zum Hauptinhalt
Sozialwerk-Büroleiter Michael Mehlmann im Beratungsgespräch in den Räumen auf dem Klinikums-Campus in der Berliner Straße 151.

© Andreas Klaer

Sozialwerk schlägt Alarm: Potsdamer Beratungsstelle für Blinde und Sehbehinderte in Gefahr

Das Sozialwerk ist wegen einer Finanzierungslücke in Sorge. Sollte es bei der geplanten städtischen Förderung für 2024 bleiben, stünde die Beratungsstelle vorm Aus, warnt der Verein.

In der Beratungsstelle des Sozialwerks Potsdam bekommen sehbehinderte und blinde Menschen kostenlos und ohne Verpflichtungen Rat und Hilfe zum Beispiel bei der Beantragung des Schwerbehindertenausweises, des Blindengeldes oder zu Leistungen aus der Pflegeversicherung. Außerdem organisiert der vor 33 Jahren gegründete Verein wöchentliche Aktivitäten wie Schwimmen oder Kegeln sowie einmal monatlich eine größere Veranstaltung. Diese Arbeit ist wegen einer Finanzierungslücke für 2024 in Gefahr, wie Geschäftsführer Reinhard König jetzt den PNN sagte.

Auch mit der von den Stadtverordneten zuletzt bewilligten angepassten städtischen Förderung für Sozialprojekte bliebe beim Sozialwerk für das kommende Jahr eine Lücke von rund 7000 Euro, rechnet König vor. Wie berichtet hatten Stadt und die rot-grün-rote Rathauskooperation nach Protesten von Sozialverbänden die Ausgaben aus dem Stadthaushalt noch einmal erhöht. Für das Sozialwerk bedeutete das zwar eine Verdoppelung der zuerst vorgesehenen Summe: Statt 15.704 Euro soll der Verein für 2024 nun 30.411,15 Euro bekommen - fünf Prozent mehr als in diesem Jahr. Beantragt waren aber 37.521 Euro.

Wenn das Geld wegfällt, müssten wir die Beratungsstelle schließen.

Reinhard König, ehrenamtlicher Geschäftsführer des Sozialwerk Potsdam e.V.

Mit dem Geld zahle man die Miete für die Büroräume auf dem Klinik-Campus in der Berliner Straße 151 und die Gehälter für die zwei Mitarbeitenden - Büroleiter und Berater Michael Mehlmann sowie eine weitere Teilzeitkraft, erklärt König. Beide erhielten lediglich den gesetzlichen Mindestlohn, der zuletzt auf zwölf Euro gestiegen ist und in den kommenden zwei Jahren weiter steigt. Außerdem fließe Geld in die Vorbereitung der Veranstaltungen, für die die Teilnehmenden aber auch Unkostenbeiträge leisten. Er selbst als langjähriger ehrenamtlicher Chef erhalte keine Aufwandsentschädigung, Sitzungsgeld oder ähnliches, betont König. Der Verein wird zudem von 15 bis 20 ehrenamtlichen Helfern unterstützt.

Mindestlohn-Gehälter nicht aus eigener Kraft zu stemmen

Beim Sozialwerk hofft man jetzt auf Nachverhandlungen - obwohl die Stadtverordneten über den Haushalt entschieden haben. Aber noch liege dem Verein kein Förderbescheid der Stadt vor, sagte König den PNN. „Es gibt eine große Unruhe und Unsicherheit“, so der 86-jährige ehemalige Leiter des Blindenheimes in der Berliner Vorstadt. „Wenn das Geld wegfällt, müssten wir die Beratungsstelle schließen“, warnt er. Zwar könne der Verein weiterbestehen, aber die Miete für die Räume und die Gehälter für die 1,6 Personalstellen könne man nicht aus eigener Kraft stemmen - beides müsste gekündigt werden.

Unterstützung für Sehbehinderte und Blinde: Sozialwerk-Büroleiter Michael Mehlmann (vorn) und Reinhard König, der ehrenamtliche Geschäftsführer.
Unterstützung für Sehbehinderte und Blinde: Sozialwerk-Büroleiter Michael Mehlmann (vorn) und Reinhard König, der ehrenamtliche Geschäftsführer.

© Andreas Klaer

Die Stadt stehe für den größten Anteil der Finanzierung. Darüber hinaus bekomme das Sozialwerk Geld vom Landkreis Potsdam-Mittelmark, vom Landesamt für Soziales in Form eines Lohnzuschusses für den schwerbehinderten Mitarbeiter und über Spenden. Die Spendensumme schwanke, berichtet König: Mal können das 5000, mal 2500 Euro im Jahr sein. Das sei aber nicht die nötige, sichere Grundlage für Arbeitsverträge. Eine weitere Einnahmequelle sind Eigenmittel - hauptsächlich aus den Jahresbeiträgen der rund 130 Mitglieder, die zuletzt von 36 Euro auf 40 Euro erhöht wurden.

Die Beratungsstelle suchten jeden Monat rund 15 Menschen auf, darunter auch Geflüchtete aus Syrien, der Ukraine oder dem Tschad, sagt König. Pro Fall komme man auf bis zu 20 Arbeitsstunden - etwa, wenn Widersprüche bei Antragsverfahren nötig werden. Die monatlichen Veranstaltungen besuchten zwischen 50 und 70 Teilnehmer. Auch die regelmäßigen Gesprächskreise seien essenziell für Menschen, die im Alter ihr Sehvermögen verlieren. Es gehe zum Beispiel um Tipps zur Orientierung beim Einkauf oder im Nahverkehr: „Das ist kein geselliges Gespräch, sondern lebensnotwendig“, sagt König.

In Potsdam lebten Stand Oktober 2022 nach Auskunft der Stadt 213 blinde und 14 taubblinde Personen. Die Zahl der Sehbehinderten wird nicht statistisch erfasst.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false