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Kraftübung mit 17 Kilogramm schwerem Bohrkopf: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD in Potsdam.

© Klaus D. Grote

Bundeskanzler Scholz besucht Bohranlage: Potsdam soll Vorreiter bei Tiefen-Geothermie werden

Die Stadtwerke Potsdam wollen künftig 40 Prozent des gesamten Wärmebedarfs mit Erdwärme decken. Die nächste Bohrung soll schon 2024 begonnen werden.

Die Stadtwerke Potsdam wollen in Zukunft 40 Prozent des Fernwärmebedarfs in der Stadt durch Geothermie decken. Die Tiefen-Geothermieanlage in der Heinrich-Mann-Allee ist der Hoffnungsträger für die grüne Energie. Am Montag besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Anlage, nachdem er vorher ähnliche Bohrungen in Schwerin und in Kenia besucht hatte.

Bei den Verantwortlichen der Stadtwerke ist die Anspannung zu spüren. Nicht nur wegen des Kanzlerbesuchs, sondern auch mit dem Blick auf die für Juni erwarteten Bohrergebnisse. Dann soll geklärt sein, welche Energieleistung an der Heinrich-Mann-Allee möglich sein wird. Ein totales Scheitern des Vorhabens schließt Eckard Veil, Geschäftsführer der Energie und Wasser Potsdam, aus. Ziel sei es, das benachbarte neue Wohnquartier auf dem alten Tramdepot mit 700 Wohnungen sowie insgesamt 4000 Haushalte in der Stadt mit Fernwärme zu versorgen.

33 Meter ragt der Bohrturm in die Höhe. Zehn Meter hohe Wände sollen die Nachbarschaft vor Lärm des 24-Stunden-Betriebs schützen.

© Andreas Klaer

Um an 50 bis 70 Grad heißes Wasser zu gelangen, geht der Bohrer 2160 Meter in die Tiefe. Für eine innerstädtische Bohrung sei das bundesweit einmalig, sagt Veit. In Schwerin werde in einem Gewerbegebiet gebohrt, in München rund um das Stadtzentrum. Um Geräuschbelästigungen des Rund-um-die-Uhr-Betriebs auszuschließen, wurden zehn Meter hohe Lärmschutzwände um den 33 Meter langen Bohrturm errichtet. Es habe keine Beschwerden gegeben, sagt Veit. Im Gegenteil, das Interesse an der Geothermie sei groß.

40
Prozent der in Potsdam benötigten Fernwärme soll mit Geothermie erzeugt werden.

Trotz allem sei die Bohrung ein großes Risiko für die Stadtwerke. Insgesamt kostet das Vorhaben 25 Millionen Euro. Das sei nur mit Förderung möglich. Und am Ende würden sich die Stadtwerke „keine goldene Nase verdienen“, wohl aber ihr Ziel bei erneuerbaren Energien erreichen, so Veit. Mit bis zu neun weiteren Bohrungen im Stadtgebiet sollen in Zukunft 40 Prozent des Wärmebedarfs der Stadtwerke-Kunden aus Geothermie gewonnen werden. Zusammen mit anderen Vorhaben sollen es 65 Prozent Wärme aus erneuerbaren Energien sein.

250 Millionen Euro Gesamtinvestition

Die Gesamtinvestition für die Tiefen-Geothermie würde nach heutiger Rechnung bei 250 Millionen Euro liegen. Dabei gebe es wegen fehlender Erfahrungen keine Privatversicherer, die Tiefenbohrungen im norddeutschen Raum versichern. Auch die Genehmigungen seien nicht einfach, sagt Co-Geschäftsführerin Christiane Preuß. „Es braucht sehr viel Mut.“ Die Stadtwerke würden mit Firmen aus Schweden, Dänemark und Frankreich sowie mit dem Geoforschungszentrum Potsdam zusammenarbeiten.

Ein ganz wichtiger Beitrag für die Zukunft unseres Landes.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über die Tiefen-Geothermie in Potsdam.

Mit dem Bundeskanzler sei über Genehmigungen, Förderung und Versicherungen gesprochen worden. Das Gespräch fand hinter verschlossenen Türen statt. Auch die Treppen zum Bohrturm stieg Scholz ohne den Pressetross empor. Anschließend sagte der Bundeskanzler, das Vorhaben in Potsdam sei ein „ganz wichtiger Beitrag für die Zukunft unseres Landes, damit wir unabhängig werden von den fossilen Ressourcen anderer Länder“ sowie für das Ziel der Klimaneutralität.

Scholz scheint inzwischen fast ein Experte auf dem Gebiet der Geothermie sein. Er stemmt einen 17 Kilogramm schweren Bohrkopf, erwähnt kurz, dass Kenia 90 Prozent seines Energiebedarfs durch Geothermie decken könne und dass in Schwerin schon in der 1980er-Jahren 30 Bohrungen stattgefunden hätten, von denen ohne die heutigen Möglichkeiten der Seismik zur Erdkrustenerforschung 29 erfolgreich waren. Allerdings sei damals nur ein Projekt realisiert worden, „weil Gas so billig war“, so Scholz.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Oberbürgermeister Mike Schubert (beide SPD) bei der Besichtigung des Bohrturms an der Heinrich-Mann-Allee.

© Andreas Klaer

Die Tiefenbohrung in der Heinrich-Mann-Allee habe ergeben, dass das innerstädtische Vorhaben kein Risiko darstelle, sagt Eckard Veit. Es habe keinerlei Schäden oder Probleme gegeben. Potsdam befinde sich mit diesem Vorhaben deutschlandweit an der Spitze und könne zum Vorreiter werden.

Als Nächstes stehe eine für kommendes Jahr angepeilte Bohrung im Bereich des Heizkraftwerks Süd an, sagt Projektleiter André Gerstenberg. Geologisch untersucht würden außerdem Bereiche beidseitig der Nuthestraße (Höhe Wetzlarer Straße sowie Nähe Gartenstraße in Babelsberg). Auch in Krampnitz sei Tiefen-Geothermie vorgesehen. Geprüft werde zudem eine Fläche Nahe des Griebnitzsees, sagte Veit. Zehn, maximal elf Bohrungen seien auf dem Gebiet Potsdams möglich. Eine vollständige Energiegewinnung aus Geothermie sei in der Stadt ausgeschlossen. Zur Steuerung bliebe eine Kraftwärmekopplung, in Zukunft möglicherweise mit Wasserstoff, notwendig, erklärt Veit.

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