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Schloss Oranienburg, ältestes Barockschloss der Mark Brandenburg.

© imago/Rolf Kremming

Eklat im Oranienburger Stadtparlament : AfD-Politiker spricht von „linkem Nationalsozialismus“

Bei der Debatte um die Neugestaltung eines KZ-Gedenkortes bezeichnet ein AfD-Verordneter die Nationalsozialisten als „links“. Die Sitzung geht im Anschluss ohne ihn weiter.

Stadtverordnetenversammlungen können sehr zähe Angelegenheiten sein. Im brandenburgischen Oranienburg dauerte die Sitzung des städtischen Parlaments am Montagabend knapp vier Stunden und endete erst kurz vor 22 Uhr. Mittendrin ein Eklat, der den Ausschluss des AfD-Kommunalpolitikers Joachim Radke zur Folge hatte und einen Großteil der Stadtverordneten fassungslos zurückließ.

Bereits zu Beginn der Sitzung hatte sich der stellvertretende Ortsvorsitzende der Oranienburger Alternative, Radke, eine mündliche Verwarnung eingehandelt, nachdem er in einer Wortmeldung davon gesprochen hatte, dass Steuereinnahmen angeblich in „irgendwelchen Kanälen“ verschwänden. Nichts Ungewöhnliches in der Oranienburger Stadtverordnetenversammlung, in der AfD-Mann Radke immer wieder durch Provokationen auf sich aufmerksam macht.

„Er weiß genau, wie weit er gehen kann“, sagte Stadtverordnetenvorsteher Dirk Blettermann (SPD) dem Tagesspiegel. Normalerweise reiche der mündliche Hinweis an ihn, „sich zurückzuhalten“. Diesmal reichte er nicht. Denn bei einem weiteren Tagesordnungspunkt im Verlaufe der Sitzung ergriff Radke erneut das Wort. Diesmal ging es um die „würdige Neugestaltung des Gedenkortes zum KZ Oranienburg“, über die auf Antrag der SPD, der Linken, der FDP, den Grünen und den Freien Wählern/Piraten abgestimmt werden sollte.

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„Totalitärer linker Nationalsozialismus“

„Grundsätzlich, von unserer Fraktion aus, ist es wirklich wichtig, an den totalitären linken Nationalsozialismus mit seinen Untaten zu erinnern“, begann Radke seine Einlassung zu dem Antrag, um daraufhin anzukündigen, dass seine AfD-Fraktion den Antrag zwar nicht ablehne, sich bei der folgenden Abstimmung aber enthalten werde. Linker Nationalsozialismus?

Eine „Relativierung des Nationalsozialismus“, sagt Enrico Geißler von den Linken, der sich gleich im Anschluss an Radkes Äußerung zu Wort meldete und gleichzeitig den Vorsteher des Stadtparlaments, Blettermann, dazu aufforderte, das Statement des AfD-Mannes zu rügen. Trotz eindeutiger Ansprache Blettermans meldete sich Joachim Radke im Folgenden erneut und sprach diesmal davon, dass es keine „rechten Sozialisten“ geben würde. Nun griff der Vorsitzende Blettermann durch und verwies den AfD-Politiker des Saals.

Sprach von „totalitärem linken Nationalsozialismus“. AfD-Kommunalpolitiker Joachim Radke.

© imago/Sven Simon

„Wir wollen hier eigentlich unsere Kommune voranbringen und uns nicht mit Nebenschauplätzen beschäftigen“, sagte Sitzungsleiter Blettermann am Dienstag dem Tagesspiegel. In diesem Fall sei ihm aber keine andere Wahl geblieben, als Radke wegen seiner Äußerungen vorübergehend aus dem städtischen Parlament zu entfernen.

Joachim Radke selbst kommentierte seinen montäglichen Rauswurf, über den zuerst die „Märkische Allgemeine Zeitung“ und die „Märkische Oderzeitung“ berichtet hatten, auf Facebook. Er habe „mitnichten die Taten der Nazis relativieren oder verleugnen“ wollen, vielmehr hätten auch „Kommunisten und SPD“ unter den Nazis gelitten. So habe er es auch in der Stadtverordnetenversammlung dargestellt, doch „offenbar“ werde die SPD „dünnhäutig bezüglich der eigenen Wahlprognosen.“

„Ganz im Sinne rechtsextremer Kommunikationsstrategien ...“

Keine Reue, dafür ein weiterer Angriff auf die politische Konkurrenz. Typisch Radke, sagt zumindest Linken-Stadtverordneter Geißler. Die Wortbeiträge des AfD-Mannes im Stadtparlament hätten „in der Regel wenig bis nichts mit den Themen der SVV oder Kommunalpolitik (...)“ zu tun. Er falle häufig damit auf, „ganz im Sinne rechtsextremer Kommunikationsstrategien zu agieren und zu provozieren“, sagte Geißler dem Tagesspiegel.

Auch die Oranienburger CDU-Fraktion verurteilt den Vorfall. Stadtverordneter Christian Howe sagte dem Tagesspiegel, „insbesondere“ Joachim Radke habe es bis heute „einfach nicht verstanden, was solch ein kommunalpolitisches Amt ausmacht.“ Es gehe darum, Sachpolitik für den Bürger zu betreiben und nicht „durch bewusste Provokationen immer und immer wieder Sitzungen unnötig in die Länge zu ziehen oder zu torpedieren.“ 

Bereits vor Jahren verbreitete Radke eine Montage des mittlerweile verstorbenen Holocaustüberlebenden Leon Greenman mit einem Zitat, in dem dieser angeblich die „Hetze gegen AfD und Pegida“ mit der „nationalsozialistischen Hetze vor dem Inkrafttreten der Reichspogrome“ verglich. Das Zitat ist eine Fälschung, die in Kombination mit einem falschen Namen von Greenman veröffentlicht wurde.

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