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Siegerehrung vor dem Endspiel. Roger Federer bekam schon am Freitag nach seinem Viertelfinale in Rotterdam eine Trophäe überreicht.

© John Thys/AFP

Tennis-Legende Roger Federer: Der Größte ist wieder der Erste

Roger Federer kehrt an die Spitze der Tennis-Weltrangliste zurück – nach über fünf Jahren und als ältester Spieler jemals.

Vor einem Jahr beim Turnier in Halle hat Roger Federer einen aus heutiger Sicht bemerkenswerten Satz gesagt. „Ich denke nicht mehr so sehr an die Weltranglistenpunkte, ich denke an meine Gesundheit und an Turniersiege“, erklärte er seinerzeit. Acht Monate später hat der Schweizer dann doch ganz genau nachgerechnet. Angesichts von nur wenigen Punkten Rückstand in der Rangliste auf Rafael Nadal entschied er sich kurzfristig dafür, beim Turnier in Rotterdam anzutreten. Dort hat er am Freitagabend das Halbfinale erreicht und wird deshalb ab Montag wieder die Spitzenposition im Männertennis übernehmen – als ältester Spieler in der Geschichte überhaupt und fünf Jahre und 106 Tage nachdem er zuletzt ganz oben stand.

„Das bedeutet mir vielleicht mehr als alle anderen Dinge, die ich in meiner Karriere erreicht habe. Jetzt wieder die Nummer eins zu sein mit fast 37 Jahren ist für mich absolut traumhaft. Ich kann das gar nicht richtig glauben“, sagte er nach seinem 4:6, 6:1, 6:1-Sieg gegen Robin Haase im Viertelfinale von Rotterdam.

Erst vor 13 Monaten war der Schweizer nach einer langen Verletzungspause auf die Tennistour zurückkehrt. Von den vier Grand Slams, an denen er seither teilnahm, hat er drei gewonnen. Dazu konnte er noch fünf weitere Turniersiege feiern und seine Matchbilanz von 63:5 belegt zusätzlich, das Federer seit seinem Comeback mindestens so stark unterwegs ist wie zu seinen besten Zeiten.

Nach seinem Sieg zuletzt in Melbourne diskutierten Experten darüber, ob der Federer von 2018 vielleicht sogar besser ist als je zuvor. Tatsächlich hat er sein Spiel angepasst, man könnte auch sagen optimiert. Lange Ballwechsel versucht er weitgehend zu vermeiden, er geht schneller auf den direkten Punkt oder sucht den Weg ans Netz. Seine Rückhand ist kein Schwachpunkt mehr, wie das noch vor zehn Jahren der Fall war, als er von Rafael Nadal regelmäßig auf der linken Platzseite festgenagelt wurde. Inzwischen spielt Federer die Rückhand flacher und härter, gegen Nadal hat er seither alle vier direkten Duelle gewonnen.

„Ich bin einfach glücklich, gesund zu sein und jeden Tag Tennis spielen zu können“

Aber Federer ist mehr als nur ein herausragender Tennisspieler. Er ist auch deshalb eine Ausnahmeerscheinung, weil er sich selbst nicht so sieht. Mit geradezu kindlicher Begeisterung freut er sich mit seinen Schweizer Landsleuten über deren Erfolge bei Olympia – und bejubelt sie auf seinem Twitteraccount. Kein Wunder, dass Langläufer Dario Cologna, der in Pyeongchang gerade zum vierten Mal Gold gewonnen hatte, auf die Frage antwortete, ob er denn nun der größte Schweizer Athlet sei: „Federer ist größer als ich.“

Es gab eine Zeit, da musste Roger Federer sich fast dafür rechtfertigen, dass er noch Tennis spielt. Immer wieder wurde er nach seinem Karriereende gefragt. Als er sich dann verletzte, schien das das Ende seiner Laufbahn zu sein – zumindest auf Topniveau. So dachten viele Experten, auch Federer selbst wusste nicht, ob er nach seiner Rückkehr noch würde mithalten können. Sein vielleicht größtes Plus ist, dass er sein Leben als Profisportler nicht als Belastung ansieht. „Ich bin einfach glücklich, gesund zu sein und jeden Tag Tennis spielen zu können“, sagte er jetzt. Auch das unterscheidet ihn von so vielen Weltranglistenersten vor ihm.

Dazu kommt die Bewunderung, die ihm weltweit zuteil wird. In Rotterdam konnte er in dieser Woche stets am Abend um 19.30 Uhr antreten – die Halle war bei seinen Matches dabei immer bis zum letzten Platz gefüllt. Federer ist das Zugpferd, mit dieser Rolle hat er sich schon lange arrangiert – und er füllt sie gerne aus. Es gibt wohl keinen Profi, der derart bereitwillig Interviews gibt und dabei tatsächlich auch etwas zu sagen hat.

Und auch wenn Federer nun wieder einen Rekord gebrochen hat, bleibt er weiter hungrig. In Rotterdam könnte er seinen 97. Turniersieg feiern – im Halbfinale setzte er sich gegen Andreas Seppi 6:3 und 7:6 durch und trifft nun am Sonntag im Endspiel auf Weltmeister Grigor Dimitrow. Die Marke von 100 Turniersiegen ist also nicht mehr weit und selbst der Bestwert von Jimmy Connors (109) scheint nicht unerreichbar.

„Viele Leute haben mich gefragt, wie ich mit dem ganzen Druck umgehe. Ich glaube, dass mir die vielen großen Matches helfen, die ich in der Vergangenheit gespielt habe“, sagt Federer. Nicht wenige Tennisfans auf der Welt werden hoffen, dass noch einige mehr hinzu kommen.

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