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Das WM-Stadion von Doha.

© REUTERS

WM 2022: Das Geschäft mit dem Sport

Katar pumpt enorm viel Geld in den Spitzenfußball. Die Fifa kann sich nicht leisten, die WM 2022 woanders auszurichten – auch wenn das spätestens nach den jüngsten Vorwürfen angebracht wäre.

Wer schon mal in Katar war, dem dürfte der Flughafen in Erinnerung geblieben sein. Im Hamad International Airport von Doha säumen Marmorfliesen die Gänge, alles glänzt und tatsächlich ist es so sauber, dass man ohne Beanstandung vom Fußboden essen könnte. Gleichzeitig ist das Ambiente ein erster Vorgeschmack auf den sterilen Prunk, der den Besuchern entgegenschlägt. Der allgegenwärtig ist, immer da, so wie die bohrenden Blicke der Einheimischen.

Keine angenehmen Blicke, keine freundlichen, fragenden oder neugierigen. Eher sind es Blicke, die Ablehnung suggerieren, Skepsis, gelangweilt und leer, überdrüssig des Überflusses. Irgendwann in den vergangenen 40 Jahren, seit der Entdeckung der ersten Öl- und Gasquellen, muss ihnen der Glanz abhanden gekommen sein. Schwer vorzustellen, wie an diesem Ort einmal ein ausgelassenes Fest stattfinden soll, wie es eine Fußball-Weltmeisterschaft sein kann. Wie hier einmal die Welt zu Gast sein soll und empfangen wird, am Hamad International Airport, dem Hort der traurigen, leeren Augen. Natürlich, das ist ein ganz subjektiver Eindruck.

Das Stimmen aus der Politik jetzt mal wieder kurz aufkommen, ist heuchlerisch

Weniger subjektiv sind die Debatten, die sich seit der WM-Vergabe an Katar auftun. Die stets da sind und die mal lauter, mal leiser geführt werden. Dieser Tage ist der Geräuschpegel wieder höher, weil die Nachbarn Saudi-Arabien, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Jemen die diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen haben. Ihr Vorwurf: Die Machthaber in Doha würden Terrororganisationen wie den „Islamischen Staat“ unterstützen. Der Aufschrei ist groß. Unions-Fraktionschef Volker Kauder meldete sich zu Wort, Claudia Roth (Grüne) auch, genauso die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag (SPD). Ein solcher Staat dürfe nicht das bedeutendste Sportereignis der Welt ausrichten, so der parteiübergreifende Tenor.

Das ist richtig und heuchlerisch zugleich. Wenn Debatten über Katar in der Vergangenheit etwas gezeigt haben, dann, dass sie nicht nachhaltig geführt wurden. Nicht erst seit Anfang dieser Woche ist bekannt, dass es eine denkbar schlechte Idee war, das Turnier an Katar zu vergeben. Gründe dafür gibt es beinahe mehr als Hochhäuser in der rasant wachsenden Metropole Doha. In den Sommermonaten ist es zu heiß zum Spielen. Kein Problem, fand der Weltverband Fifa. Wird eben in den Wintermonaten gespielt. Dass das einen gewaltigen Eingriff in den Terminkalender der nationalen Ligen bedeutet, geschenkt. Und dass die Abstimmung zur Wahl von Korruptionsvorwürfen begleitet wird, ein kleiner Schönheitsfehler.

Das Kafala-System grenzt an Leibeigenschaft

Noch problematischer ist es um die Zustände auf den Baustellen und die Situation der zahlreichen Gastarbeiter im Land bestellt. Wie viele Nepalesen, Inder oder Bengalen ihr Leben bei den Arbeiten an den Stadien gelassen haben, wie viele von ihnen unter menschenunwürdigen Bedingungen, zu acht, zu zehnt, in winzigen Zimmern leben, schlecht oder gar nicht entlohnt, wird vielleicht immer im Dunklen bleiben. Ganz zu schweigen von dem menschenunwürdigen Kafala-System, einer Art Bürgensystem, das Menschen zu Leibeigenen werden lässt. Jeder Gastarbeiter in Katar benötigt einen Kafala, einen Einheimischen, der in etwa die Funktion eines Bürgen übernimmt. Dieser kann „seinem“ Arbeiter sogar den Pass abnehmen.

