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Unter falscher Flagge. Diese Tibet-Fahnen brachten erst Chinas U-20-Mannschaft dazu, das Spiel zu unterbrechen und später den chinesischen Verband dazu, die ganze Testspielreihe zu beenden.

© dpa

Abbruch der Testspielreise: China kneift vor der Wirklichkeit des Fußballs

Wegen ein paar Tibet-Fahnen hat China sein U20-Nationalteam vorzeitig von Deutschland nach Hause beordert. Über so viel Naivität kann man sich nur wundern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Friedhard Teuffel

Vielleicht hat bisher noch kein Land Sport und Politik so elegant und bedeutungsvoll miteinander verbunden wie China. In der Pingpong-Diplomatie wurde aus einer zwischenmenschlichen Begegnung das Ende einer politischen Eiszeit. Bei der Tischtennis-Weltmeisterschaft 1971 schlossen ein chinesischer Weltmeister und ein Nationalspieler aus den USA in einem Bus Freundschaft. Das wurde zur Rahmenerzählung für die Annäherung zwischen beiden Ländern – als erster US-Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg reiste Richard Nixon 1972 nach China. Und jetzt? Kann man sich über China nur wundern. Versteht es den Sport nicht mehr und kann es auch Deutschland nicht richtig einschätzen?

China hat jedenfalls seine U20-Fußball-Nationalmannschaft wieder nach Hause beordert. Sie sollte in Deutschland in Testspielen von Mannschaften aus der Regionalliga lernen. Warum solche Spiele nicht mehr wie im alten Sportkameradenjargon Freundschaftsspiele genannt werden, war hier bestens zu beobachten. Zum einen wollte China etwas nachvollziehbar Eigennütziges: die Nachwuchsfußballer fitter machen für den internationalen Wettbewerb. In vielen Sportarten haben es die Chinesen zu Weltmeistern und Olympiasiegern gebracht, aber je größer die Bedeutung des Fußballs wird, desto enttäuschter stellen sie fest, dass all das ihre Mittelmäßigkeit in dieser Weltsportart nicht ausgleichen kann.

Zum anderen ist die vorgesehene Testspielserie nun nicht in aller Freundschaft zu Ende gegangen. Als die chinesische Mannschaft im ersten Spiel beim TSV Schott Mainz antrat, tauchten auf den Rängen in der ersten Halbzeit Tibetflaggen auf. Für die chinesische Delegation eine Ungeheuerlichkeit. Tibet sei doch China, genauso wie Taiwan. Die Mannschaft weigerte sich zunächst weiterzuspielen. Die nächsten Begegnungen wurden vom chinesischen Fußball-Verband abgesagt, die Spieler nach Hause geholt.

Das Publikum ist Teil des Spiels

China hat ihnen damit erst einmal in zweifacher Hinsicht Entwicklungsmöglichkeiten verwehrt. Zum einen die, in den geplanten Spielen Erfahrungen auf dem Platz zu sammeln. Zum anderen die, mit Einflussmöglichkeiten von außen umgehen zu lernen. Das Publikum ist gerade im Fußball Teil des Spiels. Da wird gesungen, gebrüllt und manchmal auch derbe gepöbelt. Der Fußball ist eben deshalb so groß geworden, weil seine Anziehungskraft auf so viele Menschen wirkt, egal wie sie denken und wo sie herkommen.

Aus Sportlern werden dann Champions, wenn sie im Wettkampf die Tür in den inneren Tunnel finden, also bei sich bleiben, auch wenn alles um sie herum tobt und sie manchmal sogar übel beleidigt werden. Auf dem Platz kann es sehr persönlich werden, den Trash Talk setzen manche bewusst ein, um den Gegner aus dem Spielfluss zu holen. Das kann man verachten, aber es lässt sich schwer ausrotten. Prominenter Tiefpunkt dürfte das WM-Finale 2006 im Berliner Olympiastadion gewesen sein, als Frankreichs Zinedine Zidane Italiens Marco Materazzi einen Kopfstoß verpasste. Als Materazzi Zidane zuvor am Trikot gezupft hatte und der Franzose ihm sagte, er könne das Trikot nach dem Spiel gerne haben, sagte der Italiener: „Ich bevorzuge deine Schwester, die Nutte.“ Was sind dagegen ein paar Tibetflaggen?

Die anti-deutsche Allzweckwaffe in Stellung gebracht

Lohnt da wirklich eine Diskussion über kulturelle Unterschiede, dass persönliche Beleidigung hierzulande nicht hingenommen wird, in China dagegen das Verletzen nationaler Befindlichkeiten?

Die Testspielserie von Chinas Nachwuchsnationalteam hatte der Deutsche Fußball-Bund mitorganisiert. Es ist merkwürdig naiv – übrigens von beiden Seiten – nicht mit politischen Botschaften zu rechnen. In der englischen Ausgabe der „Volkszeitung“, dem Parteiorgan der chinesischen KP, hagelte es nun Kritik an den deutschen Ausrichtern und Medien: „Chinesen haben allen Grund, ihr Missfallen über das bizarre Auftreten von tibetischen Unabhängigkeitskräften im Stadion auszudrücken. Mehr noch, die Leitung auf der deutschen Seite sollte sich schämen.“ Den Verweis der Deutschen auf die auch im Stadion geltende Meinungfreiheit konterte der Kommentator mit der anti-deutschen Allzweckwaffe: „Darf ich fragen, ob Deutschland die Meinungsfreiheit auch beim Unterstützen von Nazis erlaubt?“

Was an diesem Freundschaftsspiel denn freundschaftlich gewesen sei, fragte die „Volkszeitung“. Im internationalen Profisport sind die Zeiten der Völkerfreundschaftsspiele aber leider vorbei. Im Fußball wird China nur weiterkommen, wenn es auch die Politik manchmal sportlich nimmt.

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