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Hubert Pisarek und Lynn Maleen Sievers laufen am liebsten mit ihrer Community.

© Michael Romacker

„Es wird immer etwas Inneres bezwungen“: Was man vor einem Langstrecken-Lauf wissen sollte

Am Wochenende steht der Berlin-Marathon an. Für viele Läuferinnen und Läufer ist es der große Tag, auf den sie sich lange vorbereitet haben. Doch wie geht man einen solchen Lauf eigentlich richtig an?

Von Alishya Tanoku

Hubert Pisarek und Lynn Maleen Sievers sind begeisterte Läufer:innen. „Im wahren Leben bin ich Arzt“, scherzt Pisarek, als er danach gefragt wird. Sievers ist Sonderpädagogin und arbeitet eigentlich als Lehrerin. Nebenberuflich engagieren sie sich bei einer großen Laufcommunity und tragen beide den Titel „Co-Captain“.

Das klingt im ersten Moment nach viel Zeitmanagement. „Ich hatte das große Glück, dass meine Frau mich immer unterstützt und auch Aufgaben übernommen hat, sodass ich viele Dinge gleichzeitig machen konnte“, so der 33-jährige Pisarek. Sievers kommt aus einer laufbegeisterten Familie aus Cuxhaven.: „Ich wurde schon mit 17 Jahren zu Familienläufen mitgenommen. Das hat mich geprägt.“ Nun wird sie am kommenden Sonntag im Alter von 29 Jahren ihren ersten Marathon bestreiten.

Pisarek kann aus gesundheitlichen Gründen keinen ganzen Marathon laufen, einen über die halbe Distanz bekommt er allerdings „aus dem Stand hin“. Trotzdem kennt er sich aufgrund seiner Profession und seines Interessengebietes gut mit den Do’s and Dont’s aus: „Man sollte in der Woche vorher nicht nochmal einen neuen Longrun laufen oder seinen Körper zu Bestleistungen pushen. Das heißt: Du ruhst dich die Woche aus, hältst deinen Körper mit ruhigen und entspannten Läufen warm, trinkst viel und isst kohlenhydratreich.“ Experimente, zum Beispiel bei der Ernährung, seien in der Woche vor dem Lauf ein absolutes No-Go.

„Ich esse aktuell wirklich sehr viele Nudeln und Kartoffeln. Ich versuche sowohl meinen Körper, als auch meinen Kopf auszuruhen und nicht die ganze Zeit darüber nachzudenken, was auf der Strecke passiert“, stimmt Sievers ihrem Laufkollegen zu. Die tatsächliche Laufleistung am Wettkampftag sei am Ende trotz des umfangreichen Trainings tagesformabhängig. „Ich habe vor 12 Wochen mit dem Marathon-Training angefangen, der erste Longrun war 20 Kilometer lang und dann hat sich die Distanz stetig gesteigert.“

Wenn man einen Marathon läuft, wird etwas Inneres bezwungen. Meist sind es die Stimmen in deinem Kopf, die dir sagen, dass du es nicht schaffst.

Hubert Pisarek

Der letzte Langstreckenlauf vor dem Marathon sei 35 Kilometer lang gewesen. „Ich habe erstmal geübt, Strecke zu machen und geschaut, wie ich am besten nebenbei essen und trinken kann. Das war gut, denn nun weiß ich, dass ich Gels für die Strecke verwenden kann“, meint Sievers.

Ein Marathon ist oftmals ein innerer Kampf

Ein Marathon verlangt dem Körper alle Reserven ab, oftmals gehen Sportler:innen an die eigenen Grenzen und teilweise auch darüber hinaus. „Wenn man einen Marathon läuft, wird etwas Inneres bezwungen, meist sind es die Stimmen in deinem Kopf, die dir sagen, dass du es nicht schaffst“, sagt Pisarek. Er habe schon viele Leute gesehen, die durch das Ziel gelaufen sind und denen im Gesicht abzulesen war, wie sehr ihnen ein Stein vom Herzen gefallen ist.

Auch Sievers kennt diesen Moment, wenn sich das Gefühl der Niederlage einschleicht: „Ich war bei einem Halbmarathon, wollte eine bestimmte Pace laufen und bin Teil einer Gruppe gewesen. Ich habe gemerkt, dass ich das Tempo auf keinen Fall 20 Kilometer durchhalten kann“ Anschließend habe sie sich dazu entschieden, sich zurückfallen zu lassen. „Meine Gruppe war super verständnisvoll und hat sich meinem Tempo angepasst. Mein Freund hat mich mental so gestützt, dass ich es am Ende geschafft habe.“ Diesmal sei ihre Ambition, vor allem Spaß zu haben. „Das Tempo und die Zeit sind zweitrangig. Ich will einfach einen tollen Lauf genießen“, so Sievers.

Laufprofis wie Eliud Kipchoge werden am Wochenende mit Sicherheit wieder die Massen begeistern. Sievers findet solche Leistungen bewundernswert, doch sie selbst strebe nicht danach: „Ich finde die Menschen, die einen Marathon in sechs Stunden laufen, fast noch beeindruckender.“ Pisarek ergänzt: „Für mich ist Haile Gebrselassie eine Sport-Ikone. Ansonsten finde ich meine persönlichen Vorbilder in der Community. Menschen, die sich nach schweren Verletzungen zurückkämpfen, oder diejenigen, die bei einem Kilometer starten und dann im selben Jahr einen Marathon laufen.“

So schön es auch sei, einen Marathon erfolgreich zu beenden – man sollte immer auf die Signale des eigenen Körpers hören, meint Pisarek. „Bei einem Marathon tut alles mal weh. Die Frage ist: Kenne ich diesen Schmerz schon? Dann ist es wichtig, in sich hineinzuhorchen, sich vielleicht kurz zu dehnen. Aber wenn Schwindel dazu kommt und man Sternchen sieht, sollte man gewarnt sein“, sagt Pisarek, der dieses Jahr sein Medizinstudium beendete.

Pisarek wird sich das Erlebnis am Wochenende nicht nehmen lassen und wird an einem Cheering Point zu finden sein. Wenn er selbst läuft, ist für ihn der Moment, wenn er seine Familie am Seitenrand stehen sieht, nämlich der Beste: „Das ist für mich das Bergfest. Es macht mir so viel Spaß, die Leute anzufeuern und wenn es nur kurz ist. Wenn ich ihnen Motivation geben kann, ist es das wert“, sagt er.

Daher wird er auch versuchen, Sievers mit seinen Anfeuerungsrufen neue Energie zu geben. „Man vergisst manchmal, was für einen großen Einfluss die Unterstützung von außen haben kann“, sagt Sievers. „Alleine würde ich niemals 42 Kilometer laufen können. Mein Profitipp: Sich während des Laufens immer neue Ziele setzen, wenn man merkt, dass man das vorherige nicht erreichen kann.“

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