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Bis zum 15. November wird auf dem Alten Markt das Schicksal 17 jüdischer Sportstars vorgestellt.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Von Bejubelten zu Verfolgten: Ausstellung in Potsdam widmet sich dem Schicksal jüdischer Sportstars

Fecht-Olympiasiegerin Lilli Henoch oder Fußballpionier Walther Bensemann: Die Schau „Zwischen Erfolg und Verfolgung“ stellt auf dem Alten Markt das Schicksal von 17 jüdischen Sportstars aus der Weimarer Republik vor.

Wer erinnert sich heute noch an die zehnfache Leichtathletikmeisterin Lilli Henoch? Oder an Helene Mayer, die 1928 zur Olympiasiegerin im Fechten wurde? Oder an den Fußballpionier Walther Bensemann, der den DFB mitbegründete und das bis heute bestehende Magazin Kicker ins Leben gerufen hat?

Sie und viele andere jüdische Sportlerinnen und Sportler, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts große Erfolge feiern konnten, fielen nach der Machtübernahme der Nazis lange Zeit dem Vergessen anheim. Die Ausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung“ möchte dies ändern: Bis zum 15. November wird in Potsdam das Schicksal von 17 jüdischen Sportstars vorgestellt, die in Form großer Silhouetten-Skulpturen auf dem Alten Markt stehen. „Die Ausstellung würdigt den großen Anteil jüdischer Athletinnen und Athleten an der Entwicklung des modernen Sports in Deutschland“, sagte Kurator Berno Bahro bei der Eröffnung.

4300
Mitglieder hat der jüdische Sportverband Makkabi Deutschland heute

Die Wanderausstellung des Zentrums deutsche Sportgeschichte e.V. und des Moses-Mendelssohn-Zentrums für Europäisch-Jüdische Studien an der Universität Potsdam gibt es bereits seit 2015: Berno Bahro, Sporthistoriker an der Universität Potsdam, hatte die Ausstellung 2015 gemeinsam mit seinem Potsdamer Kollegen Jochen Teichler und der Universität Göttingen erstellt. Finanziert wird das Projekt durch die DFB-Kulturstiftung, das Bundesministerium für Kultur und den Deutschen Olympischen Sportbund.

Einer der vorgestellten Sportler ist Julius Hirsch: Bereits mit sechs Jahren war er ein begeisterter Fußballer, der nach Gottfried Fuchs zum zweiten jüdisch-deutschen Nationalspieler werden sollte. Hirsch war bekannt für seine gebückte Laufhaltung und seine beidfüßige Schussstärke. Kurz nachdem er mit dem Karlsruher FV 1914 seine zweite Meisterschaft gewonnen hatte, zog er freiwillig als Soldat in den Ersten Weltkrieg. Als der Verein 1933 ankündigte, Juden aus dem Verein auszuschließen, kam Hirsch dem zuvor und trat selbst aus. 1943 wurde er nach Auschwitz deportiert, sein genaues Todesdatum ist unbekannt.

Sport als Selbstschutz

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Sport für viele Jüdinnen und Juden eine Möglichkeit, die gesellschaftliche Anerkennung zu bekommen, die ihnen in vielen anderen Bereichen verwehrt wurde. Erfolgreich waren sie vor allem im Jiu-Jitsu, Boxen, Ringen, Fechten, Tennis, Hockey und in der Leichtathletik.

Dass so viele Zweikampfsportarten dabei vertreten sind, ist kein Zufall: Aufgrund vieler antisemitischer Übergriffe wohnte der Leibesertüchtigung ganz klar ein Selbstschutzgedanke inne. Eine weitere Triebfeder für die jüdische Sportbegeisterung war die Widerlegung des Vorurteils von der vermeintlichen körperlichen Minderwertigkeit.

Auch der Schachweltmeister Emanuel Lasker ist in der Ausstellung vertreten.
Auch der Schachweltmeister Emanuel Lasker ist in der Ausstellung vertreten.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Ein Großteil der jüdischen Sportlerinnen und Sportler turnte ganz selbstverständlich in Vereinen, in denen nicht zwischen jüdisch oder nichtjüdisch unterschieden wurde. In der Weimarer Republik waren sie vollkommen in das deutsche Sportleben integriert.

Ab 1933 änderte sich dies schlagartig: „Manche Sportler wurden quasi über Nacht aus ihren Vereinen ausgeschlossen, ausgegrenzt und verfolgt“, sagte Bahro. Ein Beispiel: Nach Einführung eines „Arierparagrafen“, verlor die Frauenabteilung des Sport-Clubs Charlottenburg 1933 fast zwei Drittel ihrer Mitglieder. Ähnlich dramatisch waren die Auswirkungen auf den Boxsport: Nachdem der Verband deutscher Faustkämpfer Juden nicht nur von Kämpfen ausschloss, sondern es Profiboxern auch untersagte, jüdische Manager zu engagieren oder sich von jüdischen Ärzten behandeln zu lassen, reduzierte sich die Zahl der Profiboxkämpfe in Berlin auf ein Drittel.

Eine der bekanntesten Sportlerinnen der Weimarer Republik war die Leichtathletin, Hockey- und Handballspielerin Lilli Henoch: Im Laufe ihrer Karriere stellte sie vier Weltrekorde auf und verhalf der damals noch jungen deutschen Frauen-Leichtathletik zu Weltgeltung. Für die Nazis zählte all dies nichts: 1942 wurde Henoch zusammen mit ihrer Mutter nach Riga deportiert und ermordet.

Heute gibt es wieder viele jüdische Sportlerinnen und Sportler in Deutschland: Der jüdische Sportverband Makkabi Deutschland hat circa 4300 Mitglieder, die in 37 Vereinen organisiert sind. Doch nach dem Angriff der Hamas auf Israel ist auch hierzulande ein Schatten auf das jüdische Sportleben gefallen: Olliver Tietz, der Geschäftsführer der DFB-Kulturstiftung, wies bei der Eröffnung der Ausstellung darauf hin, dass deutsche Makkabi-Vereine aktuell ihren Spielbetrieb einschränken oder einstellen mussten, zum Teil findet er unter Polizeischutz statt.

„Dass dies 70 Jahre nach der Shoah in Deutschland passiert, ist unerträglich“, sagt Tietz. Auch die Ausstellung über jüdische Sportstars sei in der Vergangenheit immer wieder Ziel von Angriffen gewesen.

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