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Baustelle Garnisonkirche Potsdam. Der Kirchturm steht direkt am Atelierhaus „Rechenzentrum“ in der Breiten Straße.

© Andreas Klaer

Turm der Garnisonkirche: Das Gerüst schwindet – und die Ausstellung wird konzipiert

Am 21. März jährt sich zum 90. Mal der Tag von Potsdam. Im kommenden Jahr wird als Erinnerungsort die Dauerschau im Turm der Garnisonkirche geöffnet sein.

Wenn es in den kommenden Tagen wärmer wird, sollen erste Teile des Baugerüsts am neuen Turm der Garnisonkirche abmontiert werden. Das sagte der Kommunikationsvorstand der Stiftung Garnisonkirche, Wieland Eschenburg, den PNN am Mittwoch auf Anfrage. Voraussetzung sei, dass die Temperatur im Mauerwerk des Turms über sieben Grad betrage. Denn die Anker für das Gerüst müssten herausgezogen und die Löcher verschlossen werden. Das dafür nötige Mittel benötige eine Mindesttemperatur, „sonst bindet es nicht ab und fällt raus“, so Eschenburg. Eigentlich hatte die Stiftung schon eher auf einen Abbautermin gehofft – was das kalte aber Wetter nicht zuließ.

Gleichwohl geht Eschenburg weiter davon aus, dass der Turm nebst Aussichtsplattform und einer Ausstellung im Anfang nächsten Jahres eröffnet werden kann: „Daran halten wir weiter fest.“

Der von Potsdam am 21. März 1933: Beim Staatsakt in der Garnisonskirche spricht Reichskanzler Adolf Hitler vor Reichspräsident Paul von Hindenburg.
Der von Potsdam am 21. März 1933: Beim Staatsakt in der Garnisonskirche spricht Reichskanzler Adolf Hitler vor Reichspräsident Paul von Hindenburg.

© dpa

Damit steht für einen verhängnisvollen Tag in Verbindung mit dem Bau ein weiterer Erinnerungsort zur Verfügung: Für den sogenannten Tag von Potsdam vom 21. März 1933, der sich am kommenden Dienstag zum 90. Mal jährt – es geht um den symbolträchtigen Handschlag zwischen Reichspräsident von Hindenburg und dem neuen Reichskanzler Adolf Hitler vor der Garnisonkirche. Denn auch diesen Teil der Geschichte werde die Dauerausstellung beinhalten, so Eschenburg.

Die Geschichte kann nicht auf diesen Tag reduziert werden.

Jürgen Reiche, früherer Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums in Leipzig und Kurator für die Dauerausstellung in der Garnisonkirche

Konzipieren wird die Schau Jürgen Reiche, der frühere Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums in Leipzig. Selbstverständlich müsse der „Tag von Potsdam“ dabei eine besondere Beachtung erfahren, sagte Reiche der Nachrichtenagentur dpa. „Aber die Geschichte kann nicht auf diesen Tag reduziert werden.“ Dies betreffe etwa das Bündnis zwischen Militär und Kirche, die Verbindung zwischen Altar und Thron, die in der Ausstellung ausführlich thematisiert werde, betont Reiche.

„Auch die Geschichte über den Tag hinaus ist vielschichtig, ambivalent und aufschlussreich, sie spielt in diesen 21. März hinein und wirkt bis heute nach.“ Wichtig sei auch, das Thema wehrhafte Demokratie als Aufgabe für Gegenwart und Zukunft zu verdeutlichen, sagte er den PNN.

Kritiker wie die Initiative „Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche“ und der „Lernort Garnisonkirche“ der christlichen Martin-Niemöller-Stiftung kämpfen schon sei Beginn der Planungen gegen den Wiederaufbau – weil sie die Restauration eines Sammlungsorts der Rechten befürchten. Dabei wird auch immer wieder auf den Tag von Potsdam verwiesen. „Historisch gilt er als Geburtsstunde des Dritten Reiches“, sagte Philipp Oswalt vom Lernort Garnisonkirche. „Die alten Eliten übergaben den Staffelstab an die neuen Machthaber.“

Die Garnisonkirche sei damit symbolisch neu aufgeladen worden, nachdem sie mit dem Zusammenbruch des Kaiserreichs den Status als Symbolort des Preußentums verloren hätte, sagte Oswalt. Doch beim Kampf gegen den Wiederaufbau der Kirche gehe es bei weitem nicht nur um den Tag von Potsdam, betonte Oswalt. Schon in den 1920er Jahren sei die Kirche ein Versammlungsort der restaurativen Kräfte gewesen, die gegen die Weimarer Republik gekämpft hätten.

Die Garnisonkirche sei immer ein Sehnsuchtsort der extremen Rechten gewesen, sagte auch Gideon Botsch, der Leiter der Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus am Moses Mendelssohn Zentrums (MMZ) der Universität Potsdam. „Und wie sich dies nun nach dem Wiederaufbau des Kirchturms entwickelt, bleibt abzuwarten.“ 

Der Architekt Philipp Oswalt vom Lernort Garnisonkirche.
Der Architekt Philipp Oswalt vom Lernort Garnisonkirche.

© privat / privat

Dagegen betont Jürgen Reiche als wissenschaftlicher Leiter und Kurator der geplanten Ausstellung zur Garnisonkirche die Notwendigkeit des Wiederaufbaus. Damit biete sich „hier und heute doch endlich einmal eine Möglichkeit, sich der Geschichte dieser Kirche und damit auch Preußens in einer Ausstellung öffentlich zu stellen – kritisch, frei von Mythen, fragend und mit sachlicher Distanz“, sagt Reiche.

Der Potsdamer Politikwissenschaftler Gideon Botsch
Der Potsdamer Politikwissenschaftler Gideon Botsch

© dpa

„Wo sonst gibt es in Potsdam einen Ort, jenseits des schönen Scheins von Schlössern und Parks, an dem diese politische Geschichte in größeren Zusammenhängen erzählt wird?“ Hingegen zweifeln Kritiker wie Oswalt, dass für die komplexen Inhalte genügend Ausstellungsraum vorhanden sei.

Die einstige Militärkirche hat eine bewegte Geschichte: 1945 brannte das Gotteshaus nach einem Luftangriff aus. Ein Raum im Turm wurde weiter als Kapelle genutzt. Die Ruine wurde 1968 abgerissen, der Turm gesprengt. 2005 wurde der Grundstein für den neuen, bis zu 90 Meter hohen Turm gelegt, 2008 eine kirchliche Trägerstiftung gegründet. Die Bauarbeiten begannen 2017. Der Bund sagte mehr als 20 Millionen Euro für das mehr als 40 Millionen Euro teure Projekt zu, die evangelische Kirche steuert unter anderem fünf Millionen Euro Kredite bei. Dazu kommen Spendengelder. (mit dpa/epd)

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