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Stein des Anstoßes ist die Pariser Ukraine-Konferenz Ende Februar gewesen – der Streit zwischen Olaf Scholz und Emmanuel Macron hat freilich eine längere Vorgeschichte.

© IMAGO/ABACAPRESS/IMAGO/Pool/ABACA

Zur Allianz verdammt : Der kindische Streit von Scholz und Macron muss enden

In der aktuellen Lage müssten Kanzler Scholz und Frankreichs Staatschef Macron eigentlich enger denn je zusammenarbeiten. Ihr Zerwürfnis kommt zur Unzeit. Wie aber kommen sie aus ihrer Sackgasse heraus?

Ein Kommentar von Christopher Ziedler

Jetzt gilt es, die Scherben der europapolitischen Chaostage zusammenzukehren. Olaf Scholz wird das versuchen, wenn er dieser Tage Litauens Premierministerin und den Brüsseler Ratschef im Kanzleramt empfängt. Am 21. März steht der EU-Gipfel an, der eine zentrale Aufgabe haben muss: Schadensbegrenzung!

Wie eine unerreichbare Fata Morgana wirkt zurzeit der eigene Anspruch, Europa müsse mit einer Stimme sprechen, um in der Welt von heute noch Gehör zu finden. Derzeit wäre man schon zufrieden, die Europäer fielen nicht vor Publikum übereinander her und widersprächen sich lustvoll, wie Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das zuletzt in der Ukrainepolitik getan haben.

Problembewusstsein fehlt

Noch schlimmer als der vor gut einer Woche öffentlich ausgetragene Streit über Waffen und Bodentruppen ist das mangelnde Problembewusstsein danach. Auf vieles blicken Deutsche und Franzosen traditionell sehr unterschiedlich. Es macht ja eigentlich gerade Charme und Stärke dieses Tandems aus, dass ein Kompromiss zwischen Berlin und Paris häufig für die gesamte Gemeinschaft taugt.

Und jetzt? Kein Krisentreffen, keine Versöhnungsgeste: Das deutsch-französische Zerwürfnis zwischen Scholz und Macron bleibt einfach so im Raum stehen. Man meint, die knallenden Krimsektkorken im Kreml hören zu können.

CDU-Chef Friedrich Merz hat schon recht, wenn er das Ganze als „jämmerlich“ bezeichnet – wobei es zu kurz greift, die Schuld allein beim Kanzler zu suchen, wie es der Oppositionsführer allzu genüsslich tut. „It takes two to tango“ – auch Macron trägt Verantwortung für die Beziehungsmisere.

Mit US-Präsident Biden – hier beim Besuch im Weißen Haus Anfang Februar – stimmt sich Scholz zur Ukrainepolitik enger ab als mit Macron.
Mit US-Präsident Biden – hier beim Besuch im Weißen Haus Anfang Februar – stimmt sich Scholz zur Ukrainepolitik enger ab als mit Macron.

© Reuters/Evelyn Hockstein

Er machte sich zu lange einen schlanken Fuß bei der Waffenhilfe, ließ das finanziell stärkere Deutschland die größere Last tragen. Das mag schon eine Retourkutsche gewesen sein, weil Scholz mehr transatlantisch mit US-Präsident Joe Biden als europäisch mit Macron besprach. Der bekam, als der Kanzler ihn ermahnte, mehr zu tun, zu Hause Ärger. Der Präsident wollte mit der eilends organisierten Pariser Ukraine-Konferenz samt Bodentruppen-Vorstoß Gegen-Schlagzeilen produzieren.

So dürfen Deutschland und Frankreich nicht miteinander umgehen – in schweren Zeiten wie diesen schon gar nicht. All diese Punkte hätten, auch wenn man sich nicht recht leiden mag, unter vier Augen geklärt gehört.

Mit Blick auf Donald Trumps mögliche Wiederkehr kann sich Europa keinen kindischen Kleinkrieg seiner wichtigsten Politiker leisten. Bundeskanzler und französischer Staatschef haben die verdammte Pflicht, miteinander auszukommen und eine Allianz zu bilden – trotz der Startprobleme, die es in jeder dieser Beziehungen der Vergangenheit gab.

Drei Wege aus der Sackgasse

Wie kommen Scholz und Macron aus der Sackgasse heraus? Erstens mit einem gemeinsamen Vorschlag, der dem Ernst der Lage angemessen ist. Wo etwa ist Scholz’ Europa-Mut aus der Pandemie geblieben, als er der EU erstmals eine große Schuldenaufnahme ermöglichte? Nun, da sie vor der vielleicht größten Aufgabe ihrer Geschichte steht, nämlich selbst für Sicherheit sorgen zu müssen, wäre das ein vernünftiger Vorstoß – und eine Geste, die in Paris verstanden würde.

Da wäre wohl die FDP vor. Auch deshalb muss es zweitens um Symbolik gehen. Scholz unterschätzt sie wie viele andere Deutsche immer noch. Warum sich nicht an geschichtsträchtigem Ort treffen und demonstrieren, dass sich Europa nicht mehr spalten und zerstören lässt? Am besten mit Polen. Der neue, proeuropäische Premier Donald Tusk könnte für Scholz und Macron den Kuppler spielen. Ein Gipfel des Weimarer Dreiecks ist ohnehin überfällig.

Zum Neustart gehört drittens eine Rückbesinnung au das alte EU-Motto „Einheit in Vielfalt“. Jedes Land hat seine Geschichte, auf die es Rücksicht zu nehmen gilt. Frankreich will in Europa nicht die zweite Geige spielen, in Deutschland kann ein Regierungschef militärisch nur weit weniger unbefangen agieren.

Sicher, Scholz hat mit seiner Überbetonung roter Linien gegenüber Moskau nicht gerade Stärke demonstriert, aber die Zahl der Richtung Kiew gelieferten Waffen ist konstant hoch. Auch ist es gerade in der Bundesrepublik legitim, mit dem Rückhalt in der Bevölkerung für diese völlig neue Politik behutsam umzugehen.

Für die Taurus-Marschflugkörper könnte das heißen, noch intensiver über europäische Arbeitsteilung nachzudenken. Wer was, möglicherweise auch über Umwege, an die Ukraine liefert, ist eigentlich egal. Am Ende muss es genug sein, um Putins Russland dort zu stoppen und Europas Freiheit zu verteidigen.

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