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Trainer Fabian Hürzeler ist in jedem der Spiele von St. Pauli mit voller Energie dabei.

© imago images/Christian Schroedter

Fabian Hürzeler beim FC St. Pauli: Vom „verwöhnten Bürschlein“ zum Erfolgscoach

Fabian Hürzeler ist der jüngste Trainer im deutschen Profifußball. Nach seinem Amtsantritt unter schwierigen Bedingungen formte er aus St. Pauli ein kaum zu schlagendes Topteam der Zweiten Liga.

Es ist der 23. Dezember 2022, einen Tag vor Heiligabend. An diesem Freitag ernennt der FC St. Pauli den damals 29-jährigen Fabian Hürzeler zum Cheftrainer und damit zum derzeit jüngsten Trainer im deutschen Profifußball. Sein Gegenüber am Samstagabend beim Topspiel der Zweiten Fußball-Bundesliga (20.30 Uhr, Sky) ist der knapp zwanzig Jahre ältere Pal Dardai. „St. Pauli hat eine gut organisierte Mannschaft, die nicht umsonst ungeschlagen ist. Sie ist sehr diszipliniert, aber ich sehe auch ihre Schwächen“, sagt der Trainer von Hertha BSC.

Dardai wird dabei wohl trotzdem froh sein, dass das Hinspiel in Berlin und nicht etwa am Millerntor stattfindet. Denn das Millerntor hat Hürzeler seit seinem Amtsantritt zu einer wahren Festung gemacht. Ein einziges Heimspiel verloren die Hamburger bisher unter der Leitung des mittlerweile 30-Jährigen. Und auch sonst hat Hürzeler St. Pauli zu einem Topanwärter auf den Aufstieg entwickelt. Dabei war sein Start als Cheftrainer im Profifußball alles andere als einfach.

Als Hürzeler sein Amt antrat, hatte St. Pauli gerade die Hinrunde als auswärtschwächste Mannschaft der Zweiten Liga mit nur einem Punkt Vorsprung auf Platz 18 beendet. Und trotzdem konnten etliche Anhänger des Hamburger Klubs die damalige Entscheidung der Vereinsführung, Timo Schultz von seinem Amt als Cheftrainer zu entbinden, nicht nachvollziehen. „Wer den FC St. Pauli lebt, würde niemals zu diesem Zeitpunkt eine Identitätsfigur wie Timo Schulz vor die Tür setzen“, schrieben Fans in einer Petition. Für sie war die fehlerhafte Kaderplanung der Hauptgrund für die schwachen Leistungen.

Ein offensiv denkender Trainer mit einer starken Defensive

Grundsätzlich ist es schon ungewöhnlich, dass der Assistent des vorherigen Cheftrainers nicht nur bleibt, sondern auch dessen Amt übertragen bekommt. Viele Anhänger des Hamburger Kiezklubs stellten sich die Frage, wie Hürzeler eine Veränderung herbeiführen sollte, nachdem er am Absturz des Vereins scheinbar selbst seinen Anteil gehabt hatte. Doch er tat es. Nach der Wintervorbereitung, in der sich St. Pauli lediglich um zwei offensive Spieler verstärkte, legte er eine Serie von zehn Siegen in Folge hin und stellte damit einen neuen Vereinsrekord auf.

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Gegentore kassierte der FC St. Pauli nur in der bisherigen Saison.

In der Rückrunde war St. Pauli die beste Mannschaft der Liga und kassierte am wenigsten Tore von allen. Das ist auch in dieser Saison so, lediglich vier Gegentore stehen derzeit auf dem Konto der Hamburger. Nun könnte man meinen, Hürzeler sei ein defensiv denkender Trainer, doch dem ist nicht so. Der mittlerweile 30-Jährige möchte mit seiner Mannschaft viel Ballbesitz, auch Drucksituationen spielerisch lösen und insgesamt einen offensiven Fußball spielen.

Beobachtet man Hürzeler in seiner Coachingzone, bekommt man den Eindruck eines extrem ehrgeizigen, fast schon verbissenen Trainers, der kaum zufriedenzustellen ist. „Ein, zwei Stunden dürfen wir uns freuen, dann geht es an die Vorbereitung des nächsten Spiels“, sagte er schon nach seinem Premierenerfolg, einem 1:0 beim 1. FC Nürnberg am 29. Januar.

Möchte man diesen jungen, aufstrebenden Trainer verstehen, muss man sich seine bisherige Spieler- und Trainerkarriere anschauen. Der frühere Mittelfeldspieler spielte von 2004 bis 2012 in der Jugend des FC Bayern, war Kapitän der A-Jugend und galt als Zukunft des Vereins. Noch heute trage er den ihm dort beigebrachten unbedingten Ehrgeiz und Siegeswillen in sich und wolle diesen auch seinen Spielern vermitteln, sagte er mal bei einer Pressekonferenz.

Auf mich wirkte er wie ein verwöhntes Bürschlein, das von seinen Eltern auf Rosen gebettet wurde.

Hubert Fesl, Pressesprecher des FC Pipinsried, nach seiner ersten Begegnung mit Hürzeler

Bis über die Regionalliga kam Hürzeler in seiner Spielerkarriere allerdings nicht hinaus und startete seine Trainerkarriere schließlich 2016 beim SV Pipinsried. Als Spielertrainer führte er sein Team bis in die bayerische Regionalliga und blieb trotz des direkten Wiederabstiegs im Amt. Ab Juli 2019 war er nebenbei Co-Trainer von Christian Wörns bei der U20-Nationalmannschaft. „Auf mich wirkte er wie ein verwöhntes Bürschlein, das von seinen Eltern auf Rosen gebettet wurde“, sagt der Pressesprecher des FC Pipinsried, Hubert Fesl, damals über Hürzeler. Eine Aussage, die allerdings nicht an ihm haften blieb.

Spricht man mit Verantwortlichen des Eimsbütteler TV, dem Hamburger Verein, bei dem er während seiner Anfangszeit bei St. Pauli als Assistent von Schultz selbst noch kickte, beschreiben diese ihn als kommunikativen und sehr authentischen Typ, der vor Konflikten nicht zurückscheut und eine offene Diskussionskultur innerhalb des Teams pflegt.

Gleich zu Beginn seiner Zeit als Cheftrainer bei St. Pauli geriet Hürzeler mit dem damaligen Kapitän Leart Paqarada im Training aneinander, bezeichnete diese Streitereien später aber als Zeichen der Führungsqualitäten von Paqarada und lobte ihn. Innerhalb der Mannschaft genoss Hürzeler ohnehin von Beginn an ein hohes Ansehen – auch bei Paqarada.

Ein Autoritätsproblem scheint Hürzeler, der sich selbst als absolut fußballverrückt beschreibt, trotz seines jungen Alters also nicht zu haben. Mittlerweile ist er auch bei den Fans anerkannt. Wohl auch deshalb, weil er sie in dieser Saison mal wieder von einem Aufstieg in die Erste Bundesliga träumen lässt.

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