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Der Schock sitzt tief nach dem späten Ausgleich: Marton Dardai (l.) und Marvin Plattenhardt.

© Imago/Contrast

Update

„Es ist einfach nur traurig“: Hertha kassiert späten Ausgleich und steigt aus der Bundesliga ab

Was für eine Dramatik am vorletzten Spieltag der Fußball-Bundesliga. Hertha führt, zittert und erlebt dann einen Schock gegen den VfL Bochum.

Der Jubel, frenetisch bis ekstatisch, ging nahtlos in ein ebenso frenetisches wie ekstatisches Pfeifkonzert über. Ausgelöst wurde es durch eine Geste von Schiedsrichter Felix Brych, der mit seinen Zeigefingern ein Rechteck in die Luft malte und umgehend zur Seitenlinie lief, um eine strittige Szene auf dem TV-Monitor zu begutachten.

Die Fans von Hertha BSC, die gerade noch das vermeintliche 1:0 für ihre Mannschaft und damit die Rückkehr der Hoffnung gefeiert hatten, ahnten schon, was nun kommen würde. Und tatsächlich verweigerte Brych dem Treffer von Dodi Lukebakio die Anerkennung, weil Stevan Jovetic den Bochumer Innenverteidiger Ivan Ordets in der Entstehung ein wenig zu heftig am Trikot gezupft hatte.

Was für eine Dramatik am vorletzten Spieltag der Fußball-Bundesliga. Hertha bangte und zitterte, Hertha führte und dann – nach dem Eingriff des Videoassistenten – doch wieder nicht. Am Ende schien Hertha den Abstieg zumindest für eine Woche hinausgezögert zu haben. Doch nach der Führung durch Lucas Tousart erzielte der VfL Bochum vor 70.692 Zuschauern im Olympiastadion in der vierten Minute der Nachspielzeit nach einer Ecke den Treffer zum 1:1 (0:0)-Endstand.

Es war ein Stich ins Herz für die Berliner. Hertha BSC ist damit zum siebten Mal aus der Fußball-Bundesliga abgestiegen. Selbst eine kämpferisch mitreißende Leistung der zuletzt nicht immer krisensicheren Mannschaft gegen Bochum reichte nicht mehr. Am Samstag, um exakt 17:28 Uhr, war es vorbei.

Trainer Pal Dardai sagte am Sky-Mikrofon: „Wir hatten fünf oder sechs riesige Konterchancen. Du musst einfach Tore machen. Wir sind nicht heute abgestiegen, das ist meine Meinung. Wir haben uns vorbereitet und analysiert. Das ist ein langer Prozess. Für die heutige Leistung müssen wir uns nicht schämen.“  Ob er auch in der 2. Bundesliga Cheftrainer bleibt, ließ er offen: „Ich arbeite bei Hertha BSC – in welcher Position, das muss man abwarten.“

Nach der ernüchternden 2:5-Niederlage in Köln vor einer Woche hatte Trainer Pal Dardai vier Änderungen vorgenommen. Die beiden Innenverteidiger Filip Uremovic und Marc Kempf fehlten verletzt, Kapitän Marvin Plattenhardt und Florian Niederlechner saßen auf der Bank. Dafür spielten Kevin-Prince Boateng und Suat Serdar erstmals unter Dardai von Anfang an; außerdem rückten Agustin Rogel und Maximilian Mittelstädt neu ins Team.

Zwei Teams auf Augenhöhe

Noch bevor der Ball in Berlin rollte, gab es für Hertha bereits den ersten Rückschlag. In Gelsenkirchen war Schalke 04 bereits in Führung gegangen. Und auch wenn die Fans zu diesem Zeitpunkt nur auf das Hier und Jetzt fokussiert waren: Das 1:0 der Schalker führte allen noch mal vor Augen, dass Hertha für die unwahrscheinliche Rettung vor dem Abstieg nicht nur zwingen selbst würde gewinnen müssen; die Mannschaft war auch von den Ergebnissen auf anderen Plätzen abhängig.

Der Moment, in dem alle Hoffnungen zerbrechen: Keven Schlotterbeck erzielt das 1:1.

© Imago/Jan Huebner/Julius Frick

Auf dem Rasen des Olympiastadions begegneten sich zwei Teams auf Augenhöhe. Hertha hatte Chancen, vor allem durch Dodi Lukebakio; aber Bochum hatte in der ersten Hälfte die besseren. Mittelstürmer Philipp Hofmann verfehlte nach nur fünf Minuten denkbar knapp das Tor, als er im Berliner Strafraum völlig frei zum Kopfball kam. Auch sein Sturmkollege Takuma Asano hatte nach einer halben Stunde alle Freiheiten. Bei seinem Kopfball aber reagierte Oliver Christensen, schon bei der Niederlage in Köln Herthas Bester, glänzend.

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Abstiege aus der Bundesliga musste Hertha BSC nun hinnehmen.

Die umgebaute Defensive der Berliner leistete sich immer wieder kleinere bis mittelschwere Aussetzer, vor allem in den Minuten nach dem annullierten 1:0. Als hätte diese Entscheidung Hertha gehörig aufs Gemüt geschlagen. Ein Fehler in der Abwehr – und alles könnte vorbei sein. Diese nervliche Belastung war den Berlinern durchaus anzumerken.

Hertha begann die zweite Hälfte deutlich druckvoller, hatte gleich zu Beginn eine gute Gelegenheit, als sich eine Flanke von Marco Richter als Torschuss entpuppte, der Manuel Riemann im Bochumer Tor zum Eingreifen zwang. Kurz darauf setzte Jovetic, der diesmal als Mittelstürmer aufgeboten war, den Ball per Kopf über die Latte.

Über kurz oder lang würde Hertha das Risiko erhöhen müssen, weil ein Unentschieden den Abstieg bedeuten würde. Andererseits erhielt die Zuversicht nach einer knappen Stunde noch einmal neue Nahrung – als auf der Anzeigetafel der frische Zwischenstand aus Gelsenkirchen eingeblendet wurde: Die Schalker lagen nun gegen Frankfurt 1:2 zurück. Mit einem Sieg würde Hertha die Abstiegsfrage also zumindest bis zum letzten Spieltag offen halten.

Kevin-Prince Boateng, in Vertretung von Marvin Plattenhardt Kapitän, wedelte mit den Armen, um das Publikum zu noch mehr Unterstützung aufzufordern. Daran mangelte es zu keiner Zeit. Und die Treue wurde nach etwas mehr als einer Stunde belohnt. Ein Schrei wie ein Donnerhall tönte durch die riesige Schüssel, nachdem Lucas Tousart den Ball nach einer Ecke von Marco Richter ins Tor gelenkt hatte. Hertha führte 1:0, die Hoffnung lebte wieder.

Aber es war noch eine gute halbe Stunde, die das Team überstehen musste; eine halbe Stunde, in der die Bochumer alles nach vorne warfen, aber lange nicht allzu gefährlich wurden. Die Berliner hielten ihren Gegner weit vom eigenen Tor fern, versäumten es aber, ihre Kontergelegenheiten entschlossener auszuspielen. So blieb es spannend bis zum Ende. Ein Ende, das für Hertha kein gutes, sondern ein denkbar schmerzhaftes war. „Ich kann es noch nicht realisieren, es ist einfach nur traurig“, sagte Boateng am Sky-Mikrofon.

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