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Landesrabbiner Ariel Kirzon (r.) verfolgt im Landtag die Aktuelle Stunde zum Thema Bekämpfung von Antisemitismus.

© dpa/Soeren Stache

Grünes Licht für Antisemitismusbeauftragten : Brandenburgs Landtag verurteilt Hamas-Terror gegen Israel

In Brandenburg nehmen antisemitische Übergriffe zu. Jüdinnen und Juden sollen einen Ansprechpartner bekommen, und zwar direkt beim Landesparlament.

Weil Judenhass auch in der Mark wächst, sich Jüdinnen und Juden bedroht fühlen: Brandenburg bekommt einen Antisemitismusbeauftragten. Das Besetzungsverfahren und die Suche kann nun offiziell beginnen. Es war eine hoch kontroverse, aufgewühlte Auseinandersetzung vor allem mit der AfD, ehe Brandenburgs Landtag am Donnerstag das Gesetz beschloss, mit dem die jüdische Gemeinschaft Brandenburgs auch einen unabhängigen Ansprechpartner, eine Ansprechpartnerin bekommt, direkt beim Parlament angesiedelt. Die Ausschreibung soll im Dezember erfolgen.

Der Beschluss fiel über Oppositions- und Koalitionsgrenzen hinweg mit deutlicher Mehrheit von SPD, CDU, Linken, Grünen und Freien Wählern, die ein Dreivierteljahr vor der Landtagswahl - trotz des begonnenen Wahlkampfes - diesen über Tagespolitik hinausgehenden Gesetzentwurf gemeinsam eingebracht hatten. Die extrem rechte AfD, nach Umfragen aktuell stärkste Partei, stimmte geschlossen gegen das Gesetz, wie bereits voriges Jahr gegen die Verankerung des Kampfes gegen Antisemitismus als Staatsziel in der Landesverfassung.

Es geht um die Bekämpfung von Rechtsextremismus und des Islamismus. Beide Ideologien haben Antisemitismus als festen Bestandteil.

Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident

„Jüdisches Leben, jüdische Kultur gehören zu uns. Sie sind nichts, was in der Nische ist. Sie gehören zu Brandenburg“, versicherte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Das sei vor dem Hintergrund des Holocaust ein Geschenk, ein Vertrauensvorschuss der Jüdinnen und Juden. „Wir dulden keine antisemitischen Taten. Wir dulden keine antisemitischen Äußerungen.“ Er betonte, dass die Landesregierung das Vorhaben eines Antisemitismusbeauftragten, beim Souverän angesiedelt, von Beginn an unterstützt habe.

Angesichts des Hamas-Terrorkrieges gegen Israel und antiisraelischer Kundgebungen in Deutschland erklärte Woidke: „Es geht um die Bekämpfung von Rechtsextremismus und des Islamismus. Beide Ideologien haben Antisemitismus als festen Bestandteil“, sagte der Regierungschef. „Beide dürfen in Brandenburg keinen Platz haben.“ Es sei bitter, dass Antisemitismus auch im Lande allgegenwärtig sei. „Es ist unser Auftrag, dass Jüdinnen und Juden sicher ihrer Religion nachgehen, ihr Leben offen führen können.“

Ordnungsruf für Walter wegen „Nazi“-Ruf

Dass AfD-Fraktionschef Christoph Berndt Antisemitismus im Land allein „auf Massenmigration“, die Öffnung der Grenzen 2015 und den „politisierten Islam“ zurückführte, angeblichen Missbrauch des Begriffs gegen Andersdenkende geißelte, sorgte für allgemeine Empörung. „Das zeigt, dass sie nichts, aber auch gar nichts aus deutscher Geschichte gelernt haben“, sagte SPD-Fraktionschef Daniel Keller. Es sei unerträglich, Geflüchtete und Juden gegeneinander auszuspielen.

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„Nie wieder“ sei nach Auschwitz Verpflichtung, auch für ihn persönlich, sagte Linke-Fraktionschef Sebastian Walter. Das sage er auch als „Enkel eines Täters, eines SS-Offiziers.“ Walter kassierte einen Ordnungsruf von Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke. Er hatte Berndt und Landtagsvize Andreas Galau am Rednerpult als Nazis bezeichnet, vorher während der Berndt-Rede in einem Zwischenruf als „Nazischwein!“. Die AfD drohte mit einer Strafanzeige.

Lob für Büttner-Auftritt

Im Wirbel um die Walter-Attacke - das Landtagspräsidium beriet darüber auf AfD-Antrag - geriet die bewegende, auch sehr persönliche Rede des eigenen Linke-Abgeordneten Andreas Büttner in den Hintergrund. „Zu lange haben wir gedacht. Antisemitismus ist zwar da, aber kein großes Problem. Wir sehen nun: Wir haben nicht genug getan“, sagte Büttner. „Es ist kein importiertes Problem.“ Er geißelte den „genoziden Akt“ der Hamas gegen Israel, die Täter-Opfer-Umkehr durch verschiedene Seiten. „Doch das Selbstverteidigungsrecht und das Existenzrecht Israels sind nicht verhandelbar.“ Büttner, selbst für das Amt des Antisemitismusbeauftragten im Gespräch, bekam Lob für seinen Auftritt, auch aus der SPD, von Grünen und selbst der CDU.

Die Aktuelle Stunde zu Antisemitismus und Toleranz hatte die CDU beantragt. „Der Kampf gegen Antisemitismus ist aus gutem Grund Teil der deutschen Leitkultur“, erklärte Fraktionschef Jan Redmann. „Schweigen ist keine Option.“ Es sei bestürzend, wenn jüdische Menschen Angst haben. Der Staat müsse dem wehrhaft entgegentreten. Es gehe aber auch um Bildung, um Aufklärung. Man müsse Antisemitismus, egal woher er komme, entgegentreten - auch von linker Seite, aus der Klimabewegung. Es gebe auch keinen Grund für Corona-Kritiker, den Davidstern zu verwenden, so Redmann.

Jüdische Gemeinden reden bei Personalie mit

Landesrabbiner Ariel Kirzon und weitere Vertreter jüdischer Vereinigungen verfolgten die Debatte aufmerksam von den Rängen im Plenarsaal. Mit dabei war auch Susanne Krause-Hinrichs, die Geschäftsführerin der Flick-Stiftung, die dem Vernehmen von jüdischen Vertretern für den neuen Posten favorisiert wird. In den letzten Wochen hatten sie eine Mitsprache bei der Auswahl angemahnt, was nun auch gesetzlich verankert worden war.

Neben dem Gesetz verabschiedete der Landtag einen Entschließungsantrag, ein politisches Bekenntnis. „Der Landtag Brandenburg verurteilt jede Form des Antisemitismus und israelbezogenen Hasses und steht unverrückbar an der Seite der Jüdinnen und Juden in Deutschland sowie solidarisch an der Seite Israels“, heißt es darin. „Alle Versuche, den Terror der Hamas zu verharmlosen, zu relativieren oder gar zu feiern, sind auf das Schärfste zu verurteilen.“ Die AfD enthielt sich bei dieser Abstimmung.

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