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Bei einer Kundgebung demonstrierten einige Hundert Bauern und Unterstützer vor dem neuen Bahnwerk.

© AFP/Jens Schlueter

Kanzler spricht mit Bauernpräsident: Proteste bei Einweihung von ICE-Ausbesserungswerk in Cottbus

Bauern und Mittelstands-Unterstützer demonstrierten beim Besuch des Bundeskanzlers in der Lausitz. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) machte den Landwirten ein Angebot.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eröffnete am Donnerstag das neue ICE-Ausbesserungswerk der Deutschen Bahn in Cottbus. Vor der Tür demonstrierten einige Hundert Bauern und Unterstützer aus dem Mittelstand gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung. Nach der Einweihung sprach Scholz mit dem Landesbauernpräsidenten.

In dem neuen Werk soll in Zukunft die ICE-Flotte der Deutschen Bahn gewartet werden. Während die routinemäßige Wartung der Züge an den Strecken stattfindet, ist eine Hauptinstandsetzung der Züge alle vier bis sechs Jahre notwendig. Das Cottbuser Werk wird aus zwei Hallen bestehen, die erste nahm am Montag den Betrieb auf. Die zweite soll 2026 fertiggestellt werden.

Dietmar Woidke (links, SPD), Brandenburgs Ministerpräsident, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Eröffnungsfeier.
Dietmar Woidke (links, SPD), Brandenburgs Ministerpräsident, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Eröffnungsfeier.

© dpa/Patrick Pleul

Dann sollen bis zu fünf Züge pro Woche zur Instandsetzung nach Cottbus gebracht werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahn werden in den neuen Hallen gleichzeitig auf drei Arbeitshöhen an den Zügen arbeiten können. Dafür werden die ICE vollständig in die Halle gefahren, mit allen Wagen. Auf diese Weise gehen die Arbeiten besonders schnell, sodass die Züge bald wieder auf die Schiene kommen.

Scholz sagte, er sei „ganz gerührt“, dass so ein moderner Bau in so kurzer Zeit fertiggestellt werden konnte. Er erinnere sich aber auch daran, dass die Förderung des Projekts anfangs gegen „Bedenkenträger“ durchgesetzt werden musste.

Besonders beeindruckend sei die Leistung des Cottbuser Start-ups Sonocrete, hob der Kanzler hervor, das einen neuartigen und vergleichsweise klimaschonenden Beton für das Bauprojekt geliefert hatte. Dieses Beispiel zeige, dass die Umstellung der Wirtschaft auf Klimaneutralität nicht im Widerspruch stehe zum Ausbau des Wohlstands.

Im Cottbuser DB-Instandhaltungswerk werden ICE 4-Züge in voller Länge gewartet. Das Werk wird über das Strukturstärkungsgesetz des Bundes finanziert.
Im Cottbuser DB-Instandhaltungswerk werden ICE 4-Züge in voller Länge gewartet. Das Werk wird über das Strukturstärkungsgesetz des Bundes finanziert.

© dpa/Patrick Pleul

Während der Veranstaltung war von draußen lautes Hupen und Motorengeräusch zu hören. Der Landesbauernverband hatte zu einer Demonstration aufgerufen. Am Vormittag waren Bauern und Unterstützer in einem Fahrzeugkorso durch die Stadt gefahren. Dann demonstrierten sie auf der Straße vor dem Werk.

Scholz ging in seiner Rede nicht auf die Bauern-Proteste ein, sprach aber nach der Eröffnungsfeier fast eine Stunde lang mit dem Landesbauernpräsidenten Henrik Wendorff und Brandenburgs Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD). Das Gespräch mit dem Kanzler sei „lösungsorientiert“ gewesen, sagte Wendorff später. Dabei sei es nicht nur um die Streichungen bei Agrardiesel-Subventionen gegangen, sondern um die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland.

Henrik Wendorff ist der Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg.
Henrik Wendorff ist der Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg.

© AFP/Jens Schlueter

Er habe dem Kanzler gesagt, dass die Betriebe Unterstützung bräuchten bei der Umstellung auf nachhaltigere Wirtschaftsformen. Nur so könnten zum Beispiel Landmaschinen auf Biokraftstoffe und später auch Elektromobilität umgestellt werden.

Gemeinsam mit Woidke trat Wendorff nach diesem Gespräch auf der Bühne der protestierenden Bauern vor dem Werk auf. „Wir stehen hier als Demokraten“, sagte der Landesbauernpräsident. Er dankte den Bauern dafür, dass sie von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch gemacht und ihren Unmut friedlich auf die Straße getragen hätten. Die Protestbewegung sei aber noch lange nicht am Ziel.

Woidke kann Trecker fahren und melken

Dietmar Woidke betonte, dass er selbst auf dem Bauernhof seiner Familie aufgewachsen ist. „Ich kann Trecker fahren, ich kann Kühe melken“, sagte er. Die Subventionskürzungen auf Bundesebene müssten zurückgekommen werden. Landwirte seien Unternehmer, daher brauchten sie Planungssicherheit. Doch auch in Brandenburg gebe es Verbesserungsbedarf, daher wolle er in der kommenden Woche am Donnerstag mit dem Landesbauernverband über mögliche Erleichterungen für die Branche sprechen.

Zuvor hatte Tobias Schick (SPD), der Oberbürgermeister der Stadt Cottbus, auf der Kundgebung gesprochen. Es gebe Versuche, die Protestbewegung zu unterwandern, sagte der SPD-Politiker mit Blick auf die AfD und rechte Gruppen, die bereits am Montag eine Demonstration organisiert hatten. „Lasst euch nicht instrumentalisieren“, rief Schick. Im Publikum stand der AfD-Politiker Jean-Pascal Hohm und hörte zu.

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