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Sie prüft jedes Stück ganz genau. Jeder Komponist, sagt die Violinistin Isabelle Faust, hat eine eigene Sprache. Die will sie treffen. Erst dieses genaue Hinhören macht sie zu der außergewöhnlichen, der „tiefsinnigsten deutschen“ Geigerin, die sie ist.

© Felix Broede/promo

Kultur: Star ohne Starallüren

Die Ausnahme-Geigerin Isabelle Faust musiziert am Freitag im Nikolaisaal

Mit dem Vater ging Isabelle Faust gemeinsam zum Geigenunterricht. Nicht nur dass die Fünfjährige die väterliche Obhut genoss, der Papa, ein Gymnasiallehrer, lernte mit 31 noch selbst das Geigenspielen. „Nach einiger Zeit fing dann auch mein Bruder mit dem Geigen an. Wir begannen, zu Hause gemeinsam zu musizieren. Als ich elf war, hatten meine Eltern die Idee, dass wir ein Streichquartett gründen sollten“, erzählt Isabelle Faust. Und dieses Vorhaben nahmen die Familienmitglieder ziemlich ernst. Sie nahmen Quartettunterricht, fuhren sogar zu Meisterkursen, konzertierten hier und da. Das ging fünf Jahre lang. Mit elf Jahren lernte Isabelle Faust den ungarischen Geiger Dénes Zsigmondy kennen, zu dem sie regelmäßig in den Sommerferien zu den von ihm veranstalteten Kursen an den Starnberger See reiste. Er und ihr Lehrer Christoph Poppen in Detmold und Berlin haben wesentlich dazu beigetragen, dass Isabelle Faust „die espritvolle, besonnenste und tiefsinnigste deutsche Geigerin“ wurde, wie ein Kritiker über sie schrieb.

„Natürlich hat der wunderbare Erfolg, den ich als Musikerin erleben darf, viel mit Disziplin, Arbeit und Freude an der Musik zu tun“, sagt die Künstlerin. „Mir war es immer wichtig, Stücke, die ich im Konzert spielen werde, ganz genau zu untersuchen. Jeder Schritt musste ganz bewusst, auf meine eigene Verantwortung hin entschieden werden.“ Diese Einstellung hat sich ausgezahlt. Bereits in jungen Jahren hat sie internationale Anerkennung erfahren. Dazu verhalfen ihr 1987 die ersten Preise beim Leopold-Mozart-Wettbewerb in Augsburg sowie 1993 beim Paganini-Wettbewerb in Genua. Mit Soloabenden, als Kammermusikpartnerin und Solistin ist sie seitdem wohl auf allen renommierten Konzertpodien der Welt zu erleben.

Es ist nicht leicht, sie für ein Interview zu erreichen, denn die kurz bemessenen Pausen zwischen Proben und Auftritten, sei es in Köln, Valencia oder London, möchte man nicht stören. In dieser Woche ist die Fahrt zu ihrem Konzertauftritt jedoch recht kurz. Die in Berlin Wohnende braucht mal nicht aus dem Koffer zu leben und in einem Hotel zu übernachten. Den Potsdamer Nikolaisaal erreicht die Geigerin in nur wenigen Minuten. Das genießt Isabelle Faust. In der beliebten Reihe „Stars international“ wird sie am Freitag mit der Kammerakademie Potsdam unter der Leitung des Chefdirigenten Antonello Manacorda musizieren. Das Orchester konnte in dieser Reihe bereits international bekannte Künstler begrüßen, so die Klarinettistin Sabine Meyer, den Cellisten Maximilian Hornung oder den Pianistin Igor Levit. Isabelle Faust wird sich mit einem Programm der Kontraste in Potsdam vorstellen. Mit der Kammerakademie wird sie Werke des Romantikers Robert Schumann und des zeitgenössischen japanischen Komponisten Toru Takemitsu musizieren. Außerdem spielt das Orchester die Serenade A-Dur von Johannes Brahms.

In der zu Ende gehenden Saison war es fast Usus, dass in Konzerten der Kammerakademie die Solisten mit Bearbeitungen aufwarteten, die ursprünglich für andere Instrumente bestimmt waren. Doch bei Robert Schumanns Cellokonzert in a-Moll op. 129 ist es anders. Der Komponist hat es eigenhändig für Violine arrangiert. Auch eine von ihm autorisierte Fassung für Soloinstrument und Streichquartett entstand. „Die Umgestaltung dieses Werkes ist nicht verwunderlich, hatte das Cellokonzert doch von Anfang an keinen leichten Stand bei Musikern und bereitete Schumann viel Kopfzerbrechen“, erzählt die Kammerakademie-Dramaturgin Solveig Schneider. „Die Violine lag damals in der Publikumsgunst höher als das Violoncello.“

Die Hoffnung auf mehr positive Reaktion war ihm sehr wichtig, da davon auch wirtschaftliche Erfolge abhingen.“ Die musikalische Substanz wurde in der Transkription auf keinen Fall angetastet. Bereichernd wird am Freitag auch die Begegnung mit „Nostalghia“, einem Konzert für Violine und Streichorchester sein, das der japanische Komponist Toru Takemitsu (1930–1996) im Gedenken an den von ihm verehrten russischen Filmregisseur Andrei Tarkowskij schrieb, ein Werk, das mit seiner subtilen Klangsinnlichkeit sehr für sich einnimmt. Takemitsu gehörte zu den ersten japanischen Komponisten, die mit ihren Werken internationale Aufmerksamkeit erregten.

Isabelle Faust hat sich ein großes Konzertrepertoire angeeignet, von Bach über Mozart, Beethoven, Brahms, Alban Berg bis eben zu Toru Takemitsu. Das Erkunden von Kompositionen und das tiefe Eindringen in die Musik stehen bei ihr ganz oben an. „Jeder Komponist hat eine eigene Sprache. Den Unterschieden auf die Spur zu gehen, zu forschen, macht Spaß und ist sinnvoll“, so die Geigerin. Die Neugierde ist ihr geblieben. Die ruhige Gelassenheit nimmt man ihr ab und dass sie eine großartige Künstlerin ohne Starallüren ist, kann man in ihren Konzerten erleben. Am Freitag auch im Nikolaisaal.

„Stars international“ mit Isabelle Faust und der Kammerakademie Potsdam am Freitag, 5. Juni, 20 Uhr, im Nikolaisaal.

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