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Wegen Energiekrise und Inflation suchen immer mehr Menschen in Potsdam Hilfe bei Schuldnerberatungsstellen.

© imago/photothek / Ute Grabowsky/photothek.net

Schuldnerberater geben Tipps: Immer mehr Potsdamer suchen Hilfe

Geldprobleme sind nach Angaben der AWO noch immer schambehaftet. Viele Betroffene besorgen sich erst spät Unterstützung.

Die jüngsten Zahlen klingen noch beruhigend: Laut dem Schuldneratlas Deutschland 2022, herausgegeben von der Auskunftei Creditreform, waren 2022 rund 8000 Brandenburger:innen weniger als im Vorjahr überschuldet, also nicht mehr in der Lage, laufende Rechnungen zu bezahlen. Doch in Potsdamer Beratungsstellen zeichnet sich ab, dass es dieses Jahr anders werden könnte.

„Sorgen zu verstärken ist nicht meins. Aber die Situation ist nicht gut“, sagt Ingrid Trakat, Schuldnerberaterin beim Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk (EJF). Immer mehr Menschen würden besorgt Rat suchen. Man müsse wohl bald Wartelisten einführen, sagt sie. Bei der Schuldner- und Insolvenzberatung der AWO ist das bereits der Fall: Einen Monat müsse man in Potsdam auf einen persönlichen Termin warten, heißt es auf PNN-Anfrage. Vor einem Jahr habe man in maximal zwei Wochen einen Termin anbieten können.

Rechtzeitig Hilfe suchen

„Unser Klientel ändert sich“, sagt Matthias Jäkle, Schuldner- und Insolvenzberater für die AWO in Potsdam. Auch Menschen mit mittleren Einkommen suchen Hilfe, „Leute, die in Lohn und Brot sind“, so Jäkle. Trotzdem seien Geldprobleme immer noch schambehaftet: Viele Betroffene würden erst spät Hilfe suchen. „Dabei lässt sich vieles einfacher lösen, wenn man es rechtzeitig angeht”, sagt Aline Liebenow, AWO-Beraterin in Potsdam-Mittelmark.

Viele Betroffene öffnen ihre Post nicht mehr. Der Briefkasten wird als Feind wahrgenommen.

Matthias Jäckle, Schuldner- und Insolvenzberater bei der AWO in Potsdam

EJF-Beraterin Trakat empfiehlt zunächst, alle Ausgaben auf den Prüfstand stellen: „Gibt es Versicherungen oder Abos, die nicht mehr genutzt werden?“ Auch sollten mögliche Ansprüche auf Sozialleistungen wie Wohngeld geprüft werden. Ein weiterer Schritt sei das Einrichten eines Pfändungsschutzkontos: Dieses verhindert eine Pfändung bis zu einem bestimmten Betrag. Trakat warnt Betroffene, sich damit einzurichten: „Der Pfändungsschutz kuriert Symptome, ist aber allein keine Lösung.“

AWO-Berater Jäkle weiß, wie belastend Überschuldung für Betroffene ist. Viele würden ihre Post nicht mehr öffnen, aus Angst und Niedergeschlagenheit. „Der Briefkasten wird als Feind wahrgenommen“, sagt er. Dabei sei die Kommunikation mit den Gläubigern enorm wichtig, betont Liebenow: „Oft kann man sich einigen, manche Gläubiger warten mit ihren Forderungen.“

Es nützt nichts, zu empfehlen, eine preiswertere Wohnung zu suchen, wenn es die einfach nicht gibt.

Ingrid Trakat, Schuldnerberaterin bei der EJF in Potsdam.

So könne man auch einen angemessenen Zahlungsplan vereinbaren. Doch gerade hier sei Vorsicht geboten: „Nicht alle Gläubiger und Inkasso-Unternehmen spielen fair”, sagt AWO-Chefin Angela Schweers. Ihr seien Tilgungspläne bekannt, bei denen die Zinsen höher als die Raten waren. So zahlen die Betroffenen zwar monatlich, bauen aber keine Schulden ab..

Privatinsolvenz muss nicht sein

Manchmal kann eine Privatinsolvenz der letzte nötige Schritt sein: Für drei Jahre wird Einkommen über einer bestimmten Grenze – bei alleinlebenden Personen 1339,99 Euro – gepfändet. Dafür ist man dann schuldenfrei. „Das ist sinnvoll, wenn ich mich nicht aus eigener Kraft aus der Überschuldung befreien kann“, sagt Trakat. AWO-Beraterin Liebenow betont: „Es ist nur ein möglicher Ausweg.“ Es lohne sich, erst zu prüfen, ob manche Forderungen schon verjährt sind.

Die schwierige Lage in Zeiten von Energiekrise und Inflation setzt aber auch der Schuldnerberatung Grenzen: „Es nützt nichts, zu empfehlen, eine preiswertere Wohnung zu suchen, wenn es die einfach nicht gibt“, sagt Trakat. AWO-Chefin Schweers sieht das ähnlich: „Überschuldeten Menschen wird oft vorgeworfen, sie hätten keine Disziplin”, sagt sie und schüttelt den Kopf. Das stimme nicht, diese Leute müssen ein hohes Maß an Disziplin an den Tag legen, um ihre Situation zu bewältigen.. „Das Problem ist: Es reicht an vielen Stellen einfach nicht mehr zum Leben“, sagt sie.

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