Darf ein Staat, dessen System feudale Züge trägt und der die Menschenwürde in ihren Grundfesten missachtet, darf so ein Staat für einen Monat die Blicke der Weltgemeinschaft auf sich ziehen, indem er eine WM ausrichtet? In den vergangenen sieben Jahren, seitdem feststeht, dass die WM in Katar stattfindet, hat sich an der Situation der Gastarbeiter wenig bis nichts geändert. Dabei würde allein ihre Lage genügen, um auf die Verlegung in ein anderes Land zu drängen.

Viele Kräfte im Fußball haben kein Interesse an einer Verlegung der WM

Das es soweit kommen wird, selbst jetzt nach den neusten Anschuldigungen der Terrormithilfe, ist sehr unwahrscheinlich. Die Fifa meidet jede Aussage zu den Entwicklungen, und wenn der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Reinhard Grindel, davon spricht, die Fußballgemeinschaft müsse einen Boykott in Erwägung ziehen, dann lässt er sich per Nebensatz mindestens ein Hintertürchen offen. Sind ja noch fünf Jahre Zeit, heißt es dann. Wer aber glaubt, die Situation rund um Katar werde sich bis dahin geändert, der glaubt auch, dass sich die politische Lage im Nahen Osten bald stabilisiert.

Mag die politische Lage schon verwoben genug sein, existieren gerade im Fußball viele Kräfte, die keinerlei Interesse daran haben, Katar das Turnier zu entziehen. Die Fifa beruft sich seit Jahren auf ein einziges Argument, nämlich dass eine Neuvergabe zu hohe Regressansprüche nach sich ziehen würde. In diesem Fall ist der Weltverband ausnahmsweise ehrlich, denn bei der Fifa geht es einzig und allein um Geld. Und weil Katar seit einigen Jahren enorm viel davon in den Spitzenfußball pumpt, hat es inzwischen den Status einer fütternden Hand, die niemand abschlagen will.

Auch der FC Bayern pflegt Geschäftsbeziehungen zu Katar

Der Aufstieg von Paris St.-Germain wäre ohne die Zahlungen der Herrscherfamilie Al Thani nicht möglich, und auf dem Trikot des FC Barcelona, früher stolz auf seine werbefreie Brust, prangte bis zu dieser Saison der Schriftzug von Qatar Airways. Zehn Millionen Dollar pro Jahr brachte das den Katalanen ein, die seit vielen Jahren im Gegenzug Wissen in den Golfstaat importieren. Jugendtrainer und Funktionäre versuchen, das bescheidene sportliche Niveau mit Hinblick auf die WM 2022 anzuheben.

Der FC Bayern München pflegt ebenso enge Kontakte nach Katar. Der Hort der leeren Augen, der Hamad International Airport, tritt als Sponsor auf. In der Sport- Akademie von Doha residiert der deutsche Rekordmeister seit 2011 regelmäßig. Am Dienstag gab der Verein eine Erklärung ab, die mehr Legitimation als Stellungnahme war. Katar sei ein starker Investor in Deutschland, bei VW oder der Deutschen Bank. Gegen Geschäftsbeziehungen ließe sich nichts sagen, hätte schon der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier gesagt. Das klingt ein wenig nach Basta-Mentalität schröderscher Prägung und soll auch so gemeint sein. Der FC Bayern arbeitet gern mit Katar zusammen, das Geld kommt regelmäßig, pünktlich und im Übermaß. Basta.

Die Machthaber Katars wissen um die Bedeutung des Sports und haben ihn als Möglichkeit auserkoren, international Anerkennung zu erheischen. Fußball ist dafür am geeignetsten, auch wenn er im Emirat niemanden interessiert. Die WM in fünf Jahren wird kommen und sie wird der westlichen Welt den Spiegel vorhalten. Weil von ihr am stärksten der Impuls ausgeht, unter dem Gesellschaften generell am meisten kranken: denjenigen zu hofieren, der das meiste Geld besitzt.

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