsteiger habe sogar gehofft, „dass ich Kapitän werde“. Im Gegenzug wird der Torhüter das Amt im Geiste Schweinsteigers und dessen Vorgänger Philipp Lahm weiterführen. „Ich hoffe, dass ich in diese Fußstapfen hineinwachsen kann“, sagte er.

Der neue Kapitän hat einige starke Männer an seiner Seite

Für Oliver Bierhoff, den Manager der Nationalmannschaft, ist auch der neue Kapitän schon eine große Persönlichkeit. Neuer sei integer und übernehme gerne Verantwortung. Sportlich ist der Welttorhüter der Jahre 2013, 2014 und 2015 ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Trotzdem bleiben die Hierarchien flach, eine Rückkehr zum Prinzip des starken Mannes wird es nicht geben, das Nationalteam soll auch weiterhin von einer Kollegialregierung geführt werden. „Es hat uns ausgezeichnet, dass wir immer einen starken Mannschaftsrat hatten und zusammen gehandelt haben“, sagte Neuer. „So wird das auch in Zukunft bleiben.“

Der neue Kapitän hat einige starke Männer an seiner Seite, Jerome Boateng, Mats Hummels, Sami Khedira und Thomas Müller zum Beispiel, die alle ebenfalls als Kandidaten für das Amt gehandelt worden waren. Dazu Toni Kroos, der für den scheidenden Schweinsteiger in den Mannschaftsrat aufgerückt ist. „Sie können die Mannschaft jetzt gestalten“, sagte Oliver Bierhoff, der die Rolle des Kapitäns ohnehin für überbewertet hält. Dieses Urteil speist sich auch aus seiner eigenen Erfahrung in diesem Amt rund um die Jahrtausendwende. „Es besteht immer noch der Eindruck, dass der Kapitän auf einmal alleine der Chef ist, der alles bestimmt“, sagte der Nationalmannschaftsmanager, „dem ist natürlich nicht so.“

Der Kapitän hat vor allem repräsentative Pflichten, er ist für die Platzwahl zuständig und darf im Idealfall in knapp zwei Jahren den WM-Pokal in Empfang nehmen. Aber selbst die Einflussmöglichkeiten auf den Schiedsrichter sind laut Neuer begrenzt. Der Kapitän habe gar nicht das Recht, immer und von überall auf dem Platz auf den Schiedsrichter zuzulaufen, berichtete er; es sei eher so, dass der Schiedsrichter in kniffligen Situationen auf den Kapitän zukommen solle. Insofern empfindet Neuer es auch nicht als nachteilig, dass er als Torhüter auf dem Feld eine Position am Rand einnimmt. Dass er sein Torwartspiel weiter radikalisiert und künftig statt wie ein Libero gleich als Sechser vor der Abwehr agiert, um mitten im Geschehen zu sein, das hat Manuel Neuer jedenfalls definitiv ausgeschlossen.

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